Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! „Eine Operation am offenen Herzen“ – so habe ich vor wenigen Wochen bei der ersten Lesung die Neuregelung des Soldatenentschädigungsgesetzes und des Soldatenversorgungsrechts hier beschrieben. Rund zweieinhalb Monate noch, bis das Paket am 1. Januar 2025 in Kraft tritt. Anders formuliert: Es sind nur noch zweieinhalb Monate, und die Herz-OP muss gelingen. Die Wortwahl klingt dramatisch, aber wir haben hier nichts weniger als einen tiefen systemischen Eingriff. Für Verwaltung und für Leistungsberechtigte ist die Umstellung auf das neue Soldatenentschädigungsgesetz und das neue Soldatenversorgungsrecht ein Kraftakt. Leistungen der medizinischen Versorgung wechseln zur Unfallversicherung Bund und Bahn, und die Ansprüche nach dem Soldatenentschädigungsgesetz müssen neu berechnet und zum 1. Januar 2025 ausgezahlt werden. Circa 135 000 Veteraninnen und Veteranen und deren Angehörige sind betroffen, haben neue Ansprüche, bekommen neue Ansprechpartner. Sie bekommen also ein Gefühl vom Aufwand. Dafür hat unsere Verwaltung einen Anpassungszeitraum. Und nun schlüpfe ich in die Rolle eines Leistungsberechtigten. Soziales Entschädigungsrecht und Versorgungsrecht sind in Deutschland wahnsinnig komplex. Versuchen Sie als Laie einmal, sich einen Überblick über die Vorschriften zu verschaffen. Respekt vor dem, der das schafft und den Durchblick behält! Die Rechtslage ist das eine, die Umsetzung aber das andere. Unseren Soldatinnen und Soldaten wurde daher von der UVB und vom Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr umfangreiche Aufklärung zugesagt, verständlich und individuell. Allein auf diese individuellen Schreiben zumindest warten sie noch, und das führt zu Unsicherheit und auch Gerüchten. Werden die Leistungen zum 1. Januar 2025 gezahlt? Wie ist das mit meinem Durchgangsarzt? Ist die alte oder die neue Rechtslage vorteilhafter für mich? Ich würde auch bange auf den 1. Januar 2025 blicken, wenn die Herz-OP ansteht, aber ich noch keine Einweisung in meinen Herzschrittmacher bekommen habe. Dass die Schreiben noch nicht verschickt sind, sondern erst im Dezember versandt werden, hat Gründe, unter anderem die Anpassungen im jetzt vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Soldatenentschädigungsgesetzes. Aber ein Signal der Wertschätzung ist das nicht. Jetzt habe ich genug gemeckert und werde zum Serviceabgeordneten. Es gibt eine noch recht unbekannte Hotline des Bundesamtes für Personalmanagement, liebe Veteranen und Veteranen, bei der man sich individuell beraten lassen kann, und zwar täglich von 8 bis 11 Uhr per Telefon. Ich sage die Nummer jetzt einfach mal an: 0211 959-2800. Ich weiß, Sie sind alle in den sozialen Medien aktiv und werden das teilen. Es geht auch per E-Mail. Unter seg@bundeswehr.org können Sie Ihre Anfragen stellen. Die werden allgemein und auch individuell beantwortet. Das ist jetzt vielleicht unkonventionell; aber ich hoffe, dass wir damit dazu beitragen können, dass viele Fragen, die jetzt entstehen, beantwortet werden können. So weit zum Heute und zur näheren Zukunft. Lassen Sie mich nun das Schlaglicht auf unsere Veteranen richten. Wir sind beim Versorgungsrecht noch nicht am Ziel. Im von allen Fraktionen dieses Hauses getragenen Veteranenantrag haben wir uns Hausaufgaben gegeben, die wir noch machen müssen. Ich möchte Ihnen zwei Ideen dazu skizzieren: Zum Ersten: die Angleichung der Dienstzeitversorgung. Szene eins: Zwei Kameraden, zwei Soldaten werden im Ausland in ein Gefecht verwickelt und schwer verwundet. Einer von ihnen ist Berufssoldat, der andere Soldat auf Zeit. Beide haben wir aufgrund eines Parlamentsbeschlusses in den Auslandseinsatz geschickt. Sie waren den gleichen Gefahren ausgesetzt, und trotzdem behandeln wir sie ungleich, wenn sie wegen einer Schädigung dienstunfähig werden und in den Ruhestand gehen müssen. Der Berufssoldat bekommt ein erhöhtes Unfallruhegehalt von 80 Prozent der übernächsten Besoldungsgruppe. Der andere, der Zeitsoldat, wird in meinem Beispiel zwar später über das Einsatz-Weiterverwendungsgesetz als Berufssoldat übernommen, aber er erhält dieses Unfallruhegehalt trotzdem nicht – einfach nur, weil er zum Zeitpunkt des Unfalls einen anderen Status als sein Kamerad hatte. Das leuchtet – über juristische Gründe und die Kopplung mit dem Beamtenrecht sehen wir mal hinweg – einfach nicht ein, und es wird der Leistung unserer Soldaten nicht gerecht. Das ist einfach ungerecht. Denn auch beim Auslandsverwendungszuschlag differenzieren wir nicht nach Statusgruppen; der General und der Gefreite bekommen dieselbe Gefahrenzulage. Ich plädiere daher auch hier für eine Gleichbehandlung. Zweitens: Versorgung von Familien. Szenenwechsel: Eine Kleinfamilie – Mama, Papa, Tochter. Der Papa war vor ein paar Jahren im Auslandseinsatz, hat dort schreckliche Dinge erleben müssen. In letzter Zeit zieht er sich immer stärker zurück, verhält sich komisch, manchmal auch aggressiv. Erst werden gemeinsame Familienaktivitäten immer schwerer, irgendwann ganz unmöglich. Grillen im Park mit Freunden hält der Papa nicht mehr aus – die Gerüche zu intensiv, die Geräusche zu laut. Die Diagnose lautet PTBS. Das veränderte Verhalten von Papa belastet Tochter und Ehefrau so sehr, dass sie selbst psychische Probleme entwickeln und in Therapie gehen müssen. Wir wissen aus Studien, dass ein stabiles soziales Umfeld einer der entscheidenden Genesungsfaktoren ist – für Papa, Mama und Tochter. Was wir deswegen stärken müssen, sind familienzentrierte Therapiekonzepte. Das Angebot an Familienmaßnahmen sollten wir ausbauen und noch stärker finanziell unterstützen, wie es im Veteranenantrag steht. Wir sollten auch darüber beraten, wie wir sekundär geschädigten Familienangehörigen einen Rechtsanspruch auf Behandlung ermöglichen können. Und wir sollten insbesondere das, was es jetzt schon gibt, noch sichtbarer machen. Ich denke an eine Art Litfaßsäule, eine Art Leitfaden, einen Wegweiser, der Therapeuten und Fachärzten, vor allen Dingen aber auch Einsatzgeschädigten und ihren Familien aufzeigt: Schaut mal, das sind die Möglichkeiten für euch. – Wenn ein Soldat oder eine Soldatin psychisch verwundet wird, dann müssen wir ihn oder sie bestmöglich versorgen. Dies gilt aber auch für die nächsten Angehörigen, wenn auch sie erkranken. Denn alles geht wie im ersten Beispiel kausal auf unseren Beschluss des Bundestages zurück. Letzter Sprung ins Hier und Jetzt. Wir bringen heute Änderungen des Soldatenentschädigungsgesetzes auf den Weg, feilen aber parallel schon an einem Update. An Ideen mangelt es uns nicht, wie Sie sehen. Es gilt also vielmehr, sie in Gesetzesform zu gießen. Wir schulden es unseren Veteranen und ihren Familien. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und ein schönes Wochenende.