- Bundestagsanalysen
Zwischenrufe von Christian Dürr an Tim Klüssendorf
Wir haben am Montag Christian Lindner gehört, der hier in der Debatte zur Vertrauensfrage schon von Neid gesprochen hat im Zusammenhang mit dem steuerpolitischen Programm der SPD, aber auch der Grünen. Heute haben Sie über Leistung gesprochen. Ich habe ein bisschen den Eindruck: Leistung bemisst sich bei Ihnen, aber auch bei den Kolleginnen und Kollegen von der Union rein am Einkommen oder am Vermögen.
Nee! Eben nicht! Das ist genau der Unterschied!)
Ich finde, die echten Leistungsträgerinnen und Leistungsträger in dieser Gesellschaft sind diejenigen, die tagsüber Arbeit zu leisten haben, die wirklich jeden Morgen aufstehen und für wenig Geld Arbeit an der Gesellschaft leisten und die nicht müde werden, auch wenn sie am Ende des Monats nicht mehr viel auf dem Konto haben, sondern jeden Cent umdrehen müssen. Das sind die wahren Leistungsträgerinnen und Leistungsträger.
Kein Widerspruch! Aber Unternehmen sind keine Leistungsträger?
Und zur Neiddebatte. Ich bekenne mich ja dazu: Natürlich wollen wir zum Beispiel den Soli in eine Zukunftsabgabe überführen.
Nein! Frau Heiligenstadt hat das anders gesagt!)
Und diese Entwicklung – Herr Dürr, ich kann Ihnen das nicht ersparen – ist ja sogar noch schlimmer geworden: Die höchsten Vermögen in dieser Gesellschaft sind weiter angewachsen, während die Leute, die jeden Tag arbeiten gehen, wirklich am meisten unter diesen Krisen in den letzten Jahren und Jahrzehnten gelitten haben.
Die Frage ist doch, warum Sie die nicht entlasten, Herr Klüssendorf!)
In den letzten 15 Jahren ist die Vermögensungleichheit in Deutschland um 20 Prozent angewachsen.
Ja, weil Sie nicht entlasten wollen!)
Wir haben mittlerweile die größte Konzentration von Vermögen in Europa, die drittgrößte unter allen OECD-Staaten, und Sie stellen sich hierhin und sagen: Wir wollen keine Neiddiskussion. Leistung muss sich lohnen.
Bitte? Sie hätten mal zum Koalitionsfrühstück kommen müssen und das Herrn Mützenich sagen müssen! Das hat Herr Mützenich immer abgestritten, dass die zu sehr belastet sind! Genau das wollten wir! Die Menschen wollten wir entlasten!)
Wenn 20 Prozent in dieser Gesellschaft gar kein Vermögen mehr haben
Aber Sie wollten doch die Arbeitnehmer mehr belasten! Wer hat das denn dauernd von der Tagesordnung genommen? Das waren doch Sie!)
Was mich aber wirklich am meisten stört, ist die Neiddiskussion, die Sie anfangen. Die hat mit der Debatte heute zu tun, mit Ihrem Leistungsbegriff, aber sie hat auch mit den Ausführungen zu tun, wie Sie das Ganze finanzieren wollen. Sie gucken nur nach unten. Sie spielen die Ärmsten gegen die Armen aus.
Herr Klüssendorf, Sie haben das von der Tagesordnung genommen! Das waren doch die Sozis gemeinsam mit den Grünen!)
Herr Dürr, vielleicht drei Punkte dazu:
Nein, ganz konkret, bitte: Warum?)
Der zweite Punkt ist: Nach meiner Einschätzung haben wir dieses Gesetz gemeinsam in den Deutschen Bundestag eingebracht
Und Sie wollen es nicht beschließen!)
und wollten es auch zur Abstimmung bringen. Übrigens haben wir nicht nur in diesem Jahr, sondern auch in den zurückliegenden Jahren – unter Beteiligung der SPD – immer wieder die kalte Progression ausgeglichen.
Ja, aber warum wollen Sie es nicht beschließen? Das ist keine Antwort!)
Wir haben immer wieder dafür gesorgt, dass die inflationsbedingten Steuererhöhungen an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden.
Das ist keine Antwort, Herr Kollege!
Dafür haben wir in der letzten Regierung und in dieser Regierung Verantwortung getragen, und wir werden es auch zukünftig tun, Herr Dürr.
Das ist keine Antwort auf meine Frage gewesen: Warum nicht?
Ein Letztes noch. Ich hätte mich gefreut, wenn der Kollege Lindner da wäre. Sie sind ja heute auch nur mit sieben Leuten zu der Debatte über Ihren eigenen Gesetzentwurf erschienen. Der Kollege Lindner hat ja davon gesprochen, dass er von Olaf Scholz auf die Straße gesetzt worden ist und er sich auf der Straße wohlfühlen würde. Ich finde, auch das gehört in diesem Parlament vielleicht eingeordnet. Liebe Bürgerinnen und Bürger, natürlich sitzt Herr Lindner nicht auf der Straße. Er sitzt selbstverständlich als Mitglied des Deutschen Bundestages in diesem Parlament und bekommt jeden Monat circa 11 000 Euro an Steuergeldern überwiesen. Ich finde, es ist eine absolute Unverschämtheit, wenn er in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt – er kokettierte damit bei der Spendengala –, seine private Situation würde nicht mehr hergeben und Ähnliches.
Wie viel hat denn Herr Klingbeil gespendet?)
Zwischenrufe von Tim Klüssendorf an Christian Dürr
Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich kann ja fast an die Debatte von eben anknüpfen, Kollege Güntzler. Aus alter niedersächsischer Verbundenheit: Ja, das ist genau der Punkt. Der Solidaritätszuschlag hat sich nicht nur historisch und politisch, sondern auch wirtschaftlich überlebt. Er muss weg. Es war ein politisches Versprechen der 90er-Jahre, dass diese Abgabe gestrichen wird, sobald sie ihren Zweck erfüllt hat.
Haben wir doch auch!)
Nach 30 Jahren ist das der Fall, meine Damen und Herren. 2019 ist der Solidarpakt II ausgelaufen. Um es deutlich zu sagen: Der Soli muss abgeschafft werden.
Für die meisten Menschen wurde er abgeschafft!)
Als Teil der ehemaligen Koalition mussten wir immer wieder feststellen, dass Sozialdemokraten und Grüne für eine echte Entlastung, auch steuerliche Entlastung, des Mittelstandes nicht zur Verfügung gestanden haben. Der Kollege Güntzler hat das ja auch leidvoll erfahren müssen zu Zeiten der Großen Koalition, als die Sozialdemokratie auch seinerzeit nicht dazu bereit war. Er ist eine Strafsteuer auf hohe Qualifikation, auf Risikobereitschaft und auf Unternehmertum geworden. Wenn wir verhindern wollen, dass Talente und kluge Köpfe abwandern, müssen wir im Rahmen einer Wirtschaftswende für eine Abschaffung des Solis sorgen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das muss das Ziel sein.
Und die Pflegekräfte sind keine, oder was?)
sondern er prangert zu Recht an –
Leistung bedeutet für Sie nur „hohes Einkommen“!)
Das sieht man auch an den Äußerungen von Hubertus Heil; er ist ja auch SPD-Politiker. Er hat auf die Äußerung von Herrn Linnemann gesagt: „Wir haben im Moment große Herausforderungen konjunktureller Natur“. – Nein, meine Damen und Herren, Sie haben es immer noch nicht verstanden. Es ist doch nicht die Weltkonjunktur, die zurzeit das Problem für die deutsche Wirtschaft ist, sondern es sind die strukturellen Probleme, die wir in Deutschland haben. Deswegen müssen wir an den Strukturen etwas ändern, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das muss das Ziel sein.
Infrastruktur zum Beispiel! Wir investieren in die Infrastruktur!)
Null war mit Ihnen umsetzbar.
Das stimmt nicht!)
Seit 2014 fallen wir in der Wettbewerbsfähigkeit zurück. Seit 2017 sind wir – das war vorhin Teil der Debatte – im industriellen Kern unseres Landes bereits in der Rezession. Seit 2018 werden in Deutschland beispielsweise weniger Autos gebaut. Das ist doch der Grund, warum wir zurzeit die Probleme in der Automobilindustrie haben. Glauben Sie ernsthaft, dass man das mit einem Brechen der Schuldenbremse wegsubventionieren kann? Die Strukturen müssen sich in Deutschland endlich ändern. Dazu finden Sie nicht die Kraft, und dafür braucht es neue Mehrheiten nach dem 23. Februar, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Ohne Sie, Herr Dürr!)
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege, da Sie es jetzt hundertmal angesprochen haben –
Reicht ja noch nicht!)