Die Opposition schlägt jetzt vor, diesen Konflikt durch den Abschuss von Wölfen zu lösen. Das scheint zwar auf den ersten Blick relativ einfach zu sein, ist aber sowohl aus rechtlicher Sicht als auch in der tatsächlichen Praxis für die Landwirtschaft und die Bevölkerung keine Lösung für das Problem. Erstens – und das ist die rechtliche Seite – ist der Wolf europarechtlich streng geschützt. Er unterliegt den Anhängen der FFH-Richtlinie, die europaweit einheitliche Kriterien für die Bemessung des Erhaltungszustands, Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Mit der Redezeit, die ich habe, möchte ich gerne etwas zur Versachlichung der Debatte beitragen. Der Wolf ist zurück in Europa und in Deutschland. Es ist gelungen, dass er nach 150 Jahren hier wieder Lebensraum findet. Das ist erst mal eine gute Nachricht und zeigt, dass die deutschen und europäischen Artenschutzmaßnahmen wirken. Aber natürlich entstehen dadurch, dass es mehr Wölfe in Deutschland gibt, auch Konflikte. Wölfe sind zwar scheue Tiere, aber sie sind eben auch exzellente Jäger, und so müssen gerade Landwirte immer wieder Risse von Weidetieren – insbesondere von Schafen und jungen Rindern – beklagen. Das bringt erhebliche Kosten für die Tierhalter mit sich, und verständlicherweise ist angesichts mancher, teilweise auch sehr dramatischer Berichte die Beunruhigung in der benachbarten Bevölkerung groß. also die Beantwortung der Frage, wie gut es den verschiedenen Wolfspopulationen in Europa eigentlich geht, festlegt. Dafür übermittelt die Bundesregierung regelmäßig einen standardisierten Bericht an die Europäische Kommission. Bisher – und das macht eben nicht ein Ausschuss, sondern das machen Fachexpertinnen und Fachexperten – wird der Erhaltungszustand der in Deutschland vorkommenden Wolfspopulation nach wie vor als ungünstig bewertet, was eben dem strengen Schutzstatus entspricht. Unabhängig von der Übermittlung dieses Berichts an die Kommission ermitteln die Bundesländer jährlich den Bestand an Wölfen in Deutschland. Die Daten für alle diese 16 Länder sind jederzeit bei der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf einsehbar. Dieses genaue Monitoring ist natürlich sehr zeit- und personalintensiv. Es ist völlig klar, dass mit der zunehmenden flächigen Verbreitung des Wolfes neue Lösungen gebraucht werden. Daran arbeitet die Koalition bereits. Zweitens haben wir erst 2020 in der Großen Koalition – daran war die Union bekanntermaßen beteiligt – die Entnahme, also den Abschuss, von sogenannten auffälligen Wölfen erleichtert, dann nämlich, wenn ernsthafte landwirtschaftliche Schäden durch Nutztierrisse entstehen. Auch da ist es möglich – weil Risse nicht immer einem Einzeltier zuzuordnen sind –, den Abschuss von einzelnen Mitgliedern eines Wolfsrudels bis zum Ausbleiben von Schäden fortzusetzen. Auch zum Schutz von Menschen sind erleichterte Abschussgenehmigungen vorgesehen, zum Beispiel wenn ein Wolf einen Menschen verletzt, ihn verfolgt oder sich ihm gegenüber unprovoziert aggressiv gezeigt hat. Dazu gehören aber ausdrücklich nicht Fälle, in denen sich Wölfe in der Nähe von Ortschaften sehen lassen, wenn ich das mal in Richtung Bayern bemerken darf. Die Möglichkeit der Jagd von auffälligen Wölfen ist in Deutschland also bereits im Rahmen der europarechtlichen Vorgaben erlaubt. Die öffentliche Anhörung – das ist natürlich richtig – hat gezeigt, dass es hier viele bürokratische Hürden in den Ländern gibt, dies dann im Ernstfall auch umzusetzen. Hier ist es aber sinnvoll, erst mal die bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten auszunutzen, bevor neue Regelungen geschaffen werden, die gegebenenfalls europarechtswidrig sind. Ich komme zu meinem dritten und eigentlich wichtigsten Punkt. Die Union fordert ja eine Obergrenze für Wölfe in Deutschland. Damit ist aber die Gefahr von Rissen nicht gebannt. Der Kollege Harald Ebner hat es gerade gesagt: Auch ein einzelner Wolf kann Tiere reißen. Das zeigt zum Beispiel der Riss von mehreren Jungrindern in Bernau im Südschwarzwald im vergangenen Sommer durch einen einzelnen Wolfsrüden. Deshalb können die Jagd und der Abschuss von Wölfen nur das letzte Mittel sein. In erster Linie ist ein wirkungsvoller Herdenschutz, zum Beispiel durch Hütehunde oder Weideschutzzäune, sinnvoll. Das sichert ein gutes Zusammenleben zwischen der Landwirtschaft, den Wölfen und den Menschen. Durch neue technologische Möglichkeiten, zum Beispiel indem man Wölfe mit Sendern ausstattet oder sie durch bestimmte Technologien vergrämt, ergeben sich auch neue Möglichkeiten. Die Besenderung von Wölfen wird zum Beispiel in Sachsen bereits eingesetzt. Wir nehmen die Sorgen der Weidetierhalter sehr ernst. Es ist für die betroffenen Landwirte dramatisch, ihre Tiere tot auf der Weide aufzufinden, einmal abgesehen von den ökonomischen Schäden. Deshalb ist der Herdenschutz so essenziell und muss stärker gefördert werden. Gleichzeitig ist der Schutz von Wildtieren, eben auch dem Wolf, ein hohes Rechtsgut. Nur in enger Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Interessensgruppen wird es uns gelingen, zu guten Lösungen zu kommen. Deswegen würde es die SPD-Fraktion auch sehr begrüßen, wenn der institutionalisierte Dialog zu Weidetierhaltung und Wolf, wie im Ampelkoalitionsvertrag vereinbart, bald an Fahrt aufnimmt. Wir haben heute schon viel über den Wolf diskutiert und machen das später auch noch. Deswegen würde ich darauf verzichten. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Debatte in der Bevölkerung wird sehr emotional geführt. Das ist angesichts der Schäden auch sehr verständlich. Unsere Aufgabe als Politik ist es aber, auf Grundlage von Fakten sachlich zu diskutieren und zuzuhören, zu vermitteln und praktikable Lösungen zu finden. Eine Polarisierung bringt niemanden weiter. Vielen Dank.