Rede von Gast Gast in 99. Sitzung
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Lage im Sudan war und ist dramatisch. Der innersudanesische Machtkampf zwischen dem Präsidenten al-Burhan und Vizepräsident General Daglo ist in den vergangenen Wochen sehr schnell mit wirklich großer Geschwindigkeit und Brutalität eskaliert. Landesweit kommt es trotz der neuverhandelten Waffenruhe – auch die letzte hat schon nur sehr rudimentär gehalten – weiter zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und zum Teil schweren Gefechten. Der Konflikt – wir haben es gehört – hat bereits mehrere Hundert Tote und Tausende Verletzte gefordert, darunter zahlreiche Zivilistinnen und Zivilisten. Auch ausländische Staatsangehörige zählen zu den Opfern. Es gab gewaltsame Angriffe auf diplomatische Einrichtungen und Konvois sowie Angehörige internationaler Hilfsorganisationen.
Auch zahlreiche Deutsche wurden von der Situation überrascht, saßen fest unter Gefahr für Leib und Leben. Es war deshalb sehr schnell klar: Es ist erforderlich, schnell und entschlossen zu handeln. Das, meine Damen und Herren, haben wir getan.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Florian Hahn [CDU/CSU] und Stephan Brandner [AfD])
In dieser dramatischen Sicherheitslage und bei dieser anhaltenden Gewalteskalation im Sudan musste die Bundesregierung ihrer Verantwortung umgehend gerecht werden. Die Situation duldete keinen Aufschub. Eine Mitte vergangener Woche zunächst geplante sogenannte schnelle Luftabholung, also eine diplomatische Evakuierung, mussten wir abbrechen. Die Sicherheitslage war zu angespannt und zu gefährlich, als dass man das Risiko hätte eingehen können. Daher war es auf Grundlage der Zustimmung der sudanesischen Regierung – in den Tagen davor waren alle Planungen zur Vorbereitung ebendieses robusten Einsatzes auf Hochtouren gelaufen – endlich am Samstag möglich, die Entscheidung für den Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur militärischen Evakuierung zu treffen. Die Entsendung erster Einsatzkräfte erfolgte am Sonntag.
Außenministerin Annalena Baerbock und ich haben die Vorsitzenden aller im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen über den Beginn dieser Operation und die Grundzüge unseres Vorgehens vor Beginn des Einsatzes mündlich unterrichtet. Es ging uns darum, meine Damen und Herren Abgeordnete, zügig einen Weg zu finden, die Menschen dort herauszubekommen, schnell und sicher und ohne dass deutsche Soldatinnen und Soldaten zu Schaden kommen, und das alles, meine Damen und Herren, in einer äußerst engen zeitlichen Taktung und mit einer sehr unübersichtlichen und sehr besonderen Gefahrenlage vor Ort und natürlich in engem Kontakt, sobald der hergestellt war, mit den sudanesischen Kräften, die sich grundsätzlich bemüht haben, für die Sicherheit der vor Ort tätigen Partner zu sorgen. Bei der Vorbereitung dieser Operation haben wir alles getan, um den Einsatz so sicher wie möglich zu gestalten.
Meine Damen und Herren, die Bundeswehr hat bewiesen, dass sie da ist, wenn sie gebraucht wird,
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
dass sie komplexe Operationen – und das war eine sehr komplexe Operation –, bei denen viele Bausteine in kürzester Zeit zusammengefügt werden müssen, stemmen kann, und das auch sehr, sehr kurzfristig. Es zeigt sich einmal mehr: Das Vertrauen, das wir in unsere Truppe setzen, ist mehr als gerechtfertigt. Danke sage ich an die Soldatinnen und Soldaten für diesen schnellen, mutigen und vor allem engagierten und professionellen Einsatz.
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Rund 1 000 Soldatinnen und Soldaten waren im Nahen Osten und in Nordafrika im Einsatz. Zudem waren auch in Deutschland noch etliche in Bereitschaft. Sie hätten jederzeit in das Einsatzgebiet gebracht werden können.
Meine Damen und Herren, gestern Abend haben wir die Evakuierungsflüge beendet. Mehr als 700 Menschen konnten wir in Sicherheit bringen, davon etwa 200 Deutsche, zahlreiche EU-Angehörige und Bürgerinnen und Bürger anderer Staaten, so alleine fast 130 Menschen aus Kanada, 60 aus den Niederlanden und weitere Menschen aus vielen anderen Ländern. Die Bundeswehr hat die Koordination am Flughafen Khartum geordnet und planmäßig an unsere britischen Partner übergeben. So ist sichergestellt, dass die Luftevakuierung für die internationale Staatengemeinschaft auch nach unserem Abzug ordnungsgemäß weiterlaufen kann. Falls erforderlich, werden auch deutsche Staatsangehörige weiter mit ausgeflogen.
Insgesamt ist die Evakuierungsmission ein beeindruckendes Zeichen internationaler und europäischer Kooperation. Insbesondere – das will ich hervorheben – hat die Zusammenarbeit mit unseren französischen Freunden ausgezeichnet funktioniert, übrigens auch dank des guten Drahtes unserer Militärs zu unseren Nachbarn. Dass die Evakuierungsmission so reibungslos verlaufen konnte, lag aber auch – das will ich hier deutlich unterstreichen – an einer sehr guten Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt, zwischen der Kollegin Baerbock und mir und mit den beteiligten Ministerien sowie an der engen Abstimmung mit den Ansprechpartnern im Sudan. Dafür bin ich sehr dankbar.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Jordanien – und auch das verdient besondere Erwähnung – hat die Evakuierung als Gastland und logistisches Drehkreuz sehr spontan, sehr professionell und sehr vertrauensvoll unterstützt. Die Evakuierten wurden von dort ausgeflogen und kehrten nach Deutschland zurück. Die meisten sind bereits sicher hier bei uns angekommen. Deswegen war es auch eine Selbstverständlichkeit, 20 jordanische Staatsangehörige ebenfalls auszufliegen.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mein Dank geht deswegen in besonderer Weise auch an unsere Partner in Jordanien für die ausgezeichnete Zusammenarbeit, die schnelle Unterstützung und das Vertrauen, das zwischen uns herrscht. Dank auch an die Vertreter der Bundespolizei, die ihren wesentlichen Beitrag bei der Sicherung geleistet haben, auch vielen Dank ans BMI!
Für diejenigen Deutschen, die sich immer noch im Sudan befinden, stellen wir sicher, dass diese bei Bedarf in Sicherheit gebracht werden, sei es mit Flügen von Partnern, auf dem Land- oder dem Seeweg.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr haben in einer instabilen, gefährlichen und unabsehbaren Lage und bei andauernden Gefechten im Sudan eine hochkomplexe Evakuierungsoperation durchgeführt. Unsere Männer und Frauen leisteten unter Einsatz ihres Lebens – das muss man so sagen – in einem unübersichtlichen und brandgefährlichen Umfeld Außerordentliches. Dafür gebührt ihnen unser aller Respekt, unsere Anerkennung und von Herzen Dank.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)
Ich kann nur erahnen, in welcher Sorge die Angehörigen der Soldatinnen und Soldaten, die im Einsatz waren, hier vor Ort gewesen sein müssen. Umso mehr hoffe ich, dass jetzt auch die letzten unserer Soldatinnen und Soldaten im Laufe des heutigen Abends oder morgen zurückkehren werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Evakuierungsoperation stellt einen Einsatz zur Rettung von Menschen aus besonderen Gefahrenlagen dar. Wir mussten unverzüglich handeln. Daher holen wir die Zustimmung des Deutschen Bundestages heute nach. Das ist nicht nur rechtlich notwendig, es ist auch für die Truppe besonders wichtig; denn dieser politische Rückhalt zeigt unseren Frauen und Männern, dass der Deutsche Bundestag hinter ihnen, hinter seiner Parlamentsarmee steht, hinter den rund 1 000 Soldatinnen und Soldaten, die im Einsatz waren oder weiterhin sind.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der AfD)
Ein Wort, sehr geehrter Herr Abgeordneter Hardt, an Sie: Am Freitag, als Sie sich, wie Sie gerade sagten, gewünscht hätten, hierzu Vorlagen zu bekommen, waren die Optionen noch nicht klar.
Es wurde ihm schon erklärt!
Zuruf des Abg. Peter Beyer [CDU/CSU])
Erst am Samstagmittag war klar, was wir würden tun können, immer noch unter dem Eindruck einer höchst brisanten und volatilen Lage. Am Freitag hätten wir Ihnen allenfalls einige Optionen nennen können, und ich glaube nicht, dass Sie damit zufrieden gewesen wären, wenn wir aufgeschrieben hätten: Sie haben die Wahl zwischen Option eins, zwei und drei.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das war der Punkt, der ein anderes Handeln nach meiner Überzeugung nicht zuließ.
Der zweite Punkt: Geheimhaltung. Ja, glauben Sie mir: In diesem Haus gibt es wohl kaum jemanden, der sich mehr über dieses Leck geärgert hat als ich. Lecks und Leaks und Durchstechereien gibt es in allen Häusern. Darüber kann man sich ärgern; das tue ich auch. Aber die wissentliche Durchstecherei einer Operation mit Einzelheiten, deren Bekanntwerden Leben gefährden kann, ist für mich nicht akzeptabel.
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Ich kann Ihnen versichern, dass wir alle strafrechtlichen Mittel ausschöpfen werden, um hier den Täter, die Täterin dingfest zu machen. Ob uns das gelingt, wird sich zeigen. Wir werden alle Möglichkeiten, die wir haben, dafür verwenden. Das kann ich Ihnen zusichern.
Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem bisherigen Verlauf der Operation sind wir zufrieden. Wir sind erleichtert, ich bin erleichtert. Ich sage auch: Ich bin stolz auf die Bundeswehr und für diesen Einsatz dankbar. Aber wir müssen die Lage täglich neu bewerten. Die Sicherheitslage bleibt angespannt. Niemand kann sagen, wie es im Sudan in einer Woche aussieht. Der Einsatz ist deshalb bis zum 31. Mai befristet, dieses Jahres wohlgemerkt. Der gewählte Mandatszeitraum und die Obergrenze von 1 600 Soldatinnen und Soldaten geben uns die nötige Flexibilität, um den Evakuierungsauftrag bei Bedarf schnell und wirksam wieder aufzunehmen. Wir beobachten die Lage weiter sehr genau und werden auch weiter dafür sorgen, dass deutsche Staatsangehörige in Sicherheit gebracht werden können.
Meine Damen und Herren Abgeordnete, ich bitte Sie daher um Ihre Unterstützung und Zustimmung für das Mandat, das wir heute einbringen, und freue mich sehr, dass der Verteidigungsausschuss und einige andere der Einladung nach Wunstorf für Freitagabend, 17 Uhr, folgen, wenn unsere Soldatinnen und Soldaten dort wieder eintreffen.
Vielen Dank.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Vielen Dank, Herr Minister. – Nächster Redner ist der Kollege Joachim Wundrak, AfD-Fraktion.
Beifall bei der AfD)