Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von 33 Staaten in Lateinamerika und der Karibik sind inzwischen 24 Teil der chinesischen Seidenstraßeninitiative. Der Handel zwischen China und den Staaten Lateinamerikas und der Karibik wächst rasant. Er ist zwischen 2000 und 2020 um das 26-Fache gestiegen, und er soll sich bis 2030 noch einmal verdoppeln. Auch politisch stellt sich China gegenüber Lateinamerika als Alternative dar, um die vermeintlich US-dominierte Weltordnung aufzubrechen. Längst sind chinesische Diplomaten gefragte Stimmen in traditionellen und sozialen Medien lateinamerikanischer Länder. Inzwischen haben 23 dieser Länder 45 Konfuzius-Institute innerhalb ihrer Grenzen. China nutzt also in Lateinamerika und der Karibik geschickt die Freiräume, die Europa und die USA nicht besetzen. Dabei sind viele lateinamerikanische Staaten hochverschuldet. Sie begeben sich in die offenen Arme Chinas, das für politische Annäherung keine Konditionen setzt und für Investitionen viel Geld mitbringt. Aber mittelfristig stärkt der chinesische Einfluss autoritäre Führer mit antiwestlichen Ressentiments, die für demokratische Werte, für Menschenrechte, für Umweltstandards, für die Bekämpfung von Korruption wenig Interesse aufbringen. Wir müssen die Weichen dafür stellen, meine Damen und Herren, diesen Trend umzukehren. Die unionsgeführten Bundesregierungen unter Angela Merkel haben übrigens institutionelle Grundlagen dafür geschaffen, dass wir als Bundesrepublik Deutschland in der Region wieder stärker sichtbar werden können. Der Vertragstext für das Freihandelsabkommen der Europäischen Union mit den Mercosur-Staaten ist seit 2019 ausgehandelt. Er muss jetzt dringend ratifiziert werden. Auch mit Argentinien und mit Chile konnten die bilateralen Handelsbeziehungen substanziell ausgebaut werden. Mit Brasilien sind wir bereits 2008 eine strategische Partnerschaft eingegangen. Im August 2015 wurden erstmals deutsch-brasilianische Regierungskonsultationen durchgeführt. Darauf lässt sich aufbauen, meine Damen und Herren; aber das müssen Sie jetzt auch tun. Nach der Wahl von Lula da Silva zum brasilianischen Präsidenten sollte die Bundesregierung die deutsch-brasilianischen Beziehungen konsolidieren und neue Regierungskonsultationen vereinbaren. Von Ernährungssicherheit über erneuerbare Energien und Kreislaufwirtschaft bis hin zu sicherheitspolitischer Kooperation stehen genügend Themen auf der Agenda. Sie haben zu Recht hervorgehoben und sind ganz stolz, dass viele Bundesminister und auch der Bundeskanzler in den letzten Monaten nach Brasilien gereist sind. Es wäre besser gewesen, Sie hätten Ihr Vorgehen auch koordiniert. Und noch besser wäre es gewesen, Sie hätten irgendein Ergebnis mitbringen können. Nur, das ist bisher nicht ersichtlich. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung braucht eine abgestimmte Strategie gegenüber Brasilien und gegenüber der gesamten Region. In Ihrem Lastenheft steht noch für dieses Jahr, die Regierungskonsultationen mit Brasilien wieder aufzunehmen und das Mercosur-Abkommen zu ratifizieren. Sie müssen jetzt handeln. Unseren Antrag zu kritisieren, aber selber nichts anzubieten, das ist entschieden zu wenig, meine Damen und Herren. Lateinamerika und die karibischen Staaten haben aufgrund der kulturellen Nähe ein grundsätzliches Interesse an engerer Partnerschaft mit Deutschland und Europa. Die Staaten der Region sind auch für uns von zentraler Bedeutung, weil wir die internationale Ordnung wahren wollen, weil wir unsere Lieferketten diversifizieren müssen und weil wir Demokratie und Marktwirtschaft stärken wollen. Das Zeitfenster dafür ist offen. Die Bundesregierung muss es jetzt auch nutzen. Vielen Dank.