Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Schönste am Berliner Frühling ist das morgendliche Vogelgezwitscher in den Innenhöfen. Leider stören die Ampelmännchen und Ampelweibchen im Regierungsviertel mit ihren schrägen Tönen die Großstadtidylle. Mein Eindruck ist: Dem Fortschrittslied der Koalition geht vorzeitig die Puste aus. Seit Wochen erreichen den Bundestag kaum mehr Gesetzesinitiativen der Regierung. Weil die Ampel sich bei wichtigen Vorhaben offensichtlich nicht einigen kann, widmet sie sich stattdessen dem stillen Umbau unserer Gesellschaft, etwa durch die Cannabislegalisierung oder durch Änderungen am Personenstandsrecht. Da ist der Gesetzentwurf zum inklusiven Arbeitsmarkt noch ein Hoffnungsschimmer. Leider ist dem Arbeitsminister aber nur eine kleine Einigung gelungen. So hoffte er bei der Einbringung des Gesetzentwurfs ins Plenum auf gute Beratungen im Bundestag, die den Gesetzentwurf besser machen sollten – zu Recht! Die „Frankfurter Rundschau“ titelte: „Ausgebremste Inklusion“. Die Ampelkoalition wolle den Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen erleichtern, doch der eingebrachte Gesetzentwurf lasse Lücken. Die „FR“ beruft sich auf eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums, dass es zu einem späteren Zeitpunkt in der Legislaturperiode noch Änderungen in Sachen Werkstattentlohnungen geben sollte. Sie legen also einen Gesetzentwurf vor, bei dem Sie direkt spätere Nachbesserungen einkalkulieren, ganz nach dem Motto: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Um es mit Konrad Adenauer zu halten: „Wer den Mund spitzt, muss auch pfeifen.“ Wenn die Ampel will, dass das wichtige gemeinsame Anliegen eines inklusiven Arbeitsmarktes mit einem Signal der Einheit dieses Hohe Haus verlässt, dann muss sie mit ihrer Regierungsmehrheit auf die Opposition zugehen. Doch niemand ist auf uns zugegangen. Indem wir heute mit einem eigenen Entschließungsantrag den Regierungsentwurf ablehnen, fordern wir mehr Behindertenfreundlichkeit auf dem Arbeitsmarkt, als die Ampel es regeln will oder kann. Um überhaupt einen Entwurf vorlegen zu können, opfern Sie das einzige Sanktionsinstrument des Staates: Sie verzichten der FDP zuliebe auf die Bußgeldvorschrift, um sich auf die vierte Stufe der Ausgleichsabgabe einigen zu können. Wie gesagt: Der ehemalige Bundesarbeitsrichter Düwell – er ist schon erwähnt worden – nannte das in der Ausschussanhörung einen Skandal. Der Allgemeine Behindertenverband, der VdK, Professor Felix Welti – alle wollen natürlich an diesem richtigen Ordnungsinstrument festhalten. Sie vertun daneben die Chance, den Inklusionsgedanken mit dem Thema Gleichberechtigung zu verknüpfen; denn Sie versäumen es, eine Arbeitslosenversicherungspflicht für Beschäftigungsverhältnisse aus dem Budget für Arbeit zu regeln. Es bleibt bei einem Zweiklassensystem, das nicht inklusiv ist. Leistungen wie zum Beispiel das Kurzarbeitergeld, das gerade in Krisenzeiten Sicherheit gibt, erhalten diese Menschen nicht. Ich rate dem Arbeitsminister, der gerade nicht mehr da ist, bevor er mit der vierten Stufe der Ausgleichsabgabe etwas Neues macht: Überprüfen Sie doch erst einmal die Wirkung der Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber. Das haben wir in der letzten Legislaturperiode gemeinsam eingeführt, und bei der Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt ist das doch ein effizientes Instrument. Meine Damen und Herren, der heutige Tag ist für den inklusiven Arbeitsmarkt zwar nicht ganz rabenschwarz, eher taubengrau; er ist aber ganz bestimmt kein Frühlingserwachen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.