Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor einigen Wochen fand mal wieder – leider fiel er pandemiebedingt lange Zeit aus – ein parlamentarischer Abend der Lebenshilfe statt. Das Schöne an diesem parlamentarischen Abend der Lebenshilfe war, dass er von einer Podiumsdiskussion begleitet wurde, bei der das Podium mit drei Menschen mit Behinderungen besetzt war. Einer arbeitet in einer Werkstatt, ein anderer auf einem Außenarbeitsplatz einer Werkstatt, und der Dritte in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, und zwar als Koordinator bei Special Olympics Deutschland. Die Gesprächsrunde gab im Ergebnis relativ schnell zu erkennen, was die Bedeutung eines inklusiven Arbeitsmarkts ist, nämlich die Vielfalt an Beschäftigungsmöglichkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt – einbezogen sind hier auch die Einrichtungen für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben – und die Vielfalt an individuellen Fähigkeiten der Menschen mit Behinderungen zusammenzubringen. Um dies hinzubekommen, bedarf es gezielter Förderungen und einer Bewusstseinsbildung, damit der inklusive Arbeitsmarkt im Blick bleibt. Der Gesetzentwurf, der heute zur Abstimmung vorliegt, enthält in der Tat einige gute Ansätze. Zu nennen sind, wie die Staatssekretärin eben schon gesagt hat, die Genehmigungsfiktion für Anspruchsleistungen des Integrationsamtes und die Aufhebung des Deckels beim Budget für Arbeit. Aber auch die Neuausrichtung des Sachverständigenbeirates Versorgungsmedizin ist an dieser Stelle einmal ausdrücklich zu erwähnen. Ich wäre aber vorsichtig, bei diesem Gesetzentwurf von einem großen Wurf zu sprechen, weil das auch die Sachverständigen am 27. März 2023 deutlich nicht bescheinigt haben. Hier ist insbesondere zu nennen die Streichung der Bußgeldvorschrift. Als Staat jetzt die einzige Möglichkeit, die nicht ausreichende Beschäftigung zu sanktionieren, aus der Hand zu geben, das stimmt bedenklich; die Sachverständigen Düwell und Welti haben das deutlich gemacht. Das als Entbürokratisierungsmaßnahme zu verkaufen, ist – das muss ich sagen – doch schon sehr gewagt. Man kann das nur als Kompensation gegenüber der FDP dafür verstehen, dass die vierte Stufe der Ausgleichsabgabe eingeführt worden ist. Warum wir die vierte Stufe der Ausgleichsabgabe für falsch halten, habe ich bereits in der ersten Lesung deutlich gemacht. Ich will hier nur erwähnen, wer auch noch dagegen ist, und zwar das UnternehmensForum. Das ist bemerkenswert, vor allem wenn man weiß, dass das UnternehmensForum große Unternehmen vertritt, die sich die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen zur Aufgabe gemacht haben. Wenn man die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zugrunde legt – etwa 300 000 freie Stellen für Menschen mit Behinderungen wurden gemeldet, aber nur 170 000 Menschen mit Behinderungen sind arbeitslos gemeldet –, dann merkt man, dass es genau richtig war, in der letzten Legislaturperiode Ansprechstellen für Arbeitgeber einzuführen, die nämlich Unternehmen begleiten, unterstützen und informieren sollen, wenn sie Menschen mit Behinderungen beschäftigen. Es wäre richtig, die Ergebnisse dieser Arbeit erst mal abzuwarten und sich genauer anzuschauen, wie die Ansprechstellen eigentlich arbeiten. Deswegen haben wir auch gefordert, dass hier eine Evaluation erfolgen soll. Das haben nicht nur die Sachverständigen gefordert, sondern auch die Behindertenbeauftragten von Bund und Land. Es wäre sicherlich ratsam, ihrem Rat zu folgen. Wenn gesagt wird: „Die vierte Stufe der Ausgleichsabgabe wird eingeführt, damit wir mehr Geld zur Verfügung haben, um Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt unterzubringen“, dann müssen Sie mir aber schon erklären, warum gerade die Administrationskosten als neue Ausgabenposition vom Ausgleichsfonds getragen werden sollen und nicht mehr vom Nationalen Aktionsplan. An der Stelle macht sich das BMAS finanziell einen schlanken Fuß. Das kann man nun wirklich nicht als gute Regelung bezeichnen. Wir bringen einen Entschließungsantrag ein, in dem wir gerne Anregungen unterbreiten – ergänzend zu unserem Antrag, den wir bereits im letzten Jahr eingebracht haben –, mit denen das Gesetz hätte besser gemacht werden können. Aber diese Anregungen sind nicht aufgenommen worden; leider Gottes. Hier ist insbesondere das Jobcoaching zu nennen, das nach unserer Vorstellung als eigene Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben geregelt werden soll. Darüber hinaus gibt es bei den Inklusionsunternehmen viele offene Fragen, gerade bei der Beseitigung der Rechtsunsicherheit bei der Umsatzsteuerprivilegierung und der Bundesverwaltungsvorschrift zur bevorzugten Vergabe von öffentlichen Aufträgen an Inklusionsunternehmen; das sind immer noch zwei offene Baustellen. Beim Budget für Arbeit hätten wir uns etwas mehr Entbürokratisierung gewünscht und insbesondere, dass das Budget unabhängig vom Durchlaufen des Berufsbildungsbereiches und des Eingangsverfahrens für Werkstätten für Menschen mit Behinderungen greift; das ist leider nicht der Fall. Darüber hinaus hätten wir uns aufgrund der öffentlichen Anhörung – so ist es zumindest verlautbart worden – auch gewünscht, dass die Bestimmung zum Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung gestrichen wird, so wie es in NRW schon lange Zeit praktiziert wird. Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Schließen möchte ich mit einem Zitat, das ein Werkstattbeschäftigter als Botschaft beim parlamentarischen Abend angeführt hat: Arbeit ist auch ein bisschen wie Familie. Wichtig ist, dass wir eine Arbeit haben, die auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten ist. – Wir sollten uns von diesem Gedanken leiten lassen. Herzlichen Dank.