Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bilger, ich möchte erst mal einsteigen mit diesem Bild, das Sie gerade verwendet haben, nämlich dass die SPD sich hätte anstecken lassen. Energiewendepolitik ist keine Krankheit, und deswegen ist dieses Bild, sich anstecken zu lassen, ziemlich verquer. Aber es passt wahrscheinlich in Ihr Weltbild, weil Sie es eben nicht als eine faktenbasierte, aus den Schritten einer Energiewende sich ergebende notwendige Konsequenz ansehen, aus der Atomenergie auszusteigen, sondern offensichtlich Ihrerseits ideologieabhängig argumentieren. Das ist ja etwas, was Sie immer gerne anderen unterstellen; aber wenn man Ihnen dann mal zuhört, merkt man das. Da passt natürlich auch sehr gut ins Bild, dass der Titel dieser Aktuellen Stunde ursprünglich nicht wie hier angeschlagen heißen sollte, sondern „Kernenergie? Ja, bitte!“. Das war der ursprüngliche Titel, und auch sehr vielsagend. Denn wenn man gegenüber den anderen Energiewendeanträgen, die Sie in den letzten Wochen und Monaten vorgelegt haben, die ja schon immer so ein bisschen diesen Geist der Energiewende versprühten und zeigen sollten, dass es Ihnen wirklich ernst sei mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien, sich dann mal solche Titel, die Sie wählen, wenn es solche Aktuellen Stunden anzuberaumen gilt, dann aber beschämt wieder aus dem Verkehr ziehen, vergegenwärtigt, dann sieht man: Ihnen geht es eben doch um grundsätzlichere, umfassendere Konzepte. Ihnen geht es tatsächlich um eine Perpetuierung, um eine Verlängerung von Atomenergienutzung, und das hat natürlich weitreichende Konsequenzen für ein Land. Darauf möchte ich auch eingehen. Weitreichende Konsequenzen, wenn jetzt verlängert würde, wären zum Beispiel – das wissen Sie auch ganz genau –, dass dann neue Brennelemente beschafft werden müssten. Das ist ja dann auch wieder ein Spielchen, zu sagen, dass wir das versäumt hätten. Nein, nein, wir haben es nicht versäumt, wir haben es ganz bewusst nicht gemacht. Selbst wenn man sie früher beschafft hätte, hätte man eben nicht nur über den Winter noch ein bisschen mehr Stromreserve gehabt, die man dann auch noch zusätzlich exportiert hätte – wir haben nämlich immer exportiert; wir haben nicht zu wenig Strom, sondern immer zu viel Strom gehabt –, sondern dann hätte man – – – Ja, gucken Sie sich doch die Zahlen an, Herr Merz! Deutschland war letztes Jahr mit mehr als 25 Terawattstunden Stromexporteur: Mehr als 60 Terawattstunden wurden exportiert, circa 35 wurden importiert – Nettostromexporteur mit mehr als 25 Terawattstunden! Das müssen Sie einfach mal zur Kenntnis nehmen. Damit waren es 50 Prozent mehr Stromexporte als im Jahr zuvor. Das sind die nackten Zahlen. Deswegen: Wenn man diese Fakten einfach mal ernst nimmt, sieht man, dass das, was Sie hier mit einer Verlängerung anzetteln wollen, wirtschaftlich betrachtet natürlich bedeutet – das haben wir auch in den Anhörungen von den Experten dargelegt bekommen –, dass es sinnvollerweise nur um eine Verlängerung der Atomenergienutzung um mindestens fünf Jahren gehen kann. Aus Ihrem ursprünglich gewählten Titel entblättert sich dann auch, dass es Ihnen nicht um irgendwelche Sicherheitsreserven geht, sondern dass es hier tatsächlich um ein anderes Verständnis von Energiepolitik geht, nämlich nicht eine Energiewendepolitik, sondern eine Fortsetzung der Nutzung der Atomenergie. Das bedeutet systemisch betrachtet, dass Sie offenbar den Umstieg auf erneuerbare Energien gar nicht erst organisieren wollen. Das wollen Sie offenbar gar nicht. Denn Sie wissen ganz genau, dass Atomenergie im Netz etwas ist, was, so nennt man es, „Strich fährt“, also eine konstant gelieferte Menge Strom bedeutet. Atomkraftwerke sind sehr schwer regelbar. Man kann sie regeln; aber das dient nicht der Sicherheit. Das ist sicherheitstechnisch sehr schwierig; darauf sind sie auch nicht ausgelegt. Deswegen: Wenn Atomstrom im Netz ist, dann heißt das, dass erneuerbare Energien blockiert werden. Offenbar ist das Ihr Konzept. Außerdem – das muss man auch mal hervorheben – ist der Ausstieg aus der Atomenergie eben nicht nur eine energiepolitische Angelegenheit, sondern er bedeutet auch, dass wir endlich mit der Haftungsübernahme der Gesellschaft Schluss machen. Wir hatten das Risiko in der deutschen Atomgesetzgebung – das ist übrigens nicht allein in Deutschland so gewesen, sondern das ist international so organisiert – zwar etwas mehr auf die Kraftwerksbetreiber verlagert als in anderen Ländern, aber auch in Deutschland hatten wir eine Höchstgrenze der Deckungsvorsorge in Höhe von 2,5 Milliarden Euro für die Atomkraftwerke und auch noch eine gegenseitige Verfügbarkeit von Haftungen bei den Betreibern, was sich auf die Mutterkonzerne bezog. Das bedeutet: Mit dieser Vergesellschaftung von Risiken ist durch den Atomausstieg Schluss. Auch deswegen ist dieser Ausstieg konsequent. Vielen Dank.