Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Blankenburg, das mal vorneweg: Sie sprechen immer von den Kosten für die Erzeugung. Wenn es um den Weiterbetrieb geht, dann reden wir über Grenzkosten. Das Konzept müssten Sie sich vielleicht mal angucken. Da geht es nicht um Gesamtkosten; da geht es um Grenzkosten, und die sind bei bestehenden Kraftwerken niedrig. Also: Ihre Zahlen können Sie komplett vergessen. – Es geht hier nicht um Vollkosten; es geht um Grenzkosten. Im vorliegenden Gesetzentwurf und im Antrag der AfD geht es um den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke und die Bestellung von Brennstäben. Gefordert haben wir als Fraktion das ja auch schon vor einem Jahr, und auch heute Morgen haben wir das in der Debatte zu den Energiepreisbremsen noch mal bestätigt. Ich will aber hier noch mal ganz ausdrücklich sagen, dass wir das nicht aus Begeisterung für diese Technologie tun, sondern aus Sorge um den Klimaschutz. Wir alle wissen um die Unsicherheiten, die mit der Kernkraft verbunden sind. Deshalb haben wir in den letzten Monaten auch nie für einen Wiedereinstieg geworben, so wie Sie von der AfD das machen, sondern immer nur für einen zeitlich begrenzten Weiterbetrieb. Hier unterscheiden wir uns auch von der Positionierung der AfD. Wir sind offen für Weiterentwicklung und empfehlen auch dringend, zusammen mit unseren anderen europäischen Partnern an der Weiterentwicklung der Technologie zu forschen. Wir sehen aber keine Zukunft für die Kernkraft auf Basis der aktuellen Technologie. Deshalb können wir Ihrem Gesetzentwurf und Ihrem Antrag auch nicht zustimmen. Ein zeitlich begrenzter Weiterbetrieb der Kernkraftwerke, die wir ohnehin haben – ich verweise noch mal auf die Grenzkosten –, wäre aus Klimaschutzgründen aber zu vertreten, damit wir wirklich sicher durch diese Energiekrise kommen – eine Krise, die trotz aller Bekundungen der Ampel längst nicht überwunden ist. Sie brüsten sich immer wieder damit, dass wir gut durch den Winter gekommen sind. Zuletzt wurde uns das im Rahmen der Regierungserklärung des Bundeskanzlers noch mal in einer derart epischen Breite vorgetragen, dass Kritiker schon von einer Regierungsverklärung sprechen. Aber wie viel hat das mit der Realität zu tun? Sind wir wirklich gut durch den Winter gekommen? Auf den ersten Blick vielleicht. Ja, einen Blackout hatten wir nicht; aber den hatten auch keine anderen Länder um uns herum. Und ja, die Gasspeicher wurden aufgefüllt; aber auch dazu bedurfte es keiner besonderen Talente. Mit sehr viel Steuergeld lässt sich eben auch in einer Krise ausreichend Gas beschaffen. Die Länder des Globalen Südens, die damit brutal aus dem Markt gedrängt wurden, fanden das nicht so witzig. Hier ging es zum Teil um existenzielle Sorgen. Etwas genauer hinschauend, sieht man aber, dass die Vorzeichen in der gewerblichen Wirtschaft unverändert auf Sturm stehen. Also: Von wegen, gut durch den Winter gekommen! 20 Prozent Gas wurden eingespart, aber nicht freiwillig. Dahinter stehen oft brutale Produktionskürzungen, gerade in den energieintensiven Industrien. Die Zahl der Insolvenzen ist zum ersten Mal seit 2009 wieder gestiegen – Tendenz steigend –, und namhafte Firmen mit einer langen Geschichte am Standort Deutschland stellen Produktionslinien ein oder verlagern Aktivitäten ins Ausland. Ich habe das vor zwei Wochen an dieser Stelle schon mal gesagt und wiederhole es heute: Wir müssen uns nicht länger vor einer Deindustrialisierung fürchten. Die haben Sie durch Ihr völlig einseitiges Denken und Handeln längst aufs Gleis gesetzt. Ganz ehrlich: Wenn Sie so weitermachen, brauchen wir mindestens 16 Jahre, um die wirtschaftlichen Schäden wieder zu reparieren. Was ist daher zu tun? Klar, wir müssen die erneuerbaren Energien ausbauen, und weil Gas aus Russland dauerhaft ausfällt, müssen wir das schnell machen. Genau deshalb haben wir ja gestern hier auch einen Antrag zum beschleunigten Ausbau von Solarenergieanlagen ins Parlament eingebracht. Aber bei allem Bemühen: Der Ausbau wird Zeit brauchen; er wird Geld erfordern, viel Geld, und er braucht Fachkräfte, von denen wir nicht genügend haben, Stichwort „demografischer Wandel“. Seien Sie daher ehrlich! Bei allem guten Willen, den ich Ihnen durchaus unterstelle: Ein Scheitern ist möglich. Die Energiewende wäre nicht das erste Projekt, das in Deutschland scheitert. Sie selbst lernen das ja auch gerade schmerzlich: Die Ziele beim privaten Wohnungsbau vom letzten Jahr aus dem Koalitionsvertrag, wenn ich daran erinnern darf, haben Sie schon mal krachend verfehlt, und auch in diesem Jahr werden Sie die Ziele nicht einhalten. Aber gerade weil ein Scheitern möglich ist, können Sie doch nicht einfach alles auf eine Karte setzen und dann in zehn Jahren sagen: Oh, sorry! Es hat leider nicht geklappt. Das wäre eine Katastrophe für den Industriestandort Deutschland und damit für unseren Wohlstand; denn vieles, was jetzt dichtgemacht wird oder abwandert, kommt ganz sicher nicht zurück. Unmittelbar nach Kriegsbeginn im letzten Jahr hätten Sie Ihre Politik umstellen müssen, und zwar auf Pragmatismus pur. Nur so wären Sie der Dimension der Krise gerecht geworden. Und dazu hätte eben auch gehört, schon damals einen Beschluss für einen befristeten Weiterbetrieb der bestehenden Kernkraftwerke zu fassen. Das wäre im Frühjahr 2022 noch leicht möglich gewesen. Sie haben sich gegen diesen Weiterbetrieb entschieden, mit einem Prüfvermerk – das will ich an dieser Stelle auch noch mal deutlich sagen –, der handwerklich schlecht gemacht war. Aber seien Sie versichert: Sollten Sie mit Ihrem Projekt „klimaneutraler Wohlstand“ scheitern, werden die Wählerinnen und Wähler Sie zu gegebener Zeit daran erinnern. Vielen Dank.