Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Rede möchte ich mich einmal direkt an die Urheber des vorliegenden Antrages und Gesetzentwurfs wenden. – Ja, ich sehe Sie. – Werte Abgeordnete der AfD, ich sage es mal ganz frei heraus: Sie können hier noch so viele Anträge stellen, wie Sie lustig sind. Aber eines bleibt: In zwei Wochen steigen wir aus der Atomenergie aus, und das ist auch richtig so. Als SPD-Fraktion haben wir, unterstützt von den Grünen und der Fraktion Die Linke, lange für dieses Ende der Atomkraftwerke in Deutschland gekämpft. Und selbst die schwarz-gelbe Koalition hat nach anfänglichem Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Atomenergie schließlich doch noch eingesehen, dass es sich bei der Atomenergie um eine nicht beherrschbare Risikotechnologie handelt. Tragischerweise brauchte es für diese Einsicht aber zunächst die Reaktorkatastrophe von Fukushima. Mit dem sogenannten Streckbetrieb, also dem Weiterbetrieb der Atomkraftwerke bis zum 15. April 2023 statt bis zum Ende des letzten Jahres, ist die Nutzung der Atomenergie in die Nachspielzeit gegangen. Anders als im Fußball stand der Sieger dieser Nachspielzeit aber schon vorher fest; das waren nämlich die erneuerbaren Energien. Wir hatten uns im Herbst 2022 darauf verständigt, die drei Atomkraftwerke noch ein wenig länger laufen zu lassen als ursprünglich vorgesehen. Damit haben wir ein Sicherheitsnetz für die Energieversorgung im letzten Winter geschaffen. Die gute Nachricht ist aber: Wir haben dieses Sicherheitsnetz gar nicht gebraucht. Die zusätzlichen Kilowattstunden aus Atomstrom waren nicht notwendig. Es gab keine Energieengpässe im letzten Winter, und es wird sie auch im nächsten Winter nicht geben. Denn Deutschland steuert um und stellt konsequent die Weichen für einen schnellen Ausbau der Erneuerbaren, und ich muss sagen: Endlich! Viel zu lange haben wir uns mit Debatten rund um Kohle und Atom herumgeschlagen. Dabei war immer klar, dass wir eine klimaneutrale Energieerzeugung, die die Verantwortung gegenüber den zukünftigen Generationen ernst nimmt, nur mit den Erneuerbaren hinbekommen. Nein. Die AfD drängt mit ihrem Gesetzentwurf nun trotzdem auf einen Wiedereinstieg in die Atomenergie, und das nicht übergangsweise, wie Sie uns gerade noch weismachen wollten, sondern langfristig. In Ihrem Antrag zur Beschaffung neuer Brennelemente sagen Sie, dass es nur um den nächsten Winter geht. Aber schauen wir dann in den Gesetzentwurf, den wir hier heute auch beraten, wird deutlich, was Sie tatsächlich anstreben, nämlich den unbefristeten Weiterbetrieb der drei noch am Netz befindlichen AKWs Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland und darüber hinaus auch die Reaktivierung und den unbefristeten Weiterbetrieb der längst abgeschalteten Atomkraftwerke Grohnde, Gundremmingen C und Brokdorf. Für die Betreiber wird das Ganze noch mit einer Gewinnausfallgarantie für zehn Jahre nach Abschalten des letzten Atomkraftwerkes garniert. Bravo, liebe AfD! So werden stabile Geldflüsse für die Atomwirtschaft sichergestellt. Die Folgekosten der Nutzung der Atomenergie zahlen aber natürlich weiter die Bürgerinnen und Bürger. Ein neues Lieblingsargument der AfD für den Weiterbetrieb der Kernkraftwerke ist: Atomenergie sei umweltfreundlich, emissionsarm und werde uns dabei helfen, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Aber was Sie da vergessen oder zumindest verschweigen, das sind die Ewigkeitslasten, die diese Energieform mit sich bringt. Im November des letzten Jahres waren plötzlich alle ganz erstaunt. Die Bundesgesellschaft für Endlagerung hat verlauten lassen, dass die Suche nach einem Endlager für hochradioaktive Abfälle deutlich länger dauern werde als bis zum Jahr 2031; von 2068 ist die Rede. Und wir sprechen hier nur von der Suche und nicht von der Inbetriebnahme eines solchen Endlagers; diese kann sich noch bis zur Jahrhundertwende hinziehen. Das bedeutet auch: Die Standorte, an denen jetzt schon Abfälle lagern, müssen die Lasten noch viel länger tragen als eigentlich gedacht. Statt der ursprünglich geplanten maximal 40 Jahre kann das jetzt locker doppelt so lange oder noch länger dauern. Und niemand weiß, ob die Lagerbehälter dem überhaupt standhalten. Niemand kann sagen, ob Zwischenlager in der Zukunft Angriffsflächen für Terroristen oder Kriegsherren darstellen. Welche Gefahren atomare Anlagen in Krisengebieten darstellen, kann man jeden Tag beim Blick in die Ukraine beobachten. All das ist den Autoren des vorliegenden AfD-Gesetzentwurfs aber egal. Worum es ihnen geht, ist vermeintlich günstige Energie. Aber welche Kosten die Nutzung der Atomenergie tatsächlich hat, das wird verschwiegen. Sehr geehrte Herren der AfD, Sie argumentieren in der Begründung Ihres Gesetzentwurfs mit Zahlen der Schweizer Atomlobby. Demnach würde 1 Kilowattstunde AfD-Strom – Entschuldigung, ich meine natürlich Atomstrom – 4 Cent inklusive Kosten für Rückbau und Endlagerung kosten. Diese 4 Cent merken wir uns einmal. Wenn wir uns jetzt Berechnungen des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft anschauen, dann sehen wir, dass wir an die Zahl Vier noch eine Null dranhängen können. Dort werden Kosten von über 40 Cent pro Kilowattstunde Atomstrom angegeben, und aus der vermeintlich günstigen Energie wird eine sehr, sehr teure. Für den von der AfD hier vorgeschlagenen Weiterbetrieb der sechs genannten Atomkraftwerke würde es auch frische Brennstäbe brauchen. Damit wächst nicht nur der Berg radioaktiven Mülls weiter an, sondern damit werden auch Kriegstreiber unterstützt. Schließlich sind knapp 40 Prozent des Weltmarktes in der Hand russischer und kasachischer Uranbergbaufirmen. All das, was die AfD hier vorschlägt, lehnen wir ab, keine Frage. Denn es bringt uns nicht weiter. Es ist ein Festhalten an den Lösungen der Vergangenheit. Aber was wir stattdessen brauchen, sind zukunftsfähige Lösungen. Diese zukunftsfähigen Lösungen liefern wir als Ampel. Das können Sie an den Ergebnissen des Koalitionsausschusses aus dieser Woche sehen. Wir beschleunigen die Planungs- und Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energien, wir stärken den Schienenverkehr, wir fördern klimafreundliche Antriebe im Verkehrssektor, und wir verbessern die Energieeffizienz und treiben die Energiewende im Bereich Gebäudewärme voran. Liebe Kolleginnen und Kollegen, um im Bild der Nachspielzeit zu bleiben: Es sind noch zwei Wochen bis zum Schlusspfiff. Das gefährliche Spiel mit der Hochrisikotechnologie Kernkraft ist dann vorbei – endlich. Aber ihre Altlasten werden uns noch lange weiterbeschäftigen. Vielen Dank.