Aber Wehrhaftigkeit allein ist noch keine Sicherheitsstrategie. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ja, manchmal ist es schwer, wenn man in der Opposition ist, sich hierhinzustellen und mit großer Geste zu sagen: „15 Monate haben Sie es nicht auf die Reihe bekommen“, dann aber die Frage nicht beantworten kann, warum man es 16 Jahre nicht auf die Reihe bekommen hat. Wie war denn das? Wie war denn das, als der Offizierssohn Thomas de Maizière ein Weißbuch vorlegte für das Verteidigungsministerium? Da musste der Herz-Jesu-Sozialist der CSU, Gerd Müller, gleich eine globale Entwicklungsstrategie danebenlegen. Aber was Sie nie hinbekommen haben, war eine gemeinsame Strategie einer Bundesregierung. Das lag übrigens, wie Sie an dem Beispiel gemerkt haben, in dem Fall nicht an der SPD, sondern an dem Verhältnis zwischen CDU und CSU. Zur Ehrlichkeit einer solchen strategischen Debatte gehört es, dass man die eigenen Irrtümer und Fehler korrigiert. Ich hätte mir gewünscht, lieber Kollege Wadephul, dass Sie den Versuch wenigstens unternommen hätten. Es ist ja nicht so, dass ich Ihnen aus Spaß hier die 16 Jahre vorhalte, weil es zum Ritual gehört. Der Umstand, dass Sie von 2010 bis 2022 die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas von 30 Prozent auf über 55 Prozent gesteigert haben, war sicherheitspolitisch verheerend. Und das ist Ihre Verantwortung gewesen. Ich sage nur, dass wir uns der Realität stellen müssen. Ein Land, das zu 70 Prozent – zu 70 Prozent! – in seiner Energieversorgung beim Bezug von Öl, Gas, Kohle und übrigens lange Zeit auch Uran von Importen abhängig ist, ist nicht souverän. Da merken Sie, dass die Reduktion Ihres Antrages aufs rein Militärische gar nicht funktioniert. Wir mussten in Jahresfrist korrigieren, was Sie zu verantworten hatten, und das ist einer der Ausgangspunkte für unsere Nationale Sicherheitsstrategie. Aber sie hat sich natürlich auch mit den eigenen Irrtümern zu beschäftigen. Alle Parteien – wir auch, ich auch – haben mal den Satz gesagt: Wir in Deutschland sind von Freunden umzingelt. – Das war falsch. Da gibt es einen Nachbarn, der ist kein Freund – im Gegenteil. Und darauf müssen wir reagieren. Wir brauchen also die Bundeswehr nicht nur für internationale Missionen wie im Sahel und anderswo. Wir brauchen sie auch für Landesverteidigung, für Abschreckung. Das können wir nicht alleine. Wir brauchen dafür Alliierte. Deswegen ist die Einbindung Deutschlands in die Europäische Union, in die NATO essenziell und der Kern jeder Sicherheitsstrategie. Diese Sicherheitsstrategie muss zusammenpassen mit dem strategischen Kompass und dem strategischen Konzept der NATO. Dieses Stück Korrektur eigener Irrtümer sind wir übrigens mit den Kollegen der Union gemeinsam angegangen, indem wir das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro aufgelegt haben. Wir beseitigen so die Defizite, die Deutschland in der Wehrhaftigkeit hat. Wir müssen nicht nur unsere gewollte Abhängigkeit von fossilen Ressourcen beenden. Nein, Chinas Monopol auf Seltene Erden, auf PV-Module ist nicht nur eine Marktverzerrung. Dahinter steht Geostrategie. Globale Monopole auf Halbleiter – auch dies ist nicht nur eine Frage der Gefahr für den Industriestandort Deutschland. Das ist Geostrategie. Also: Eine Nationale Sicherheitsstrategie muss Deutschland, muss Europa resilient gegen wirtschaftliche Machtprojektionen machen. Das ist eine Grundvoraussetzung für eine solche Sicherheitsstrategie. Schließlich die Klimakrise. Wir steuern auf eine Welt zu – das haben wir dieser Tage per Report gesagt bekommen –, die sich um 4 Grad zu erwärmen droht. Die Folge hieße, dass sich die Hälfte der Erdoberfläche, die nicht vom Meer bedeckt ist, in Wüsten verwandelt, dass andere Bereiche massiv von Überschwemmungen bedroht sind. Eine solche Entwicklung wird massive Migrationsbewegungen auslösen. Es wird Gesellschaften in Staatszerfall und Bürgerkriege treiben. Wir müssen uns endlich klar werden, dass die Klimakrise zum Verlust an Artenvielfalt führt und dabei ist, die Lebensgrundlagen zu zerstören. Deswegen ist die Frage der Sicherheit der Lebensgrundlage auch ein wesentlicher Bestandteil einer solchen Nationalen Sicherheitsstrategie. Integrierte Sicherheit von heute, die ist wehrhaft, die ist resilient und nachhaltig. Sie investiert in militärische Abschreckung, und sie investiert in Entwicklung und Diplomatie. Sie begreift Klimapolitik nicht als Luxus, sondern als Chance, die Abhängigkeit Europas zu mindern und für Stabilität auf diesem Planeten zu sorgen. Wer der Rückkehr des Krieges nach Europa, der sich verschärfenden Klimakrise, wer dem Staatszerfall im Süden, den wachsenden Fluchtbewegungen entgegentreten will, der braucht diesen erweiterten Sicherheitsbegriff: wehrhaft, resilient und nachhaltig. Und so korrigieren wir unsere und auch Ihre Irrtümer der letzten Jahre. Vielen Dank.