Alle elf Minuten verliebt sich ein Konservativer in diesem Land in ein Atomkraftwerk – alle elf Minuten. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Geht es Ihnen auch manchmal so: „Einmal – einmal! – jemanden finden, der einen so sehr liebt wie Jens Spahn die Atomkraft“? Das Problem, Herr Spahn, ist: Das ist bei Ihnen ja so ein bisschen eine On-off-Beziehung. In Berlin würde man, glaube ich, sagen: Rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. – Erst sind Sie für Atomkraft; dann gibt es Fukushima, dann beenden Sie die Beziehung, nachdem Sie die Laufzeiten vorher verlängert haben. Jetzt wollen Sie die Atomkraftwerke doch wieder laufen lassen. Ich finde, Sie sollten Ihrer großen Liebe, der Atomkraft, gegenüber ehrlich sein. Ist das jetzt wieder eine Affäre für zwei Jahre, oder ist es eine richtig konservative lebenslange Ehe, die Sie eingehen wollen? Mein Gefühl ist: Eigentlich neigen Sie zur konservativen Variante. Sie wollen die Atomkraftwerke eigentlich immer laufen lassen; aber das wollen Sie jetzt noch nicht sagen. Sich ein bisschen die Hintertür offenzuhalten, wäre ganz gut, ne? Herr Spahn, Sie haben gesagt: Schaffen Sie die Erneuerbaren-Bremse ab! – Ich habe eine gute Nachricht für Sie: Das ist schon passiert. Am 26. September des Jahres 2021 haben die Bürgerinnen und Bürger die Erneuerbaren-Bremse zwar nicht abgeschafft, aber in die Opposition verbannt. Meine Kolleginnen Ingrid Nestle und Nina Scheer haben es richtig dargestellt: In dieser Wahlperiode ist im Bundestag schon jetzt mehr für die Energiewende getan worden – die größte Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, die Beschleunigung des Ausbaus an allen Enden –, als Ihnen in 16 Jahren zu verhindern gelungen ist. Man muss doch mal ehrlich sein, wenn man über das Thema Klimaschutz spricht. Herr Spahn, wir hatten die Debatte vor zwei Wochen schon einmal. Ich habe mich im Nachhinein gefragt, ob die Art und Weise, wie wir – auch ich – die Debatte geführt haben, angemessen war, weil wir so eine Art Schaulaufen gezeigt haben. Wenn Sie sagen, dass diese Koalition eine Kohlekoalition sei, die nichts für den Klimaschutz tue, dann ist das in Anbetracht der Bilanz Ihrer Regierung einfach unehrlich. Und trotzdem gehört für uns als Grüne zur Wahrheit dazu, dass das Ergebnis des Koalitionsausschusses in seiner Gesamtheit für den Klimaschutz nicht ausreichend ist. Das ist so. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass alles, was in dieser Koalition zum Klimaschutz vereinbart wurde, ein Quantensprung gegenüber dem ist, was mit Ihnen möglich gewesen wäre. Ich würde mir wünschen, dass es uns in diesem Haus gelingt, über die Grenzen der demokratischen Fraktionen hinweg die Debatte über die zentrale Überlebensfrage der Menschheit und unseres Planeten ernsthaft zu führen, nicht nur instrumentell, wenn es gerade passt, um am Ende wieder Atomkraftwerke zu bewerben, dass wir also ernsthaft über Klimaschutz sprechen, wenn es um die Substanz geht. Daran arbeiten wir in der Koalition. Wenn Sie dabei sind, freue ich mich darüber sehr.