Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit Ihrem Antrag, liebe Union, wollen Sie den Blick auf all die richten, die tagein, tagaus unser Gesundheitssystem am Laufen halten: Ayse, die als Medizinische Fachangestellte oftmals die erste Gesprächspartnerin im Praxisalltag ist, Heiner, der Notfallsanitäter, der sicherstellt, dass Erkrankte schnell ins Krankenhaus kommen, oder Lola, die Physiotherapeutin, die gerade Long-Covid- und Post-Vac-Betroffene wieder fit für den Alltag macht. Sie fordern Anerkennung für diese Menschen ein. Aber die Art und Weise, wie Sie diesen Menschen jetzt Wertschätzung entgegenbringen möchten, finde ich, ehrlich gesagt, absurd. Der Coronabonus war ein Versuch von der Großen Koalition und dann auch von der Ampelregierung, den besonders belasteten Beschäftigten durch Bonuszahlungen unseren Dank finanziell auszudrücken. Bei Vorhaben dieser Art ist es immer wieder extrem schwierig, alle im Blick zu behalten. Deshalb haben wir im letzten Jahr auch versucht, nachzubessern, und die Steuerfreiheit erweitert auf Boni, die von Ärzten an deren Praxisteams gezahlt werden. Bonuszahlungen und Zuschüsse sind zwar nett, aber einmalige Zahlungen bleiben reine Symbolpolitik, wenn wir a) strukturell nichts verändern und b) die Beschäftigten nicht unterstützen, wenn sie sich zusammentun, um für fairen Lohn zu streiken. Denn darum muss es gehen: kein Minieinmalbonus, sondern faire Löhne. Es ist schon bemerkenswert, dass Sie sich als CDU/CSU hierhinstellen und Anerkennung, Wertschätzung und faire Bezahlung für Arbeit fordern, während Sie gleichzeitig gerade die Kämpfe der Beschäftigten für bessere Bedingungen unterbinden wollen, Streiks, die allein dafür da sind, dass sich die Beschäftigten zusammentun, um von ihren Arbeitgebern einzufordern, für ihre Arbeit angemessen bezahlt zu werden und angemessene Arbeitsbedingungen zu erhalten. Ja. Erst mal vielen Dank für Ihre Frage. – Ein Bonus war ja schon während der GroKo-Zeit auf den Weg gebracht worden. Das hat die Ampelregierung dann noch mal aufgegriffen. Nun wird schon berichtet, dass in Ihrem Antrag Berufsgruppen vergessen wurden, die auch gerne einen Bonus haben wollen. Das heißt – ich habe gerade ja versucht, Ihnen das noch mal zu erklären –, es ist extrem schwierig, mit Einmalzahlungen wirklich alle in den Blick zu nehmen. Wir dürfen dann auch nicht nur über das Gesundheitswesen reden. Was ist denn beispielsweise mit den Lehrkräften? Das ist eine endlose Debatte, die man führen kann, und deswegen halte ich Einmalzahlungen und Boni einfach für nicht angemessene Mittel. Wir waren ja gerade bei Arbeitskämpfen und Streiks, die man unterstützen sollte und die Sie ja, ehrlich gesagt, nicht so cool finden. Da gehen Beschäftigte auf die Straße, um für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Eine angemessene Bezahlung bedeutet beispielsweise nicht, dass man sich den dicken Lamborghini vor die Tür stellen kann, sondern dass Familien ihre Miete zahlen können, die alleinerziehende Mutter das Kind auf Klassenfahrt schicken kann und man mit Anfang 50 nicht ein arbeitsbedingtes Burn-out hat. Und dann ist es doch vielleicht ganz sinnvoll, nicht ständig mit Arbeitgeberverbänden zu klüngeln, sondern sich auch mal mit Gewerkschaften zu treffen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie reden über Arbeitsbelastung und Wertschätzung. Das ist ein wunderbarer Anlass, sich zu fragen, wie sich Menschen heute überhaupt ihre Arbeit vorstellen und was die Bedürfnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sind. Gerade Menschen aus der jüngeren Generation sagen ganz oft, sie möchten weniger arbeiten. Anstatt jetzt immer direkt in Schnappatmung zu verfallen – – ja, ein wunderbares Beispiel –, müssen wir doch anerkennen, dass nicht jeder im Hamsterrad der Leistungsgesellschaft leben will. Hier geht es in keiner Weise um Faulheit oder Ponyhof, sondern um den Anspruch, auch mehr Zeit für wichtige Dinge im Leben zu haben, mehr Zeit für das Ehrenamt im Jugendverband, mehr Zeit für Kinder und Familie oder mehr Zeit, um einfach mal mit Kumpels am Abend Basketball spielen zu gehen. Wir haben heute Morgen über die Wichtigkeit des Sports geredet. Wie stellen Sie sich das denn vor, wenn Menschen komplett ausgebrannt sind von der Arbeit? Das lässt sich gut auf die Beschäftigten im Gesundheitswesen übertragen: Viele Beschäftigte sind in Teilzeit tätig und können sich kaum vorstellen, in Vollzeit zurückzukehren. Das liegt, ehrlich gesagt, nicht am fehlenden Bonus, sondern an fehlender Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben und zu hoher Belastung. Darüber täuscht Ihr Antrag hinweg. Lassen Sie uns aber auch gemeinsam auf einen anderen Teil der Arbeit in unserer Gesellschaft schauen. Denn wenn Ayse und Lola nach der Schicht in der Arztpraxis oder im Rehazentrum nach Hause gehen, ist für die beiden die Arbeit oftmals nicht vorbei: Wäsche waschen, Kinder zum Sportverein bringen, den nächsten Geburtstag planen – all das ist die unbezahlte Sorgearbeit im privaten Raum, die nach der Lohnarbeit zu Hause auf viele Menschen wartet. Diese Arbeit in unserer Gesellschaft wird, ehrlich gesagt, immer noch mehrheitlich von Frauen übernommen: 4 Stunden und 13 Minuten am Tag, die Frauen zusätzlich unbezahlt arbeiten. Die Journalistin Teresa Bücker fasst das ganz gut zusammen – ich zitiere –: Diese unbezahlte Sorgearbeit hält unsere Gesellschaft zusammen. Deswegen ist Carearbeit auch Arbeit. Aber selbst dort, wo Carearbeit entlohnt wird, im professionellen Kontext, bleibt sie strukturell untergewertschätzt, und das, obwohl professionelle Carearbeit besonders die Jobs sind, die in den letzten Jahren immer wieder als systemrelevant betitelt wurden. Die Pflegekräfte, die Hebammen oder auch die vielen Reinigungskräfte, all diese Berufe haben nicht nur einen extrem hohen weiblichen Beschäftigungsanteil, sondern sind auch schlecht bezahlt. Ein einmaliger Bonus wird diesen Herausforderungen in keinster Weise gerecht. Wenn sich Beschäftigte zusammenschließen, um für krisenfeste Bezahlung auf die Straße zu gehen, stehe ich solidarisch an ihrer Seite. Wenn junge Menschen mehr Zeit für Ehrenamt und Familie einfordern, stehe ich solidarisch an ihrer Seite. Und wenn Frauen und Männer, die die unbezahlte Sorgearbeit zu Hause übernehmen und damit den Laden am Laufen halten, mehr Wertschätzung und Zeit dafür einfordern, dann stehe ich solidarisch an ihrer Seite. Zum Abschluss möchte ich Ihnen, liebe CDU/CSU, noch Folgendes mitgeben: Ja, wir müssen über strukturelle Reformen reden. Das heißt auch, dass wir das Wissen und die Expertise nutzen, die in unseren Gesundheitsberufen stecken. Wir müssen uns überlegen, wer im Gesundheitswesen welche Aufgaben übernehmen kann. Ein Anfang ist die Übertragung heilkundlicher Aufgaben in der Pflege oder der Direktzugang zu Heilmittelerbringern. Ein weiteres gutes Beispiel ist die Schaffung des Berufsbilds Community Health Nurse, um nur einige Sachen aufzuzählen. Die Übertragung der Kompetenz und die Einbeziehung aller Gesundheitsberufe ist nämlich ein Garant für Zufriedenheit. Das muss jetzt angegangen werden, weil Sie die letzten Jahre nicht so viel gemacht haben. Bringen wir doch gemeinsam strukturelle Reformen auf den Weg! Solidarisieren Sie sich mit den Streikenden! Nehmen Sie unbezahlte Sorgearbeit und den von der Jugend betriebenen Wandel auf dem Arbeitsmarkt ernst! Dann können wir Veränderungen voranbringen. Vielen Dank.