Dieses Lied ist nicht nur Symbol dafür, dass der Abbau der Kohle über viele Jahrzehnte und gerade auch im letzten Jahr maßgeblich für die Energiesicherheit unseres Landes war, es drückt auch die große Verbundenheit der Menschen in den Revieren mit dem Bergbau aus; außerdem wird das Steigerlied regelmäßig auf SPD-Parteitagen gespielt. Bei Kohle geht es also nicht nur um kostbare Wertschöpfung, sondern auch um Identität, und das hat die UNESCO anerkannt. Darum fällt uns, gerade auch bei mir zu Hause in der Lausitz, der Ausstieg so schwer, und das darf man auch nicht einfach wegwischen. Aber das darf natürlich auch kein Grund sein, Fakten zu ignorieren und die Bedeutung und Folgen der Klimakrise kleinzureden. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Hallo, liebe Besucherinnen und Besucher! Schön, dass Sie da sind. Ich begrüße ganz besonders den Bürgermeister aus Guben, Fred Mahro. Wissen Sie eigentlich, welcher Song gerade die deutschen Charts anführt? Ich habe meine Kollegin gefragt. Sie hat geraten und „Taylor Swift“ gesagt. Fast! Es ist Udo Lindenberg. Aber das Spannendste, was im musikalischen Bereich in dieser Woche passiert ist, ist tatsächlich – Kollege Rohwer hat es gerade gesagt –, dass das Steigerlied, ein Lied der Bergleute, ein Lied, das 345 Jahre alt ist, als immaterielles UNESCO-Kulturerbe anerkannt wurde. Das Thema des Steigerlieds ist die Hoffnung der Bergleute, nach der harten und gefährlichen Arbeit im Bergwerk wieder ans Tageslicht und zu ihren Familien zurückzukehren. Es heißt, dass der Refrain „Glück auf!“ das Glück beschwört, der Berg, die Grube möge sich auftun und den Abbau von Bodenschätzen ermöglichen. Das wissen wir in der Lausitz aber auch, und wir gehen voran. Der Transformationsprozess, von dem alle immer reden, der läuft bei uns längst in vielen Bereichen und zeigt schon jetzt Wirkung. Ich erlebe auf meinen Wahlkreistouren immer wieder, dass die Menschen in den Dörfern mir berichten, dass der Enkel von den Nachbarn wieder zurückgekommen ist oder dass Betriebe übernommen werden. Ich spüre diese Aufbruchsstimmung. Das ist bei uns keineswegs selbstverständlich, weil die Situation in den Revieren im Osten eine vollkommen andere ist als die im Westen, wo es neben der Kohle auch andere vielfältige Industrie gibt. Die Rahmenbedingungen sind anders. Nach der Wende fand bei uns eine fast vollständige Deindustrialisierung statt. Wenn die Kohle geht – so hieß es bei uns über viele Jahre –, geht mit ihr die letzte große Industrie, der letzte Garant für gutbezahlte Beschäftigung. – Das Lohngefälle zwischen Ost und West wächst auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung. Das verletzt die Menschen bei uns, die genauso hart und oftmals mehr Wochenstunden arbeiten, seit vielen Jahren. Ich habe die Erwartung, dass auch diese Punkte berücksichtigt werden und dass allen hier im Haus klar ist, dass man keine Schablone über jeden Teil des Landes legen und sagen kann: Wenn ihr das hier so macht, dann könnt ihr das ja bei euch dort auch so machen. – Natürlich ist der Ausstieg möglich, und viele Menschen bei uns in der Lausitz machen ihn auch gerade möglich, aber mit Rücksicht auf die Energieversorgung des Landes und auf die Gegebenheiten bei uns. Nach der Wende wurde viel abgewickelt. Das akzeptieren wir nicht mehr. Jetzt wird bei uns entwickelt. Das hilft nicht nur unseren Regionen, sondern der Energiewende in Deutschland insgesamt. Das können wir auch, wenn man uns lässt. Wir brauchen niemanden, der uns erklärt, wie es gemacht wird, und wir brauchen vor allem auch nicht so ein Jahreszahlenbingo. Wir brauchen die Zeit, die wir brauchen. Es bringt nichts, ständig neue Ausstiegsdaten zu präsentieren, wie Sie das in Ihrem Antrag wieder gemacht haben. Man darf auch nicht vergessen – das hat letztens die Spremberger Bürgermeisterin Christine Herntier so schön gesagt –: Wenn wir den Strukturwandelprozess nicht gründlich machen, dann öffnet das Raum für Klagen, und das verzögert alles. Was wir brauchen, sind klare Ansagen und verlässliche Rahmenbedingungen, damit wir Innovationskraftwerke bauen können. Wir brauchen eine Wasserstoffpipeline für ganz Ostdeutschland; wir brauchen konkrete Projekte. Schon jetzt haben wir exzellente Wissenschaft und Forschung an der BTU Cottbus-Senftenberg und den außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Der Lausitz Science Park wird zusammen mit Adlershof die Nummer eins unter Deutschlands Wissenschaftsparks. Hybrid-elektrisches Fliegen wird im Projekt CHESCO in der Lausitz erforscht. CO2-arme Industrieprozesse werden am DLR-Institut in der Lausitz erforscht. Das sind konkrete Beiträge für den Klimaschutz. „Was hilft mir das Forschungsinstitut?“, fragt der Bergmann. Hochschulen und Wissenschaft, Forschung und Lehre gehören zu den wichtigen Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung einer Region. Sie geben vor Ort Geld aus; sie schaffen Arbeitsplätze, bilden aus, zahlen Steuern. Langfristig betrachtet schaffen sie nachhaltiges Wirtschaftswachstum. So kommt mehr Geld in die Region, zum Handwerker, und die Region wird auch attraktiv für die Industrie. Beispiele dafür haben wir: Die Kohle geht, die Bahn kommt. Es entsteht ein ICE-Ausbesserungswerk in Cottbus. Anfang der Woche hatten wir den Spatenstich für den Bau einer Fabrik für den Lithiumhydroxid-Konverter für Autobatterien in Guben – Glückwunsch dazu, Herr Mahro. In Drewitz bei Cottbus entsteht mit dem „Green Areal Lausitz“ auf dem ehemaligen Flugplatz ein komplett CO2-neutraler Industriepark. Die LEAG plant das größte deutsche Zentrum für erneuerbare Energien, die GigawattFactory, mit zunächst 7 und dann 14 Gigawatt Leistung. Das sind hochwertige Industriearbeitsplätze. Sie sehen schon, meine Rede ist deutlich optimistischer im Ton als Ihr Antrag. Noch mal: Ich bin fest davon überzeugt: Wir machen das schon in der Lausitz, wenn man uns lässt. Wir brauchen niemanden, der uns die Hand drückt und uns über den Kopf streichelt. Wir brauchen verlässliche Politik. Dafür setzen wir uns hier auf Bundesebene ein. Dafür stehen wir als SPD. Zusammengefasst: Wenn wir in den ostdeutschen Revieren nicht behindert werden; wenn man uns den Weg gehen lässt, den wir eingeschlagen haben, die Rahmenbedingungen klarzieht – übrigens auch Schieneninfrastruktur –, dann wird, glaube ich, Udo Lindenberg weiterhin die Charts anführen, weil wir bald Bedarf nach noch mehr Sonderzügen nach Pankow haben, die von da aus dann direkt in die Lausitz wollen. Oder wie man sie dann nennen wird: in die „Wow!-sitz“. Vielen Dank.