Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich finde im Antrag der Union zum Ersten eine ganze Reihe sinnvoller Punkte, bei denen ich das Gefühl habe: Da haben Sie auch Anleihen beim Koalitionsvertrag gemacht und sich das Regierungshandeln angeschaut. Jedenfalls gibt es keinen großen Dissens zu dem, was wir sagen, wollen und tun. Ich finde zum Zweiten auch eine ganze Reihe, wie ich finde, sehr markige und überschießende Forderungen, mit denen ich nicht d’accord gehen kann. Was ich – zum Dritten – aber vermisse, ist ein gesundes Maß an Realismus, ein gesundes Maß an Pragmatismus, wie wir mit der Tatsache umgehen wollen, dass sich in diesem Land schon seit langer Zeit, seit vielen Jahren viele Menschen aufhalten und auch weiterhin für längere Zeit hier sein wollen, die sich eigentlich schon gut integriert haben. Auch dazu muss man ein Wort verlieren, wenn man über dieses Thema spricht. Aber der Reihe nach. Zu den sinnvollen Dingen, Dingen, die ich in unserem Koalitionsvertrag und im Regierungshandeln wiederfinde. Voller Ungeduld sprechen Sie von der Rückführungsoffensive. Ja. – Herr Throm, bitte schön. Ich habe noch nicht gar nicht richtig angefangen, schon haben Sie eine Frage. Eigentlich wollte ich über ganz andere Dinge sprechen. Aber wenn Sie mich auf diesen Punkt ansprechen: Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun? Was wir als FDP wollen, ist, dass die Menschen, die hier sind, von denen wir wissen, ahnen oder vorhersehen, dass sie auf lange Zeit hier sein werden, einer Beschäftigung nachgehen können. Wenn auch Ihre Regierung es nicht geschafft hat, den Aufenthalt dieser Menschen zu beenden, dann zeigt das doch, dass es viel sinnvoller ist, zu sagen: Lassen wir diese Menschen arbeiten, lassen wir sie selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen, wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen; das ist besser, als dass sie von anderen versorgt werden. Es ist doch viel sinnvoller, diese Menschen im Arbeitsmarkt ankommen zu lassen, als dass sie im Sozialsystem kleben bleiben. Das ist doch viel sinnvoller! Jetzt erwarten Sie voller Ungeduld die Rückführungsoffensive der Bundesregierung, meine Damen, meine Herren. Ich kann nur sagen: All das beginnt ja schon. All das, was in den 16 Jahren unter Ihrer Regierung nicht stattgefunden hat, haben wir jetzt begonnen. Seit dem 1. Februar ist der Sonderbevollmächtigte für Migrationsabkommen im Amt. Er hat auch schon begonnen, erste Gespräche mit Regierungen wichtiger Herkunftsländer zu starten. Er ist nicht der Abschiebungsbeauftragte; er ist nicht die Person, die jemanden abschiebt. Aber er ist die Person, die mit anderen Regierungen Abkommen aushandelt, die auch eine Rücknahme beinhalten. Das sind echte Verhandlungen mit anderen Regierungen, die nicht über Nacht zu Ende gebracht werden können, die ihre Zeit brauchen; aber wir fangen damit an. Das ist doch der wichtige Punkt: Wir bereiten etwas vor, was künftig dazu führt, dass Abschiebungen, Rückführungen, aber auch freiwillige Ausreisen besser funktionieren können. Da bin ich beim Stichwort, weil Sie, Herr Kollege de Vries, sagen, dass die Abschiebezahlen zurückgingen. Die Zahlen bei den freiwilligen Ausreisen gehen aber nach oben. Das ist genau das, was Sie und auch wir wollen. In unserem Koalitionsvertrag steht, dass wir freiwilligen Ausreisen den Vorzug vor zwangsweisen Abschiebungen geben. Es ist ja auch sinnvoll, das zu tun; denn Abschiebungen sind teuer, sie sind aufwendig, sie sind oft erfolglos. Es müssen Ersatzpapiere beschafft werden, man muss Flüge organisieren, das Personal bereitstellen. Man muss auch mit den Behörden des Ziellandes vereinbaren, dass eine Einreise stattfinden kann, dass die Person entgegengenommen wird. Das ist höchst aufwendig, und deswegen ist es sinnvoll, freiwillige Rückkehr zu fördern. Genau das tun wir, und die Zahlen gehen nach oben. Jetzt komme ich zu einem zweiten Punkt, wo ich einen großen Dissens feststelle. Auch das haben Sie genannt, Herr Kollege de Vries. Ihre Formulierung war: Man muss alle Hebel in Bewegung setzen, um Abschiebungen zu ermöglichen. – Da haben Sie den Visahebel angeführt und die Maßnahme, dass wirtschaftliche Zusammenarbeit, dass Wirtschaftsbeziehungen und Entwicklungszusammenarbeit zurückgefahren werden. Aber wissen Sie, diese Attitüde: „Wer nicht hören will, muss fühlen“, diese Attitüde: „Wer nicht kooperiert, wer nicht pariert, der muss eben die negativen Sanktionen ertragen“, das hat halt alles nie funktioniert. Es hat nicht funktioniert. Deswegen wollen wir einen anderen Weg gehen, nämlich indem wir Migrationsabkommen schließen, die Pflichten und Gegenpflichten enthalten, indem wir sagen: Das Zielland, das Herkunftsland, hat schon die Pflicht, Straftäter und Gefährder zurückzunehmen, aber wir gewähren dafür auch etwas, zum Beispiel in Form von besseren Wirtschaftsbeziehungen, in Form von Visaerleichterungen. – Das ist eine ganz andere Herangehensweise, mit einer Regierung zu verhandeln, weil es für eine Regierung immer ein innenpolitisches Erfolgserlebnis ist, zu dokumentieren, dass man mit Deutschland Visaerleichterungen hat vereinbaren können. Aber dann müssen sie es sozusagen miteinander ins Verhältnis setzen; denn das geht eben nur dann, wenn auch Rücknahmen besser erfolgen. – Das ist eine Herangehensweise, die besser funktionieren wird als die bislang nicht funktionierenden Migrationsabkommen. In den letzten mir verbleibenden wenigen Sekunden vielleicht noch ein Punkt zu dem, was ich in Ihrem Antrag vermisse. Ich vermisse das, was Kollege Lindh auch schon ansprach: gesunden Realismus, gesunden Pragmatismus. Wir haben von Ihrer Regierung 300 000 vollziehbar Ausreisepflichtige sozusagen geerbt. Viele davon sind seit fünf, sechs, sieben oder acht Jahren hier im Land. Und wenn ich feststelle, dass jemand in all diesen Jahren von Ihnen nicht abgeschoben werden konnte, dann ist doch die Wahrscheinlichkeit, dass die Abschiebung in den nächsten Jahren gelingt, auch nicht gerade hoch. Dann ist es doch viel sinnvoller – das ist mein letztes Wort –, all die Energie, die man vergebens in Abschiebeversuche steckt, so zu investieren, dass die Menschen besser integriert werden, dass sie hier arbeiten und auf eigenen Beinen stehen. Das ist doch sinnvoll, pragmatisch und realistisch. Das war mein letztes Wort. Ich bedanke mich, Frau Präsidentin.