Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wenn man sich in der weiten Welt der Sprichwörter umhört, wird eines schnell deutlich: Für manche Dinge sollte man sich die gebührende Zeit nehmen. In Bosnien besagt ein Sprichwort: Hast und Reue sind Bruder und Schwester. In meinem Geburtsland, der Türkei, lautet ein Sprichwort: „Acele ise seytan karisir“. Übersetzt bedeutet das: In eilige Dinge mischt sich der Teufel ein. In Brasilien klingt es ähnlich: Eile ist die Mutter der Unvollkommenheit. Die kulinarische Hochkultur Frankreich kennt den Ausdruck: Wenn du stehend isst, verdaust du schlecht. Und vom afrikanischen Kontinent hört man: Eile pflegt ein schwächliches Kind zu gebären. Hierzulande ist uns vor allem das Motto des römischen Kaisers Augustus „Festina lente“ – zu Deutsch: Eile mit Weile – geläufig. Meine Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, wir – damit meine ich die beteiligten Fraktionen der Regierungskoalition und Ministerien – nehmen uns Zeit, um in einer wichtigen Sache die richtige Entscheidung zu treffen. Offensichtlich, werte Kolleginnen und Kollegen der Union, ist aber das Zeitgefühl in der Opposition völlig anders, als wenn man regiert: Plötzlich muss bei Ihnen alles ganz schnell gehen; alles fühlt sich wie eine Ewigkeit an. Versuchen Sie doch mal, sich daran zu erinnern, wie lange manche Gesetzesvorhaben gedauert haben, als Sie noch an der Regierung beteiligt waren! Erinnern Sie sich zum Beispiel an die Ehe für alle! Ich kann Ihnen jedenfalls versichern, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union: Der Zeitpfeil geht weiter stetig seinen gewohnten Weg von der Vergangenheit in die Zukunft. Alles ist also wie bisher; alleine Ihr Zeitgefühl ist ein anderes. Wir werden rechtzeitig liefern. Wir haben die Dinge im Blick. Wir nehmen uns also in diesem Fall Zeit. Denn – da bin ich noch einmal bei den Sprichwörtern – wir wollen eben nichts Unvollkommenes, keine Reue, nichts Schlechtes, nichts Schwächliches und schon gar keinen Teufel in unserer Entscheidung. Wir wollen und werden den bestmöglichen Weg finden, um das EuGH-Urteil zu unseren Regeln zur Vorratsdatenspeicherung in Form einer neuen, zukunftsfesten Regelung umzusetzen. Dieses Urteil bietet Spielräume und damit verschiedene Möglichkeiten, über die es eben zu diskutieren oder auch zu verhandeln gilt. Da kann, wer auch immer das will, einen Koalitionsstreit herbeidichten. Die Wahrheit abseits dieser Dichtung lautet aber: Erstens, verschiedene Standpunkte sind noch lange kein Streit, und, zweitens, bei einem solch sensiblen Thema, das Grundrechte in verschiedenster Form berührt, gibt es nun mal keine einfachen Lösungen. Und es gibt kein „unverzüglich“ in diesem Zusammenhang, wie Sie es, werte Kolleginnen und Kollegen der Union, in ihrem Antrag einfordern. Sie wollen einen Gesetzentwurf. Dieser ist aber aufseiten der Bundesregierung noch in Arbeit, und nur deshalb schieben wir seit einiger Zeit Ihren Antrag auf Terminierung der ja dem Grunde nach bereits beschlossenen öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen von der Union, ganz besonders Dr. Krings, mir ist aufgefallen, dass Sie immer mehr ein ausgeprägtes Bewusstsein für Minderheitenrechte im Bundestag entwickeln. Man konnte das zuletzt bei den Beratungen zur Wahlrechtsreform im Rechtsausschuss letzten Mittwoch gut beobachten. Befremdend war dort allerdings, dass Ihr Gerechtigkeitsempfinden auf bayerischer Landesebene ein ganz anderes ist als auf Bundesebene. Man kann jedenfalls deutlich erkennen, dass Ihr Rechtsempfinden sich wandelt. Ich weiß nicht genau, woran das liegt; ich habe aber eine Vermutung. Ich glaube, es hat etwas damit zu tun, dass Sie jetzt in der Opposition sind. Aber ich kann Sie beruhigen: Die Verschiebung der Anhörung ist auf Basis unserer Geschäftsordnung problemlos möglich; wir machen davon Gebrauch. Sie machen von der gleichen Geschäftsordnung Gebrauch und haben diese heutige Debatte aufgesetzt, und das ist okay. Keine Fraktion kennt diese Debatten zu § 62 Absatz 2 der Bundestagsgeschäftsordnung so gut wie die CDU/CSU, nur eigentlich von der anderen Seite – eben der Seite, die sich Zeit lässt. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal an die Ehe für alle erinnern: Damals mussten Sie ja mehrere Jahre nachdenken, sodass selbst die SPD-Fraktion als Koalitionspartnerin in einer Geschäftsordnungsdebatte sehr deutlich ihre Ungeduld kundtun musste. Aber freuen Sie sich nicht zu früh! So weit wird es heute nicht kommen. Die Koalitionsfraktionen kennen Ihren Antrag. Zu diesem wird es zu gegebenem Zeitpunkt auch die Ihnen zustehende Anhörung geben; über den Zeitpunkt entscheidet dann aber der Ausschuss mit Mehrheit. Das ist aus gutem Grund so geregelt. Sie werden sich also noch etwas gedulden müssen. Bitte schön. Na ja, weil die Anhörung ja auch stattfinden wird. Es geht darum, dass Sie damals dreieinhalb Jahre lang gewartet haben, und hier geht es um einen vergleichsweise sehr kurzen Zeitraum. Ich habe Ihnen ja schon vorhin erläutert, dass wir selber als Koalition dabei sind, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Wir brauchen eben einfach etwas Zeit dazu, weil diese Dinge gut überlegt werden müssen, da es hier um enorme Grundrechtseingriffe geht. Deshalb meinen wir, dass es nicht darauf ankommt, ob wir jetzt noch ein paar Wochen oder wenige Monate darauf warten müssen. Um das jetzt abzuschließen: Ich kann Ihnen jedenfalls sagen, um wieder auf das bosnische Sprichwort vom Anfang zurückzukommen: Sie werden es nicht bereuen, wenn wir damit noch etwas warten. Vielen herzlichen Dank.