Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Diese Debatte ist nicht frei von Emotionen; aber sie ist gleichwohl sachlich und verlangt das auch. Denn was wir heute tun, ist etwas sehr Wichtiges. Wir senden das Signal aus und treten den Beweis an, dass dieses Parlament reformfähig ist, dass wir vor Reformen, die uns selbst betreffen, nicht haltmachen. Das ist ein Glaubwürdigkeitstest, den wir bestehen müssen, indem wir eine jahrelange Diskussion heute einer Lösung zuführen. Wir hätten das sehr gerne auch zusammen mit der Union gemacht und haben in einem über einjährigen Prozess in einer Reformkommission viele sachliche, konstruktive Debatten und Diskussionen geführt. Ich finde es schade, dass die Union auf den letzten Metern, nachdem doch noch eine Annährung stattfand und die Hoffnung bestand, dass wir uns würden einigen können, ausgeschert ist, was, glaube ich, weniger an der CDU lag, sondern nach meiner Wahrnehmung mehr an der CSU. Das ist bedauerlich, aber eben auch bezeichnend, meine Damen und Herren. Wir verfolgen mit unserer Reform drei Kernanliegen; drei Kernbotschaften sind uns wichtig. Erstens. Wir sind reformfähig und setzen da auch bei uns selbst an. Zweitens. Wir werden den Bundestag verkleinern, und zwar dauerhaft, und ihn auf eine bestimmte Zielgröße zurückführen. Wir schaffen mit der Reform Sicherheiten, nicht nur Wahrscheinlichkeiten. Und drittens. Niemand wird ausgenommen. Alle müssen etwas zur Verkleinerung des Bundestages beitragen. Es wird keine Vorzugsbehandlungen mehr geben. Deswegen ist diese Reform auch fair, meine Damen und Herren. Lassen Sie mich mit ein paar Behauptungen aufräumen. Die erste ist, dass der Wegfall der Grundmandatsklausel undemokratisch sei. Meine Damen und Herren, es gibt in Bayern seit 1973 die 5-Prozent-Hürde ohne Grundmandatsklausel. Wie kann denn etwas hier bei uns undemokratisch sein, was in Bayern seit einem Vierteljahrhundert Verfassungspraxis ist? Sehr gerne, Kollege Hoffmann. Werter Kollege Hoffmann, dass in Bayern Erst- und Zweitstimme addiert werden, ändert nichts daran, dass man auch in Bayern die Erststimmen aus dem Gesamtergebnis eines Kandidaten herausrechnen kann. Ich kann sehr wohl ermitteln, wie viele Anteile der Gesamtstimmen eines Kandidaten auf die Erststimme und auf die Zweitstimme entfallen. Deswegen kann es auch in Bayern sehr wohl der Fall sein, dass Kandidaten einer Partei in fünf, sechs, sieben Stimmkreisen – so heißt es in Bayern; das wären bei Bundestagswahlen die Wahlkreise – das beste Ergebnis erzielt haben, aber gleichwohl ihre Partei in Bayern weniger als 5 Prozent erzielt hat. Und dann fallen auch diese Stimmen unter den Tisch. Das ändert nichts. Aber gut, Herr Kollege Hoffmann. Ich nehme wahr, dass sich die CSU Sorgen macht, dass sie mit ihrem Ergebnis in Bayern bundesweit die 5-Prozent-Hürde nicht mehr erreicht. Ich hatte es bislang nicht so wahrgenommen, dass sich die CSU sorgt, bundesweit die 5‑Prozent-Hürde zu unterschreiten. Ich habe nie gedacht, dass ich mir um die CSU Sorgen machen muss. Aber wenn das Ihre Sorge ist, dann kann ich heute sagen: Wir sind total offen, nachdem wir heute eine Grundentscheidung getroffen haben werden, noch mal über Spezifika, regionale Besonderheiten zu sprechen. Wir können diskutieren, ob für die CSU eine Regelung getroffen werden muss; da sind wir total offen. Der zweite und letzte Punkt, den ich hier in der Kürze der Zeit noch ansprechen will, ist der Mythos, dass dem Wahlkreisersten ein errungenes Mandat weggenommen würde. Meine Damen und Herren, wer ein Mandat errungen hat, das sagt das Wahlrecht. Es gibt keinen vorgesetzlichen Anspruch auf ein Mandat im Deutschen Bundestag. Deswegen ist es auch völlig in Ordnung, dass erst, wenn die Zweitstimmendeckung erreicht ist, ein Mandat zugeteilt wird. Eine Zahl ist wichtig, die Zahl 18,6 Prozent; das ist das geringste Ergebnis, mit dem in diesem Bundestag ein Kandidat ein Mandat erzielt hat. Ich gönne das dem Kollegen; er stammt aus Ihrer Fraktion. Aber man kann doch nicht sagen, dass jemand, der 18,6 Prozent der Stimmen errungen hat – den also über 80 Prozent der Wähler nicht gewählt haben –, der strahlende Wahlkreissieger sei und er Anspruch auf einen Sitz im Parlament habe. Deswegen, meine Damen und Herren: Stimmen Sie heute dieser Wahlrechtsreform zu. Vielen Dank.