Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir reden heute über die Reform des Wahlrechtes. Es geht heute darum, nach zehn Jahren Debatte, Streit, Diskussion, nach Versuchen der Zusammenführung und dem Suchen breiter Mehrheiten in diesem Parlament, eine Wahlrechtsreform abzuschließen, die das Verhältniswahlrecht, das wir in Deutschland haben, was immer wieder durch Verfassungsgerichtsentscheidungen bestätigt wird, das ein Personalelement hat, absichert. Es geht heute darum, das auf den Weg zu bringen, und zwar so, dass es fair und verfassungsgemäß ist und bleibt. Das werden wir heute tun, meine Damen und Herren. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, woran die Wahlrechtsreformdiskussionen die letzten zehn Jahre gescheitert sind, dann wäre dieser die Rede von Alexander Dobrindt gewesen, meine Damen und Herren. Ich respektiere seit Jahren die regionale Sonderstellung der CSU. Aber in 15 Bundesländern tritt die CSU nicht an. Es kann nicht sein, dass die CSU als Regionalpartei dem Deutschen Bundestag diktiert, wie das Wahlrecht aussieht, meine Damen und Herren. Vor uns haben es schon andere versucht: Herr Lammert als Bundestagspräsident, Herr Schäuble als Bundestagspräsident. Herr Schäuble – ich glaube, Sie sind heute da –, ich habe großen Respekt vor Ihnen. Aber dass Sie ausgerechnet in Zusammenhang mit der Wahlrechtsreform, die heute auf den Weg gebracht wird, von einer „Irreführung“ reden, dafür habe ich kein Verständnis. Denn, meine Damen und Herren, nach dem jetzt geltenden Wahlrecht im Deutschen Bundestag würde es nach der nächsten Bundestagswahl möglicherweise Parteien geben, die zwar die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt haben, die aber keine Mehrheit im Deutschen Bundestag haben, weil aufgrund der Beratungen in der CDU/CSU drei Überhänge unausgeglichen stehen bleiben. Das sind die Voraussetzungen für die nächste Bundestagswahl. Das würde bedeuten, dass eine Mehrheit der Stimmen, zum Beispiel der Ampel, dadurch gefährdet wäre, dass drei Überhänge unausgeglichen sind. Ein Überhangmandat bedeutet bis zu 16 Ausgleichsmandate. Können Sie sich vorstellen, wie das Wahlergebnis verzerrt würde? Es würde massiv verzerrt, und das kann nicht die Grundlage sein. Ihr Verständnis, Herr Dobrindt und Herr Merz, für Die Linke hat sich bei unseren Gesprächen ja in Grenzen gehalten. Da waren Sie doch noch der Auffassung, dass kein Einklang bestünde zwischen dem Wahlrecht, was wir konzipieren – dem Verhältniswahlrecht –, und der Grundmandatsklausel; das war doch Gegenstand unserer Gespräche. Sie waren es doch, die gesagt haben, das ist nicht übereinzubringen. Herr Dobrindt, Sie haben sich keinen Deut um die Linken gekümmert. Es ging, wenn überhaupt, um fünf, aber doch nicht um drei Sitze. Mir kommen die Tränen. Davon ist jetzt nichts zu spüren. Jetzt geht es doch nur um Eigeninteressen. Es geht hier nicht um Wahlmanipulation oder Betrug am Wähler. Meine Damen und Herren, ich finde, Sie haben eine Verantwortung, nicht im Trump’schen Sinne zu argumentieren. In der Sache sollten Sie argumentieren. Wir lösen ein Versprechen ein: den Deutschen Bundestag zu verkleinern, das Anwachsen zu verhindern. Daran sind alle Wahlrechtskommissionen der letzten zehn Jahre gescheitert. Das bringen wir heute fertig, und zwar auf der Grundlage des Verhältniswahlrechts. Es bleibt bei 299 Wahlkreisen. Ja, auch das ist der Fall. Aber das muss durch das Verhältniswahlrecht abgesichert sein, nämlich durch die erzielten Zweitstimmen. Herr Dobrindt, noch ein letzter Punkt. In Bayern ist es selbstverständlich, dass keine Partei in den Landtag einzieht, die keine 5 Prozent hat. Wie viel Scheinheiligkeit kann es eigentlich geben? Meine Damen und Herren, es gibt beim Thema Wahlrecht kein Erkenntnisdefizit; es gibt ein Handlungsdefizit, und das hatten wir aufgrund Ihrer Blockade jahrelang. Damit muss Schluss sein! Der Deutsche Bundestag macht deutlich: Wir sind in der Lage, eine Reform an uns selbst vorzunehmen. Wir werden über 100 Abgeordnete weniger haben, meine Damen und Herren. Das ist eine Wahnsinnsleistung, dass alle dafür ihre Hand heben und abstimmen müssen. Dem zuzustimmen, das ist eine Leistung. Das verlangen wir von anderen in Krisenzeiten auch. Wir reduzieren den Deutschen Bundestag auf 630 Abgeordnete; das Verhältniswahlrecht wird die Grundlage sein, und das ist wichtig und notwendig und gut. Damit gilt der Grundsatz: Wer die Mehrheit der Stimmen bei einer Wahl erzielt, wird auch die Mehrheit im Parlament darstellen können. Das ist ein sehr demokratischer Grundsatz. Die Reform ist fair; sie ist verfassungsgemäß. Und nach der Wahlrechtsreform ist vor der Parität, liebe Frauen. Das gehen wir als Nächstes an.