Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Schon zum dritten Mal innerhalb der letzten zehn Monate diskutieren wir auf Wunsch der Union darüber, die Mehrwertsteuer für die Gastronomie dauerhaft zu senken. Da Sie es bisher scheinbar noch nicht verstanden haben, erkläre ich die Position von meiner Fraktion, der Grünen, und mir gerne erneut. Als Tourismuspolitiker kann ich die Forderung weitgehend nachvollziehen. Die Gastronomie hat wirklich harte Zeiten hinter sich: erst die Coronakrise mit langen Schließzeiten, mit massiven Umsatzeinbußen, dann die explodierenden Preise für Energie und Lebensmittel. In dieser akuten Krisenzeit haben wir die Gastronomie unterstützt. Wir haben den Mehrwertsteuersatz für Essen in Restaurants und Wirtshäusern von 19 auf 7 Prozent gesenkt und die Regelung bis 2023 verlängert. Damit haben wir die Unternehmen gezielt gestärkt. Das hat den Gastronominnen und Gastronomen wieder auf die Beine geholfen. Das sagt die Branche ja auch immer wieder; sie lobt uns dafür, und sie dankt uns auch dafür. Als Tourismuspolitiker sehe ich auch: Es gibt durchaus Argumente, die dafür sprechen, Essen in der Gastronomie dauerhaft mit dem reduzierten Satz von 7 Prozent zu besteuern, vor allem mit Blick auf Restaurants, Wirtshäuser außerhalb von Tourismus-Hotspots. Ein attraktives Reiseziel braucht eine gute Versorgung mit Gastronomie vor Ort, und dabei hilft natürlich ein dauerhaft reduzierter Steuersatz. Aber – und jetzt kommt der Finanzpolitiker in mir durch – als Finanzpolitiker stelle ich fest: Die reduzierte Mehrwertsteuer zu entfristen, ist nichts anderes als eine Geldspritze für eine einzelne Branche, eine Geldspritze, die jedes Jahr mit etwa 3,3 Milliarden Euro erheblich zu Buche schlägt. Als Finanzpolitiker frage ich mich: Ist es geboten, auf diese Einnahmen zu verzichten? Können wir uns das überhaupt leisten? Beide Fragen kann ich zum aktuellen Zeitpunkt nicht guten Gewissens mit Ja beantworten. Schauen wir uns doch mal die Zahlen an, Frau Karliczek! Die Gastronomie ist nahezu bei der Umsatzhöhe von 2019 angekommen, also auf Vorkrisenniveau. Trotz Inflation, trotz steigender Preise sind die Restaurantbesitzerinnen und ‑besitzer laut aktueller DEHOGA-Befragung so optimistisch wie seit Coronabeginn nicht mehr. Der dauerhaft reduzierte Mehrwertsteuersatz wäre jetzt also nichts anderes als ein teures Geschenk an die Branche; so ehrlich müssen wir in dieser Debatte sein. Können wir uns dieses teure Geschenk leisten? Die Union hat sich zu diesem Punkt leider überhaupt keine Gedanken gemacht. Denn weder sagt sie, wie die Mindereinnahmen gegenfinanziert werden sollen, noch denkt sie darüber nach, was das für Länder und Kommunen bedeutet, die auch mit Mindereinnahmen zu kämpfen hätten. Mit so viel Ignoranz in diesem Gesetzentwurf machen Sie es sich hier an dieser Stelle echt ein bisschen zu leicht. Schauen wir uns die Zahlen an! Sie alle kennen die Diskussionen, die wir in der Koalition gerade zum Haushalt führen; Kollege Tim Klüssendorf hat es angesprochen. Sie kennen die unterschiedlichen Ausgabewünsche der einzelnen Ressorts. Als Abgeordneter mit klarem Wertegerüst steht für mich außer Frage, dass Menschen sozial abzusichern und Kinderarmut zu bekämpfen, eine höhere Priorität hat, als Unternehmen zu subventionieren. Wenn wir also Möglichkeiten finden, diese wichtigeren Projekte der Ampelkoalition zu finanzieren, dann kann ich mir auch vorstellen, dass wir die reduzierte Mehrwertsteuer für Essen in der Gastronomie entfristen. Ob wir diese Möglichkeiten in der Koalition finden, kann ich momentan noch nicht versprechen. Wichtig ist mir dabei – und da stimme ich mit Ihnen überein –: Die Branche braucht Planungssicherheit. Deswegen werden wir diese Entscheidung zügig treffen. Vielen Dank.