Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zuallererst und allem voran: Ein wesentliches Merkmal der Demokratie ist die Pressefreiheit, die in Deutschland durch Artikel 5 Grundgesetz garantiert wird, die es der Presse erlaubt, völlig unbeeinflusst von den Regierenden zu publizieren. Das tun sie auch. Zum Zweiten. Medien sind eine wichtige, mächtige Kontrollinstanz und werden deswegen auch als vierte Gewalt bezeichnet. Und ja, durch ihre Berichterstattung tragen sie auch zum Funktionieren unseres demokratischen Systems bei. Sie überwachen durch Recherchen über politische Inhalte und Entscheidungen und mit ihren Berichten die Tätigkeit der Politikerinnen und Politiker. Damit sind sie gleichzeitig Schnittstelle zwischen Parlament, Regierung und Wählerinnen und Wählern. Ein positiver Aspekt der völligen Unabhängigkeit zum Beispiel der freien Wirtschaft und der Privatmedien ist die theoretisch völlig freie Themenwahl ohne jegliche Vorgabe und etwaige Zwänge. Das gilt grundsätzlich übrigens auch und ist verbrieft für die Pressefreiheit bei den Öffentlich-Rechtlichen. Diese Unabhängigkeit, diese sogenannte äußere Pressefreiheit der Medien, zu garantieren, allein das ist unsere Aufgabe als Volksvertreter/-innen. Dann fängt das Innenleben an. Und ja, es ist natürlich kein Geheimnis, dass auch Journalistinnen und Journalisten zumeist angestellt sind. Wer zum Beispiel für private Medien tätig ist, ahnt, weiß oder erahnt, dass es auch Interessen von Kapitaleignern geben kann und gibt. Ihrer inneren Pressefreiheit sind möglicherweise dadurch Grenzen gesetzt, dass sie eine Loyalitätspflicht haben gegenüber ihren Arbeitgebern und Auftraggebern, dass sie abhängig sind von Werbeeinnahmen, von Verkaufszahlen, von Quoten. Trotzdem – das will ich ausdrücklich sagen – funktioniert das System der freien Berichterstattung in Deutschland, da es sehr, sehr viele und sehr unterschiedliche, auch private, Medien gibt mit unterschiedlichen Tendenzen und zusätzlich noch die Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland. Ich als freie und mündige Bürgerin bin natürlich auch verpflichtet, nicht bloß ein Medium zu lesen, sondern mich vergleichend und abwägend zu informieren. Das ist mein Job in einer Demokratie; Angebote habe ich genug. Die Form von Loyalitätspflicht wie bei den Privaten gibt es bei den Öffentlich-Rechtlichen eigentlich grundsätzlich nicht, aber auch hier findet man natürlich – wir reden gerade darüber – Hinweise, dass es durch stark hierarchische Entscheidungsebenen und daraus resultierende Abhängigkeiten und Loyalitäten möglicherweise Grenzen der inneren Pressefreiheit gibt. Auch der öffentlich-rechtliche Bereich ist nicht frei vom Blick zu Quoten. Der sogenannten vierten Gewalt wird eine kritische Kontrollfunktion zugeordnet. Übrigens sagen Praktiker des Medienbetriebs, dass die als selbstverständlich betrachtete Funktion der Medien als vierte Gewalt von ihrer Seite infrage gestellt wird. Ulrich Wickert zum Beispiel sagt, der Anspruch sei schon immer falsch gewesen, dass eine demokratische Legitimierung der Presse da sei. Die gebe es nicht, stattdessen seien Medien in größten Teilen ein Teil der Wirtschaft – das sind sie auch –, und Verlage müssten sich überlegen: „Wie verkaufe ich mein Blatt?“, „Wie viel Gewinn mache ich?“. Das ist in seinen Augen sogar eine Beschränkung der vierten Gewalt. Wir als Parlament aber sind demokratisch legitimiert. Wir gehören zur dritten Gewalt. Deshalb müssen und nehmen wir die Vorwürfe, die von der AfD aufgeworfen worden sind, auch ernst, und deshalb reden wir heute auch darüber. Ich will aber klar voranstellen: Staatsjournalismus gibt es in Deutschland nicht. Ich weiß das. Ich bin 1965 in Magdeburg geboren. Im Gegensatz zu Ihnen weiß ich, was Staatsjournalismus ist, und das, was in der Bundesrepublik da ist, ist mitnichten Staatsjournalismus; das ist freier Journalismus. Sie wissen doch gar nicht, was Staatsjournalismus ist, Sie wissen gar nicht, was staatliche Propaganda in einer Diktatur ist. Sie reden wie die Blinden von der Farbe darüber; ich nicht. Aber natürlich gibt es Geschäftsbeziehungen zwischen der Bundesregierung und Journalistinnen und Journalisten. Das ist auch grundsätzlich aus meiner Sicht kein Problem. Ich halte es für vertretbar, wenn Journalistinnen und Journalisten Veranstaltungen moderieren, selbstverständlich. Ich halte es auch für vertretbar, wenn dies auf Veranstaltungen von Ministerien oder der Bundesregierung gemacht wird und dass sie für ihre Arbeit bezahlt werden. Ich halte es für vertretbar, dass es verabredete Interviews gibt. Da muss nur „Anzeige“ drüberstehen, und möglichst nicht ganz so klein, wie das manchmal in den Blättern ist, sondern erkennbar. Ich halte es auch nicht für unmoralisch, wenn man nachfragt, mit wem das Interview geführt wird; das ist wie im normalen Leben. Also, es gibt Menschen, die stehen im Thema drin, und man wird gerne von solchen interviewt, und es geht mal besser und mal schlechter. Natürlich kann man nachfragen, auch als Politikerin. Die Antwort allein liegt auf der journalistischen Seite, ob man dem nachkommt oder nicht; das passiert nicht immer. Auch ich als Politikerin mit 33 Jahren Erfahrung mit Medien sage: Es gibt auch Journalistinnen und Journalisten, denen ich nicht antworte. Das ist dann meine Freiheit. Die Freiheiten im System sind wirklich groß genug. Deshalb will ich einfach nur sagen: Es ist kein Skandal zu Staatsjournalismus, den Sie als AfD vermeintlich aufgedeckt haben. Der Journalismus in unserer Demokratie ist und bleibt unabhängig, aber die Debatte heute zeigt auch, dass beide Seiten – Politik und Journalismus – gut daran tun, einmal darüber nachzudenken, wie und wo sie zusammenarbeiten. Es ist nicht gut für Journalisten, wenn sie in den Verdacht kommen, ihre Unabhängigkeit zu verlieren. Es ist nicht gut für Politik, wenn sie in den Verdacht kommt, den freien Journalismus beeinflussen zu wollen.