Wenn man sich die Umfragewerte anguckt, dann wird genau das bestätigt: Im Mai 2016, nach der Migrationskrise, lag die AfD bei 15 Prozent, im August 2021 bei 10 Prozent – da hatte man das Thema eigentlich sehr gut im Griff – und jetzt, im Februar 2022, bei 15 Prozent. Man erkennt also schon eine sehr deutliche Parallelität. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Rede von Herrn Curio zeigt dem Grunde nach zwei Dinge. Zunächst einmal macht sie, finde ich – das ist immer so, wenn Sie reden –, ganz deutlich, dass die AfD eigentlich nicht in dieses Haus gehört. So viel Spaltung, so viel Unsachlichkeit und so viel Hetze dürften hier eigentlich keinen Platz haben. Das Zweite, was dann auch immer deutlich wird, ist, dass es offensichtlich gerade das Thema Migration ist, das für die AfD identitätsstiftend ist, möchte man fast sagen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel, vor allem Kollege Lindh, ich verstehe Sie, wenn Sie nach so einer Rede von Herrn Curio emotional sind. Manchmal schreien Sie ja auch, und diese Schreiattacken gehen dann auch manchmal in Richtung der Union. – Genau das meine ich. Da sind wir bei der ersten Schwäche Ihrer Migrationspolitik; denn dem Grunde nach empören Sie sich immer. Das war gerade ein schönes Beispiel. Sie haben, ohne über Antworten zu reden, als ersten Mechanismus etabliert: Wir empören uns. – Dieser Empörungsmechanismus geht so weit, dass selbst der sachlichste Unionskollege, wie zum Beispiel der Kollege Frei, am Schluss als Rassist beschimpft wird, wenn er in Sachen Migration nicht das sagt, was Sie denken. Das zweite Problem Ihrer Migrationspolitik ist dem Grunde nach, dass Sie, die Ampel und auch die Bundesregierung, wenn man genau hinguckt, doch weitestgehend tatenlos sind. Der Flüchtlingsgipfel war ein Manifest der Tatenlosigkeit und der Ergebnislosigkeit. Dort, wo man etwas verändern könnte, passiert nichts. Schauen Sie sich die Erweiterung der sicheren Herkunftsstaaten an! Das Gesetz hängt seit 2016 im Bundesrat; es wird bis heute von den Grünen blockiert. Das wäre eine Stellschraube, mit der man ein Signal aussenden und mit der man auch die Verfahren entlasten könnte. Auch in Sachen Gemeinsames Europäisches Asylsystem oder europäischer Außengrenzschutz passiert doch in Wahrheit überhaupt nichts. Schauen Sie sich mal den Gesprächsfaden mit der Türkei an! Jeder weiß, dass, wenn wir einen europäischen Außengrenzschutz wollen, wenn wir ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem wollen, das ohne die Türkei nicht gehen wird. Aber die Maxime der Innenministerin und die Maxime der grünen Außenministerin ist doch, dass man mit der Regierung Erdogan nicht redet. Deswegen ist der Deutschland-Türkei-Deal mittlerweile völlig zum Erliegen gekommen. Der dritte Punkt ist: Sie setzen gefährliche Anreize. Die Außenministerin hat ein Sonderaufnahmeprogramm Afghanistan etabliert. Da müssen Sie sich auch einmal die Signalwirkung für die Region vor Augen führen. Sie legen eine Fachkräftekonzeption vor, die bewusst Fachkräftezuwanderung und allgemeine Migration vermischt. Sie eröffnen sogar die Möglichkeit, dass jemand völlig ohne Qualifikation in unser Land einreisen kann. Das Ganze garnieren Sie dann noch mit einer erheblichen Liberalisierung im Staatsangehörigkeitsrecht. Dabei merken Sie von der Ampel nicht, dass Sie mittlerweile ein Geisterfahrer in Europa sind; denn alle anderen Länder regulieren Migration mittlerweile stärker, weil sie verstanden haben, dass man nur so das Sterben im Mittelmeer wird verhindern können. Das, was Sie machen – Entschuldigung –, ist am Ende des Tages ein Konjunkturprogramm für Schleuser. Wir wissen mittlerweile, dass die Schleuserprämien noch höher werden, wenn es nach Deutschland geht, und die Boote werden noch sehr viel voller. Bevor Sie sich jetzt wieder ereifern, komme ich zum vierten Punkt, der mir wichtig ist. Wir müssen das Thema Migration nicht nur am Mittelmeer betrachten; denn das größte Grab der Region ist nicht das Mittelmeer, es ist die Sahara. Es gibt Schätzungen, wonach über 1,5 Millionen Menschen in der Sahara ums Leben gekommen sind beim Versuch, nach Nordafrika zu kommen, in der Hoffnung, nach Europa zu kommen. Meine Damen, meine Herren, wenn ich das weiß, dann muss es darum gehen, dass wir möglichst wenige Anreize setzen, um sich auf diese Fluchtrouten zu begeben, weil dort Menschen sterben, Kinder verschwinden und Frauen vergewaltigt werden. Auch da bin ich wieder bei Ihrer Politik der Tatenlosigkeit. Schauen Sie sich einmal an, ob die Entwicklungshilfeministerin in den letzten Monaten irgendwo zu sehen war! Ich habe kürzlich in einer Podiumsdiskussion gesessen, da ist mir ihr Name nicht einmal eingefallen, weil sie so wenig in Erscheinung tritt. Meine Damen, meine Herren, ich weiß, das Thema ist schwierig. Aber wir erleben von Ihnen eine derart naive Betrachtung der Dinge, dass ich Ihnen sage: Sie selbst haben es in der Hand, mit wie viel Prozent die AfD am Ende des Tages in diesem Haus sitzt und ob sie in diesem Haus sitzt. Sie müssen Antworten finden, statt sich zu empören und Dinge schönzureden. Danke für die Aufmerksamkeit.