Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Betroffene! Liebe Angehörige! Etwa 250 000 Menschen sind in Deutschland an ME/CFS erkrankt. Häufig sind junge, fitte Menschen betroffen, darunter rund 40 000 Minderjährige, die durch ihre Erkrankung vollkommen aus ihrem Leben gerissen werden. ME/CFS ist eine neuroimmunologische Erkrankung. Die Betroffenen leiden häufig an einer schweren Fatigue, aber auch an kognitiven Symptomen. Alltägliche Dinge wie Duschen, Zähneputzen können zu unüberwindbaren Hindernissen werden, weil die Kraft fehlt. Arbeiten gehen, am Familienleben teilhaben, Freunde treffen, das ist für viele kaum mehr möglich. Zwei Drittel der Betroffenen bleiben arbeitsunfähig. Die massive Beeinträchtigung der Lebensqualität und auch die empfundene Perspektivlosigkeit führen darüber hinaus zu einer hohen Suizidrate. ME/CFS ist keine neue Erkrankung. Sie wurde bereits 1969 von der WHO als Erkrankung des Nervensystems anerkannt. Weil sie so viele Gesichter hat, weil die Erkrankung im medizinischen Umfeld nach wie vor wenig bekannt ist und weil es auch in Deutschland an Versorgungsinfrastruktur fehlt, müssen viele Betroffene eine Odyssee von Arztpraxis zu Arztpraxis hinter sich bringen, bis ihnen geholfen werden kann. Da die Krankheit auch wenig erforscht ist, gibt es bisher kaum Heilmittel. Mit der Coronapandemie – ich glaube, diese Unterscheidung muss man machen – hat die Erkrankung ME/CFS noch mal deutlich mehr Aufmerksamkeit erfahren, weil sie eine Folge von Long Covid sein kann. Die Zahl der Betroffenen ist in den letzten Jahren aufgrund dessen noch mal gestiegen. Aber natürlich kann Long Covid auch ganz andere Symptome haben. Wer sich die anschauliche Demonstration von „Nicht Genesen“ von vor ein paar Wochen am Reichstag angeschaut hat, hat dort viele Namen gelesen – auch von Menschen im jungen Alter und von vielen, die in den sogenannten systemrelevanten Berufen gearbeitet haben und an Long Covid erkrankt sind. Ich möchte mich an dieser Stelle einmal ausdrücklich bei den vielen Betroffenen bedanken – ob selbst erkrankt oder als Angehörige betroffen. Sie tragen die Krankheit immer wieder in die Öffentlichkeit. Sie kämpfen für eine ausreichende Versorgungsinfrastruktur, für Aufklärung über die Erkrankung und nicht zuletzt für mehr Forschungsmittel. Sie geben die Hoffnung nicht auf. Und ich denke schon, dass man sagen kann, dass es aufgrund ihrer zahlreichen Initiativen auch ihr Erfolg ist, dass sich in der Politik einiges bewegt: zum Beispiel diese Debatte hier, aber auch die Tatsache, dass die ME/CFS-Versorgung im Koalitionsvertrag explizit aufgeführt wurde und dass in den letzten Jahren deutlich mehr Geld für die Erforschung der Erkrankung in die Hand genommen wurde. Die Erforschung von ME/CFS, Long Covid und Post-Vac ist so massiv wichtig, weil wir über die Ursachen, Ausprägungen, Symptome und auch über mögliche Therapieentwicklungen immer noch zu wenig wissen. Deshalb sind auch entsprechende Investitionen im Bundeshaushalt vorgesehen. Ich bin dankbar, dass wir diese Debatte hier im Bundestag führen. Ich möchte aber vor einer Sache warnen: Ich möchte davor warnen, dass wir diese Debatte auf dem Rücken der Betroffenen für eigene politische Selbstdarstellung instrumentalisieren. Und ich möchte auch davor warnen, den Betroffenen Hoffnung zu geben, dass mit Forschung ganz schnell Lösungen gefunden werden; denn es braucht viel Zeit. Mehr Geld für Forschung bedeutet nicht sofortige Hilfe für die Betroffenen; das wissen die auch. Dennoch sollten wir weiter daran arbeiten. Vielen Dank.