Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir waren ja schon unter der GroKo einiges an Zumutungen gewöhnt. Aber es ist schon eine bemerkenswerte Leistung eines FDP-Finanzministers, in seiner allerersten Amtswoche gleich zwei zentrale FDP-Wahlkampfversprechen zu brechen: zunächst mit dem Impfzwang für Pfleger den Erhalt eines elementaren Grund- und Freiheitsrechts der Menschen und heute das Versprechen einer seriösen Haushaltspolitik. Diesen Ausverkauf des liberalen Tafelsilbers sollten Sie dringend Ihren betrogenen Wählern erklären, Herr Lindner. Sie kritisieren hier etwas, was Sie seit 2020 in mehreren Haushalten selbst getan haben. Aber die gute Nachricht ist: Wir sind gerne bereit, Ihnen unsere Normenkontrollklageanträge für Karlsruhe zur Verfügung zu stellen. Der Nachtragshaushalt 2021 über 60 Milliarden Euro soll rückwirkend im Januar des Folgejahres beschlossen werden, was schlicht absurd ist. Man nimmt kein Geld für ein Jahr auf, in dem der Bund ohnehin bereits 180 Milliarden Euro Schulden gemacht hat, nur weil die alte GroKo sich noch weitere 60 Milliarden Euro hat genehmigen lassen und 2021 einfach nicht mehr ausgeben konnte; so wie es die Ampel nun eben auch nicht mehr tun kann. Das sind doch unseriöse Tricks, die einer Bundesregierung unwürdig sind. Wenn ich eben höre, Kollege Fricke, dass das Geld nicht mehr ausgegeben wird, dann ist es erst recht ein Argument, es heute nicht aufzunehmen. Wenn Sie es 2021 in einem kameralistischen Haushalt nicht mehr ausgeben können, dann dürfen Sie es nicht aufnehmen. Das sind Buchungstricks; ich komme dazu. Man weiß ja offensichtlich bereits, wie viel Geld man in diesen vier Jahren auf Pump benötigen wird, und dann fängt man lieber gleich in den ersten Tagen an, richtig aufzuschulden. Zudem stellen sich komplexe rechtliche Fragen – für die Union und auch die FDP offenbar zu komplexe. Das zeigt sich am erratischen Verhalten dieser Fraktionen seit 2020; wir haben das ja eben schon zu Recht gehört. Die FDP hatte noch in der Opposition ihr jetziges Vorgehen in der Regierung als verfassungswidrig bezeichnet, nämlich die Bildung von über Neuverschuldung finanzierten Rücklagen – das ist nicht falsch; das waren Ihre Worte – sowie die Zweckentfremdung von Coronamitteln für andere Zwecke. – Ich komme gleich noch mal zu Ihnen, Herr Dürr. Sie werden gleich noch mal zitiert; alles gut. Auch die Union ist heute überzeugt davon, dass ihr eigenes, völlig analoges Vorgehen als Regierungspartei 2020/2021 nun plötzlich rechtswidrige „Finanzakrobatik“ sei – Zitat eines CSU-Kollegen. Sie will nun – offenbar im Zustand des Gedächtnisverlustes – ihr eigenes Tun von damals, das heute das der Ampel ist, nachträglich per Klage in Karlsruhe prüfen lassen. Das könnte man sich nicht ausdenken. Die AfD sieht natürlich ebenfalls und immer noch dieses Vorgehen als rechtswidrig an – immer noch deshalb, weil wir und nur wir bereits 2021 hier im Haus entsprechende Normenkontrollklageanträge eingebracht hatten. Zum Nachlesen für Sie, Herr Brinkhaus, Herr Dobrindt, Herr Haase, und gerne auch für die Medien: Drucksachen 19/22926 von September 2020 und 19/26549 von Februar 2021. Kein einziger Unionsabgeordneter wollte damals diese Verfassungsklagen unterstützen. Und nun erklären Sie, Kollege Haase, gegenüber der „FAZ“: „Das Wort ‚Verfassungsbruchʼ liegt förmlich in der Luft“, oder eben hier nannten Sie das Vorgehen „verfassungswidrig“; Sie haben es ja ausgesprochen. Oder was haben Sie noch gesagt: Nun würden „Coronakredite zu Klimakrediten“. Ja, in der Tat, das war bei Ihnen das Gleiche. Sie haben genau das Gleiche gemacht, nur mit etwas kleineren Summen; das ist doch reine Realsatire hier. Die Bildung von schuldenfinanzierten Rücklagen ist natürlich generell rechtswidrig. Das sagen nicht nur der gesunde ökonomische Rechtsverstand und der haushalterische Verstand und die AfD, sondern auch der ehemalige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts Kirchhof und der Bundesrechnungshof, der haushalterische Verfassungsgrundsätze wie Jährlichkeit und Klarheit verletzt sieht – genau das, was die FDP früher irgendwie auch immer so gesehen hat. Professor Schwarz von der Uni Würzburg erklärt ebenfalls das Offensichtliche – Zitat –: Es sei „verfassungswidrig“ und eine „unzulässige Umgehung der Schuldenbremse“. Und sogar der sehr liberale Staatsrechtler Gröpl schrieb dazu im „Handelsblatt“: „Verfassungsbruch par excellence“. Nachlesen! Dann wollen wir in der Tat den ja eben schon sehr aktiven FDP-Kollegen Dürr nicht ganz vergessen. Sie, Herr Dürr, sagten hier an dieser Stelle am 2. Juli 2020, als Finanzminister Scholz genau denselben Rücklagentrick anwenden wollte – Zitat; das Protokoll ist eindeutig –: – dieser Haushalt – – und der SPD-Fall Walter-Borjans war vergleichbar – Und weiter fragten Sie sich, Heute will der FDP-Minister Lindner davon nichts mehr hören. Welchen Unterschied schon acht Tage an der Macht machen können; das ist wirklich erstaunlich. Nochmals zur Union: Noch bis Herbst 2021 hat die Union genau dieses verfassungswidrige Vorgehen als Regierungspartei mitgetragen, und nun reden Sie demonstrativ stabilitätspolitisch vom Verfassungsbruch. Welchen Unterschied schon acht Tage in der Opposition ausmachen; auch das ist erstaunlich. Wer wie Herr Dobrindt ernsthaft am vorherigen Dienstag der Presse diktiert: „Wer Finanzpolitik durch Finanzakrobatik ersetzt, der bewegt sich schnell außerhalb des Rechtsrahmens“, der sollte ganz dringend in den Rückspiegel seiner eigenen zwei vergangenen Haushaltsjahre schauen und verschämt schweigen. Diese gelebte Doppelmoral ist wirklich kaum noch zu ertragen. Nein, liebe Unionskollegen, so leicht kommen Sie nicht aus dem verfassungsbrechenden Erbe der Merkel-Ära raus. Die 240 Milliarden Euro Neuverschuldung für 2021 dürfen nur wegen der angeblichen pandemischen Notlage aufgenommen werden und selbstredend auch nur für diese Notlage genutzt werden; das ist das Konnexitätsprinzip, rechtlich etabliert. Schon die GroKo hat es missachtet; aber die Ampel macht nun gar keinen Hehl mehr daraus. Angebliche Coronanotkredite werden ganz offen als Rücklagen in den neuen Klima- und Transformationsfonds gesteckt. Ein Veranlassungszusammenhang wird nicht einmal mehr geheuchelt. Und der hessische Staatsgerichtshof – eben schon zitiert – hat eben ein sehr ähnliches Vorgehen der Hessischen Landesregierung für rechtswidrig erklärt. Herr Rohde, Sie haben sehr selektiv zitiert. Das Urteil des hessischen Staatsgerichtshofs ist viel umfassender als das, was Sie eben zitiert haben. Der Finanzminister sieht seine Aufgabe heute ernsthaft als – Zitat – „Ermöglichungsminister“. Herr Lindner, Ihre Aufgabe wäre es, alles Mögliche zu tun, um den Steuerzahler vor weiteren superteuren Zugriffen der rot-grünen Planwirtschaft und Ideologiepolitik zu schützen, nicht etwa, diese „möglich“ zu machen. Mein letzter Satz. Die FDP hat beim Impfzwang und bei der Finanzseriosität vor der Wahl in zentralen Punkten gelogen. Das neue Motto der FDP scheint zu sein: Lieber verfassungswidrig und wortbrüchig regieren als nicht regieren. Vielen Dank.