Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Antrag der AfD-Fraktion bietet eine gute Gelegenheit, an ein wesentliches Ordnungsprinzip der sozialen Marktwirtschaft zu erinnern, das seit über 70 Jahren maßgeblich zum Wohlstand der meisten Menschen in Deutschland beigetragen hat: Der Staat mischt sich nicht in die Lohnfindung ein. Der Staat respektiert, was Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhandeln und was die Sozialpartner vereinbaren. Bei uns achtet der Gesetzgeber die Tarifautonomie, und das ist gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen. Dieses Grundprinzip wird auch nicht dadurch durchbrochen, dass der Gesetzgeber eine gesetzliche Lohnuntergrenze eingeführt hat. Der Mindestlohn gilt neben dem Arbeitsvertrag und greift eben nicht in die Vertragsfreiheit der Beschäftigten und Betriebe ein. Die Koalition hat den Mindestlohn zum 1. Oktober 2022 kräftig auf 12 Euro angehoben; die AfD stellt das richtig fest. Wir alle wissen: Das war ein Herzenswunsch des Bundeskanzlers und der SPD – und auch von Beate Müller-Gemmeke, glaube ich. Wir Freie Demokraten haben dafür gesorgt, dass diese Erhöhung endlich auch einmal bei den Minijobbern ankommt. Diese Gruppe von Beschäftigten hat bei vergangenen Mindestlohnerhöhungen am Monatsende regelmäßig höhere Stundenlöhne, aber weniger Stunden und damit den gleichen Verdienst auf dem Lohnzettel gesehen, ist im Grunde also leer ausgegangen. Damit haben wir Schluss gemacht. Wir haben die Verdienstgrenze für Minijobber angehoben und dynamisiert. Darüber freuen sich Studenten, Rentner und viele mehr, und das ist sehr gut so. Zurück zum Antrag. Ganz verstanden habe ich beim Lesen nicht, was Sie eigentlich genau erreichen wollen, welches Problem Sie eigentlich lösen wollen. Welche Zulagen als Bestandteile des Mindestlohns anerkannt werden müssen, hat der Europäische Gerichtshof schon 2005 und im Zusammenhang mit der Dienstleistungsrichtlinie und der Entsenderichtlinie noch einmal 2013 festgestellt. Das Bundesarbeitsgericht – Kollege Oellers hat darauf hingewiesen – hat das dann 2017 präzisiert und ausgeführt, dass nur gesetzlich vorgeschriebene Vergütungsbestandteile, wie der Nachtzuschlag, nicht anrechnungsfähig sind. Ich wüsste nicht, was darüber hinaus an Klarstellungsbedarf besteht. Es ist ja auch nicht so, dass Beschäftigten einfach der normale Stundenlohn gekürzt werden könnte, um die Mindestlohnerhöhung abzufedern. Das ginge arbeitsrechtlich ohnehin nur mit Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers. Wer den Menschen suggeriert, dass die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns automatisch zu Lohnerhöhungen für alle führen muss, der führt in die Irre, der ist zutiefst populistisch. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Im Übrigen ist der AfD-Antrag aus drei Gründen kontraproduktiv: Erstens. Entspricht Ihr sogenanntes Grundentgelt dem gesetzlichen Mindestlohn, werden Betriebe das Grundentgelt erhöhen und die Zulagen streichen. Alle Leistungsanreize verschwinden, niemand verdient mehr, viele werden demotiviert. Was soll das bitte schön bringen? Zweitens. Ihr Antrag greift in die Tarifautonomie ein. Tarif- und Sozialpartner verlieren wichtige Gestaltungsinstrumente, um Lohntabellen und Tarifverträge auf ihre branchenspezifischen Bedürfnisse zuzuschneiden. Drittens. Es mag ja Ihr politisches Ziel sein, den Mindestlohn durch Nebelkerzen aufzuhübschen. Unser Ziel ist und bleibt es, dafür zu sorgen, dass die Menschen mit ihrer Arbeit mehr verdienen als den Mindestlohn. Das erreichen wir mit Rahmenbedingungen, die die Produktivität erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen stärken. Das schaffen wir, indem wir flexibles und selbstbestimmtes Arbeiten erleichtern, Investitionen fördern, attraktive Abschreibungen ermöglichen, den Staat digitalisieren und die Wirtschaft damit von Bürokratie entlasten, Planungs- und Genehmigungsprozesse beschleunigen. Auf all das kommt es an. Das ist unser Job; den erledigen wir. Ab morgen früh geht es weiter.