Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Linksfraktion hat heute einen sehr kurzen Antrag zum russischen Angriffskrieg mit sage und schreibe zwei Forderungen vorgelegt. Sie fordern zum einen die humanitäre Unterstützung der Geflüchteten aus den Kriegsgebieten – so weit, so selbstverständlich. Und Sie fordern einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen. Was Sie aber nicht sagen, ist, wie der Weg dorthin aussehen soll und wie man den Kriegsverbrecher Putin eigentlich dazu bringen möchte, die Waffen schweigen zu lassen, ohne dass sich die Ukraine selbst aufgeben muss. Wie kommt man zu einem tragfähigen Frieden, bei dem Putin und auch seine Nachfolger ein für alle Mal davon Abstand nehmen, die Ukraine gewaltsam vernichten zu wollen? Dazu sagen Sie überhaupt gar nichts. Sie leisten seit einem Jahr eben keinen ernsthaften Beitrag dazu, eine demokratische und diplomatische Lösung vorzulegen, während sich die ganze Welt den Kopf darüber zerbricht. Diese Sprachlosigkeit wird leider begleitet von einer gefährlichen Realitätsverweigerung. Es ist Putin, der mit der Methode Gewalt seine imperialistischen Interessen durchzusetzen versucht – ganz egal, wie viele Leute er dafür opfern muss. Sie ignorieren noch immer, dass der eigentliche Kriegstreiber in Moskau sitzt. Das ist das eigentliche Problem. Denn sonst würden Sie ja verstehen, dass Sie Ihren Appell „Diplomatie statt Panzer“ an niemanden sonst richten sollten als an Wladimir Putin. Aber diese Realität passt nicht ins Weltbild, weil der Schurke eben diesmal nicht in den USA sitzt, sondern in Moskau. Ihre Realitätsverweigerung hat gefährliche Auswirkungen. Sie führt dazu, dass die Menschen noch mehr Angst haben, Angst, aus der nicht nur Sie Kapital schlagen, sondern auch die extreme Rechte da drüben. Und sie führt dazu, dass noch mehr Menschen offene Ohren entwickeln für eine brandgefährliche Täter-Opfer-Umkehr, von der Putin profitiert. Sahra Wagenknecht tingelt mit Relativierungen von Putins Revisionismus und seiner menschenverachtenden Verbrechen durch die Talkshows. Das entzückt natürlich nicht nur den Kreml, sondern auch seine rechtsextremen Verbündeten im Rest Europas. Darum ist es eben auch kein Zufall, dass viele Rechtsradikale am vergangenen Wochenende Seite an Seite mit Mitgliedern der Linkspartei und Putin-Freunden durch Berlin marschiert sind. Noch einmal kurz zum Mitschreiben für Sie, was der Rest der demokratischen Fraktionen seit einem Jahr tut: Mit der Unterstützung der Ukraine – humanitär, finanziell und militärisch – verfolgen wir gemeinsam mit den internationalen Partnern eine Strategie, um Putin an den Verhandlungstisch zu zwingen. Wir helfen der Ukraine, sich gegen die Aggression Putins zu wehren. So soll Putin ein machtpolitisches Interesse entwickeln, zu verhandeln, statt zu schießen. So wollen wir die Friedensordnung in Europa wiederherstellen. Wegen dieses militärischen Teils in der Unterstützung werfen Sie jetzt der Bundesregierung vor, kriegslüstern zu sein, und das ohne eine konkrete Alternative vorzulegen, wie man sonst zu Verhandlungen kommen soll. Das zeigt, dass Sie es sich gerne leicht machen; aber das ist eben verantwortungslos in dieser Position und Situation. Die Wahrheit ist doch: Ohne die militärische Unterstützung der Ukraine wäre die Ukraine schon längst von der Landkarte gestrichen. Und die Lehren aus diesem Krieg wären gewesen: Erstens. Für die Demokratisierung wirst du als postsowjetischer Staat blutig bezahlen, und die EU lässt dich im Stich. Zweitens. Hol dir Atomwaffen, wenn du deine Integrität schützen willst. Und wenn du schon welche hast, dann gib sie niemals ab. Drittens. Als Aggressor kannst du sogar mitten in Europa gewaltsam Grenzen verschieben, und es passiert dir im Kern eigentlich gar nichts. Zu was für einem Frieden würde das führen? Auch dazu kein Wort in Ihrem Antrag. Stattdessen spielen Sie weiterhin die militärische Unterstützung und die Diplomatie gegeneinander aus. Die Devise muss aber lauten: Diplomatie und militärische Hilfe für die Ukraine, liebe Kolleginnen und Kollegen. Eigentlich bräuchte es genau jetzt eine linke Partei, die sich kritisch mit dem postsowjetischen Imperialismus auseinandersetzt und Demokratiefeindlichkeit und Revisionismus klar zurückweist, eine Partei, die aufrichtige Wege für einen tragfähigen Frieden beschreibt. Sie sind diese Partei leider nicht. Das ist sehr traurig; denn für Antifaschismus und Frieden zu sein, das heißt, Widerstand gegen Putin zu unterstützen. Alerta Antifascista! Slawa Ukrajini!