Ich sage Ihnen ganz klar: Sie machen hier eine politische Show auf dem Rücken meines Bundeslandes. Sie ziehen hier den Fehler einer 26-jährigen Steuerfachangestellten aus Mecklenburg-Vorpommern ins bundesweite Rampenlicht. Haben Sie einmal darüber nachgedacht, was Ihre Unterstellung und diese Aktuelle Stunde mit dieser Finanzbeamtin und ihrer Familie machen? Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Bürgerinnen und Bürger! Während der Gründung der Klimastiftung und dem Bau von Nord Stream 2 war ich Kommunalpolitiker in meiner Heimat Mecklenburg-Vorpommern, einem Bundesland, welches im Zuge der Diskussion um Nord Stream 2 wahlweise als „Putins Vorposten“ oder „Kremlsumpf“ betitelt wird, einem Bundesland, bei dem die Union die gesamte Schuld für die deutsche Russlandpolitik der letzten 16 Jahre meint abladen zu können – die gleiche Union, die 16 Jahre im Bund und 15 Jahre in Mecklenburg-Vorpommern mitregiert hat und jetzt von all dem nichts mehr wissen will. Gestern glühende Nord-Stream-2-Freunde, heute Chefankläger gegen die eigene Politik! Vom Saulus zum Paulus innerhalb von Monaten! – Da brauchen Sie gar nicht zu lachen, Herr Merz. – Fakt ist: Zum Zeitpunkt der Vernichtung der Steuererklärung lag die Akte den Behörden vollständig vor. Es gibt also keine Lücken in der Akte. Die Steuererklärung wurde falsch abgeheftet und war deshalb für die Finanzbeamtin nicht mehr zu finden. Nachdem sie in Eigenrecherche die Steuererklärung doch noch gefunden hatte, war das Thema bereits übergroß in den Medien. Stellen Sie sich einmal den Druck vor, der auf den Schultern dieser Frau gelegen haben muss! Die Finanzbeamtin hatte Angst, dass sie wegen einer falsch abgelegten Akte in den Mittelpunkt einer Politik- und Medienkampagne gerät. Sie hat dann einen Fehler gemacht und die Akte vernichtet. Aber sie hat diesen Fehler gegenüber ihrem Vorgesetzten gemeldet und zugegeben. Deshalb konnte die Staatsanwaltschaft ermitteln und hat den Fall mittlerweile eingestellt. Diese Frau hat Verantwortung übernommen. Lassen Sie mich dazu auch für die SPD in Mecklenburg-Vorpommern eines klarstellen: Wir haben uns geirrt. Unser Ansatz des „Wandel durch Handel“ hat nicht funktioniert. Auch dafür übernehmen wir Verantwortung. Das gilt insbesondere für Manuela Schwesig. Sie hat im letzten Jahr öffentlich festgehalten, dass die Unterstützung für Nord Stream 2 und die Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommern mit dem Wissen von heute ein Fehler war. Was diese beiden Frauen, die 26-jährige Steuerfachangestellte und die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, geschafft haben, ist bei der Union meilenweit nicht zu sehen. Wo bleibt denn Ihre Verantwortungsübernahme? Es ist kein Zufall, dass diese Schmutzkampagne ausschließlich von männlichen Unionsmitgliedern gefahren wird. Ihre Männerclique will sich aus der Verantwortung stehlen, schmeißt deshalb mit Schmutz und diskreditiert nicht nur zwei Frauen, die Verantwortung übernehmen, sondern ein ganzes Bundesland, mein Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Ich weiß, dass es schwer ist, eigene Fehler einzugestehen, aber genau das erwarten die Menschen von der Politik. Was die Menschen – gerade in Mecklenburg-Vorpommern – nicht brauchen, ist politisches Showbusiness auf dem Rücken eines ganzen Bundeslandes. Das ist besonders verwerflich, weil wir ein kleines Buch mit den Lobeshymnen der Union für Nord Stream 2 zusammenstellen könnten. Ob hier im Bundestag, im Landtag in Schwerin oder gegenüber der Presse: Die Union war immer als Pipelinefreundin zur Stelle. Ganz vorne dabei war mein Kollege Philipp Amthor. Der gleiche Kollege – hören Sie zu! –, der für Unternehmen die Türen im politischen Berlin geöffnet hat und dafür ordentlich abkassieren wollte, gibt sich jetzt hier als moralische Instanz. Kollege Amthor, Sie haben hier eine Rede zu Nord Stream 2 gehalten und darin gesagt – ich zitiere aus dem Protokoll der Sitzung vom 19. November 2020 –: Wenn also der Kollege Frei den vermeintlichen Kremlsumpf in Mecklenburg-Vorpommern trockenlegen will, muss er gar nicht zu uns in den Nordosten reisen. Er kann ganz einfach ins Bundestagsbüro des Kollegen Amthor hier um die Ecke gehen und dort anfangen. Lassen Sie mich zum Ende eines ganz klar sagen: Sollte irgendein Politiker, ob hier in Berlin oder in Mecklenburg-Vorpommern, sich kaufen lassen, bin ich der Erste, der einen Rücktritt fordert. Das habe ich beim Kollegen Amthor getan, und das werde ich auch in Zukunft tun. Was dem Fass – ich komme zum Schluss – in dieser Debatte den Boden ausschlägt, ist eine Union, die es für richtig hält, in dieser Aktuellen Stunde gleich einen Abgeordneten als moralische Instanz und Chefankläger sprechen zu lassen, der sich mit vollem Elan für ein Unternehmen eingesetzt hat, von dem er selbst einen Direktorenposten, Luxusreisen und Aktienoptionen erhalten hat. Das ist das Gegenteil von Glaubwürdigkeit. Danke schön.