In Artikel 5 des Nordatlantikvertrages heißt es: Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kuhle, haben Sie das bei der Atlantik-Brücke gelernt, im Young-Leaders-Programm? Ich muss Ihnen wirklich sagen: Die heutige Debatte ist viel zu ernsthaft, als dass man auf so eine Art und Weise hier Polemik betreibt. Ich muss Ihnen wirklich sagen: Das geht so nicht. Meine Damen und Herren, die Lage ist sehr ernst. Im September wurde Nord Stream in die Luft gesprengt. Jetzt, fast fünf Monate später, steht ein furchtbarer Verdacht im Raum: Nord Stream sollte von unseren eigenen Verbündeten angegriffen worden sein. Es steht der Verdacht im Raum, dass die Vereinigten Staaten von Amerika und das Königreich Norwegen einen Sprengstoffanschlag auf Nord Stream geplant und ausgeführt haben. Erhoben wurde dieser Vorwurf von einem Staatsbürger der USA, dem mehrfach ausgezeichneten Journalisten Seymour Hersh. Hersh beruft sich in einem am Mittwoch veröffentlichten Artikel auf eine Quelle, die anscheinend direkte Kenntnis von der Planung der Operation hatte. Hersh behauptet, die Vereinigten Staaten und Norwegen hätten im vergangenen Sommer dafür gesorgt, dass während eines Marinemanövers der NATO in der Ostsee Sprengstoff an beiden Nord-Stream-Pipelines platziert und einige Monate später durch ein Signal gezündet wurde. Das Weiße Haus und die CIA bestreiten diesen Vorwurf. Doch wie sehr man amerikanischen Geheimdiensten vertrauen kann, das wissen wir ja. Ich erinnere nur an die NSA-Affäre, als herauskam, dass Frau Merkel von den Amerikanern abgehört wurde. Ein Sprengstoffangriff – das muss man aber in aller Deutlichkeit sagen – würde eine rote Linie überschreiten. Ein Angriff auf Nord Stream ist ein Angriff auf Deutschland und damit auf das gesamte Bündnis. Aber wenn es ein Bundesgenosse wäre, der unsere kritische Infrastruktur angegriffen hätte, dann wäre das Vertrauen, das Grundlage für jedes Bündnis ist, zerstört. Meine Damen und Herren, ich möchte eines sehr klar sagen, ehe ich bewusst missverstanden werde: Ich kann nicht ausschließen, dass es die USA und Norwegen waren, die Nord Stream in die Luft gesprengt haben. Ich kann nicht ausschließen, dass Russland Nord Stream in die Luft gesprengt hat; wahrscheinlich würden wir dann aber darüber lesen. Um genau zu sein, kann ich gar nichts ausschließen. Und warum kann ich nichts ausschließen? Warum weiß ich als Abgeordneter, 137 Tage nachdem Nord Stream in die Luft gesprengt wurde, immer noch nicht, wer den Anschlag verübt hat? Weil in diesen 137 Tagen die Regierung von Scholz, Baerbock und Habeck nichts, null, keinen Nanometer zur Aufklärung beigetragen hat. Die Regierung der viertgrößten Volkswirtschaft der Erde weiß nach fast fünf Monaten immer noch nicht, wer uns vor der eigenen Haustür angegriffen hat. Die freundlichste Deutung dieses Totalversagens ist, dass unsere Regierung aus inkompetenten Gauklern besteht, die man weder in Moskau noch in Washington noch in Oslo ernst nimmt. Im schlimmsten Fall aber heißt es etwas ganz anderes: dass diese Regierung kein Interesse an Aufklärung hat, dass diese Regierung die Wahrheit unterdrückt, dass diese Regierung nicht im deutschen Interesse, sondern im Interesse des Auslands handelt. Anzeichen gibt es leider genug. Im Februar 2022 erklärte US-Präsident Biden während einer Pressekonferenz mit Olaf Scholz, dass man Nord Stream ein Ende setzen würde. Widerspruch von Scholz? – Fehlanzeige. Und erst diese Woche hat „Die Zeit“ aufgedeckt, dass Außenministerin Baerbock systematisch mit ausländischen Regierungen zusammengewirkt hat, um den Bundeskanzler zu Leopard-Lieferungen zu zwingen. Eine solche Außenministerin, die kennt keine deutschen Interessen. Eine solche Außenministerin, die kennt auch kein Vaterland. Eine solche Außenministerin, meine Damen und Herren, der ist alles zuzutrauen. In dieser schwierigen Stunde ist es an uns, den gewählten Vertretern des deutschen Volkes, das zu tun, woran diese Regierung offenkundig scheitert. Wir müssen für Aufklärung sorgen. Wir müssen Wahrheit ans Licht bringen. Die im Raum stehenden Vorwürfe müssen vollständig und restlos aufgeklärt werden. Es muss aufgeklärt werden, wer die Drahtzieher und wer hier die Mitwisser dieses hinterhältigen Angriffs waren. Das deutsche Volk, lieber Herr Kuhle, hat ein Recht darauf, zu erfahren, wer uns angegriffen hat.