Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Jung, als ich gesehen habe, dass Sie sprechen, dachte ich, das könnte eine konstruktive Debatte werden. Sie sind in der Vergangenheit hier ja häufig als differenzierter Redner aufgetreten. Aber sowohl Ihre Rede als auch die vielen Zwischenrufe aus Ihrer Fraktion waren gleichermaßen von Polemik wie Unkenntnis der Sachlage geprägt. Ich bin meiner Kollegin Nina Scheer sehr dankbar, dass sie begonnen hat, ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen. Ich will daran gerne anschließen. Was ist in den letzten Monaten im Deutschen Bundestag passiert? Im letzten Herbst hat der Deutsche Bundestag mit Mehrheit, das heißt mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP, entschieden – Die Linke hat sich enthalten –, 200 Milliarden Euro Kreditermächtigungen zu erteilen, um ein Signal der Sicherheit an die Unternehmen und die privaten Haushalte zu geben – gegen die Stimmen der Unionsfraktion. Sie haben damals gesagt: Mensch, das kann doch nicht sein; die Regierung will sich einen Freifahrtschein geben; da müssen wir mit Nein stimmen. Wir als Koalition fanden das damals ein bisschen kleingeistig, weil wir uns daran erinnert haben, dass FDP und Grüne beispielsweise bei den Coronakrediten – ich glaube, das war sogar ein viel größerer Betrag – gesagt haben: Na ja, Krise ist Krise, da muss die Regierung handlungsfähig sein; wir stimmen zu, auch wenn wir nicht von allen Details überzeugt sind. – Diese Größe hatten Sie nicht. – Herr Frei, Sie haben gerade dazwischengerufen: Sie haben es falsch gemacht! – Wir haben uns damals gesagt: Na ja, wir lassen der Union mal die Chance, einen eigenen Vorschlag zur Finanzierung zu machen. – Schade, der ist leider ausgeblieben. In der Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss kam kein einziger Vorschlag, wie eine Energiepreisbremse, eine Strompreisbremse, eine Gaspreisbremse, ein Härtefallfonds, was auch immer zur Entlastung der Haushalte notwendig ist und finanziert werden sollte. Kein einziger Vorschlag! Das heißt, Sie haben gegen die Finanzierung gestimmt und nicht gesagt, was Sie stattdessen machen wollen, also beispielsweise Sozialleistungen kürzen oder anderes, was man sich hätte vorstellen können. Sie haben sich entschieden, so zu verfahren. Wir als Koalition haben trotzdem im Haushaltsausschuss gesagt: Die Union hat einen Punkt; einen Blankoscheck wollen wir nicht ausstellen. Deshalb sperren wir die Mittel erst mal. Die müssen dann einzeln im Haushaltsausschuss entsperrt werden. Das ist die parlamentarische Kontrolle, der wir uns alle gleichermaßen verpflichtet fühlen, auch die Regierungsfraktionen. Das war in der Vergangenheit nicht immer so; aber wir machen das hier im Parlament durchaus sehr ernsthaft. Deswegen werden jetzt nach und nach die Mittel entsperrt, beispielsweise für die Quartalstranchen der Strom- und der Gaspreisbremse. Und jetzt gab es auch den Entsperrungsantrag in Bezug auf die Härtefallhilfen. Was ist noch im letzten Winter passiert? Es gab zunächst eine Wirtschaftsministerkonferenz, eine Konferenz der Wirtschaftsministerinnen und ‑minister der Länder mit dem Bundeswirtschaftsminister. Die haben gesagt: Wenn wir neben den breitenwirksamen Entlastungen durch die Gaspreisbremse und die Strompreisbremse noch Fälle haben, die dadurch nicht abgedeckt sind, sogenannte Härtefälle, für die ein Härtefallfonds geschaffen werden soll, dann ist es durchaus klug, auch im Sinne eines vernünftigen Umgangs mit Steuergeldern, zu definieren, was Härtefälle sind. – Dazu gab es ein Eckpunktepapier, das gute Punkte enthält: Ein Härtefall zeichnet sich dadurch aus, dass bestimmte Kostensteigerungen nachgewiesen werden können. – Das halte ich für eine gute Idee. Deswegen haben wir in dieser Woche im Haushaltsausschuss gesagt: Wir geben die Mittel frei; aber die Härtefallregelung erfolgt bitte in Anlehnung an die gute, parteiübergreifende Vereinbarung, an der beispielsweise auch Herr Aiwanger und Herr Schulze beteiligt waren; Herr Schulze spricht ja auch gleich. An diesen Eckpunkten sollte sich die Härtefallregelung orientieren; das kann man sich ja durchaus vorstellen. Auf jeden Fall sollen Härtefälle gefördert werden und keine allgemeine Wirtschaftsförderung stattfinden; denn wir wollen gut mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler umgehen. Ich finde, das ist erst mal eine gute Variante, mit Steuergeldern umzugehen. Sehr gerne. Herr Spahn, ich danke Ihnen für Ihre Zwischenfrage, die es mir erlaubt, noch einige Aspekte darzustellen, auch mit Blick auf einen Zwischenruf, den Sie gerade gemacht haben, was sonst in meiner Redezeit eventuell schwierig geworden wären. Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass der Haushaltsausschuss vor zwei Wochen, also in der letzten Sitzungswoche, einen anderen Beschluss gefasst hat als in dieser Woche. Ich möchte zum Verfahren Folgendes sagen: Sie haben gerade den Ministerpräsidentenkonferenzbeschluss angesprochen bzw. die Vereinbarung, die auch in der anschließenden Pressekonferenz besprochen wurde. Ich habe gerade auf die Kriterien der Wirtschaftsministerinnen und Wirtschaftsminister verwiesen. Sie haben recht: Da stehen auch Öl und Pellets drin, als Wunsch, dass das doch bitte ermöglicht wird. Der Bundestagsbeschluss lautete anders; auch das muss man sagen. Es gab einen Entschließungsantrag, in dem es um Öl und Pellets bei privaten Haushalten ging. Da standen die KMU nicht drin. In der Tat gab es dann verschiedene Rückmeldungen. Herr Jung, Sie haben von einem Wortbruch gesprochen. Das fand ich ganz interessant. Als Herr Jung geredet hat, habe ich noch mal nachgeschaut – ich war mir schon vorher relativ sicher –: Verrückterweise liegt das Haushaltsrecht des Bundes gar nicht bei der Ministerpräsidentenkonferenz – die steht sogar gar nicht in der Verfassung –, sondern Artikel 110 Grundgesetz besagt – ich habe es noch mal nachgelesen –: Das Haushaltsrecht des Bundes liegt beim – halten Sie sich fest, Herr Jung! – Deutschen Bundestag, also bei uns allen hier. Und der Haushaltsausschuss hat dieses Recht wahrgenommen. Jetzt haben wir tatsächlich eine Veränderung. Wir sagen: Ja, für den Fall, dass es Härtefälle gibt, die mit Öl und Pellets zu tun haben, soll es die Möglichkeit der Förderung geben – das haben wir am Mittwoch so beschlossen; das ist die Grundlage –, aber bitte in Anlehnung an den Beschluss der Wirtschaftsministerinnen und Wirtschaftsminister. Weil Sie vorhin dazwischengerufen haben, es seien nur 25 Millionen Euro freigegeben worden, sage ich: Vielleicht lassen Sie sich von den Mitgliedern Ihrer Haushalts-AG noch mal kurz aufklären. Es sind 25 Millionen Euro in dieser Woche plus 375 Millionen Euro in der letzten Woche. Das sind nach meiner Rechnung 400 Millionen Euro, die grundsätzlich komplett, auch wenn ich davon ausgehe, dass das nicht passieren wird, für die Entlastung bei der Nutzung von Öl und Pellets und auch beispielsweise Flüssiggas – das ist ja eine unvollständige Aufzählung, wie Frau Scheer gerade richtig erwähnt hat – eingesetzt werden können. Da müssen Sie sich also keine Sorgen machen. Härtefälle, wenn sie vorliegen, werden vernünftig behandelt, übrigens auch im Bereich der Kultur. Jetzt möchte ich gern noch auf eine Pressemitteilung eingehen, die der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Anfang der Woche herausgegeben hat. Herr Haase, einen Satz darin fand ich sehr interessant. Er ging in etwa so: Während die Ampelhaushälter süß davon träumen, den Wirtschaftsstabilisierungsfonds nicht voll ausschöpfen zu müssen, haben die Unternehmen große Sorgen. – Das finde ich in zweierlei Hinsicht putzig: Erstens weil es diesen Wirtschaftsstabilisierungsfonds nur gibt – das haben wir gerade festgestellt –, weil wir ihn beschlossen haben – gegen Ihre Stimmen. Also, Sie wollen, dass Geld aus einem Fonds, den Sie für falsch halten, schneller abfließt. Zweitens finde ich das interessant, weil ich in der Vergangenheit hier häufig den Eindruck gewonnen habe, dass die Union sich den öffentlichen Finanzen, den Steuergeldern besonders verpflichtet fühlt. Deswegen finde ich den Vorwurf, dass wir Ampelhaushälter den Wunsch hegen, dass diese 200 Milliarden Euro Kreditermächtigung nicht voll ausgeschöpft werden, ein bisschen irritierend. Eine Kreditermächtigung ist ja keine Ausgabeverpflichtung. Wir haben diese Kreditaufnahme ja extra im Rahmen eines Wirtschaftsstabilisierungsfonds gemacht, der als Sondervermögen überjährig ausgezahlt werden darf, um die Sicherheit zu geben: Wenn es nötig ist, Gelder auszuzahlen, dann steht diese Bundesregierung, dann steht dieser Bundestag als Haushaltsgesetzgeber dafür bereit. – Das ist doch das Signal, das wir geben mussten, das Sie nicht geben konnten oder wollten, weil Sie die Größe dafür nicht hatten. Das zweite Signal ist natürlich: Wenn sich die Energiepreise anders entwickeln und wenn es gar nicht so viele Härtefälle gibt, wer soll sich dann darüber beschweren, dass nicht 200 Milliarden Euro ausgegeben, sondern weniger? Ich finde das durchaus gut. Ich nehme gerne weitere Möglichkeiten der Redezeitverlängerung entgegen. Uijuijui, Herr Haase, da haben Sie jetzt aber ein schweres Geschütz aufgefahren. Ich freue mich trotzdem über die beiden Bemerkungen. Wenn Sie so freundlich wären, sich für die Antwort noch mal zu erheben. Danke. – Zunächst zum ersten Punkt. Sie haben den Maßgabebeschluss durchaus bis zum Ende gelesen. In Bezug auf die Absprachen: Ich finde es ja gut, dass sich Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen miteinander und auch mit dem Bundeskanzler austauschen, oder auch, dass es Ministerkonferenzen gibt. Aber wichtig an diesem Maßgabebeschluss ist ja – ich hätte eigentlich gedacht, dass das Ihre Zustimmung trifft; ich glaube, Sie haben dem Teil vielleicht sogar zugestimmt, aber da bin ich nicht ganz sicher –, dass es auch bei solchen Vereinbarungen, wenn es sich um Haushaltsmittel des Bundes, also öffentliche Gelder, für die wir hier im Bundestag die Verantwortung haben, handelt, einen Parlamentsvorbehalt gibt. Ich würde mir eigentlich wünschen, dass Sie die Tradition, die ja auch die Unionshaushälter in der Vergangenheit hatten, dass es eine wirksame Kontrolle und eine wirksame Wahrnehmung des Haushaltsrechts durch den Bundestag gibt, auch fortsetzen. Nichts weniger tun wir. Dann gibt es Reaktionen darauf, und dann steuert man nach. Ich finde, das ist lernfähige Politik, und das haben wir sehr gerne gemacht. Zweiter Punkt. Sie haben noch einmal angesprochen: Wie ist das im letzten Jahr gelaufen? Sie haben ja keinen ganz konkreten Vorschlag gemacht. Sie haben ja gesagt: Das muss irgendwie im Kernhaushalt abgedeckt werden. – Jetzt haben wir bis zu 200 Milliarden Euro über die Zeit bis Mitte 2024 vorgesehen. Ich bin mir relativ sicher: Wir werden die 200 Milliarden Euro nicht ausschöpfen. Aber es geht ja nicht um 8 Milliarden Euro oder um 12 Milliarden Euro, bei denen man hätte sagen können: Na, durch kluge Umschichtung kriegt man das schon irgendwie hin. – Mit Ihrem Vorschlag, nämlich einfach mal in den Raum zu werfen: „Das kann ja im Kernhaushalt abgedeckt werden“, hätten Sie massive Kürzungen bei Sozialleistungen, im Gesundheitsbereich, bei Klimaschutz, in der Umweltpolitik, in der Entwicklungspolitik, also überall da, wo Sie dann umgekehrt immer sagen: „Die Regierung gibt nicht genug Geld aus“, vornehmen müssen. Das haben wir deswegen abgelehnt, weil wir es als unheimlich unseriös empfunden haben. Sie hätten ja die Möglichkeit gehabt, im Haushaltsverfahren einen konkreten Finanzierungsvorschlag zu machen, wenn Sie gesagt hätten: Nein, das wollen wir so nicht machen. Aber stattdessen nehmen wir das Geld daher oder daher oder daher. – Das haben Sie nicht gemacht. Ich glaube, das konnte die Union mal besser, und vielleicht wird es auch mal wieder besser. Meine Damen und Herren, ich komme zum Ende. Die Unternehmen können sich darauf verlassen, dass insbesondere dann, wenn es Rückmeldungen gibt, diese Regierung in der Lage ist, auch in einem Vorgang, der nicht ganz optimal gelaufen ist, nachzusteuern. Das haben wir diese Woche gemacht. Trotzdem bleibt richtig: Härtefälle müssen Härtefälle bleiben. Eine breite Entlastung erfolgt über andere Instrumente. Vielen Dank.