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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will das bestimmende Narrativ der Rede gleich voranstellen. Für alle ist doch hoffentlich
klar: Katastrophen abzuwenden und das Schlimmste aus einem Gesetz zu streichen, das macht ein schlechtes Gesetz noch lange nicht zu einem guten Gesetz.
Beifall bei der CDU/CSU)
So ist es auch bei Ihrem Vorschlag zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren. Sie haben das Schlimmste abgewendet. Dadurch ist das
schlechte Gesetz aber nicht zu einem guten Gesetz geworden.
Ich muss sagen: Ich bin von der Debatte ziemlich beeindruckt. Wie Sie sich hier trotzdem abfeiern können, dafür Chapeau!
Sie reden hier vom Deutschlandtempo. Wenn man in der Anhörung war, musste man aber zu der Erkenntnis kommen, dass statt Deutschlandtempo eher ein
Tempolimit vorgeschlagen war, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Besonders schön fand ich das Bild der FDP: Der Turbo wurde gezündet für die Beschleunigung von Verwaltungsverfahren.
Beifall bei der FDP)
Ich würde eher sagen: Sie haben versucht, das Aus für den Verbrennungsmotor vorzuziehen. Das ist nämlich die Realität, liebe Kolleginnen und
Kollegen.
Wir haben hier in der ersten Lesung substanzielle Kritik an Ihren Vorschlägen geübt, zum Beispiel an der Klageerwiderungsfrist, die Sie für Ihre
Umweltverbände einbauen wollten. Man muss sagen: Es ist gut, dass Sie das gestrichen haben. Trotz der Kritik, die wir geübt haben, war selbst für uns die
Expertenanhörung überraschend; denn nicht nur die Sachverständigen, die die Opposition benannt hat, sondern auch Ihre eigenen Sachverständigen haben Ihren
Gesetzentwurf substanziell als praxisfremd, als keinen echten Beitrag zu einer Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher Verfahren kritisiert.
Die stellen ja auch keine Gefälligkeitsgutachten, Herr Amthor! Was ist denn das für ein Verständnis von Debatte?
Dafür macht man doch Anhörungen!)
Ich will Ihnen mal eine Kostprobe Ihrer eigenen Sachverständigen geben.
Das sind Sachverständige, nicht unsere!)
Ich zitiere: „Die geplanten Regelungen sind … nicht nur nicht hilfreich, sondern … schädlich.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist das Ergebnis
gewesen, die Bewertung Ihres Gesetzentwurfs. Das sollten Sie etwas selbstkritisch zur Kenntnis nehmen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Jetzt kann man sagen: Wenn die eigenen Sachverständigen einen Gesetzentwurf so kritisieren, dann ist das ein Zeichen dafür, dass man seine
Sachverständigen besonders objektiv ausgewählt hat.
Dann kann man sagen: Das ist ein Zeichen dafür, dass die eigenen Sachverständigen besonders unvoreingenommen sind.
Ich sage Ihnen: Realistisch gesehen ist das ist ein Zeichen dafür, dass Ihr Gesetzentwurf besonders schlecht war, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das
ist die Realität.
Beifall bei der CDU/CSU
Immerhin muss man anerkennen: Sie sind lernfähig. Mit Ihrem Änderungsantrag im Rechtsausschuss haben Sie unsere Kritik beherzigt. Aber ich will es
noch mal sagen: Dadurch, dass man eine Katastrophe abwendet, wird ein schlechtes Gesetz nicht zu einem guten Gesetz. Sie haben die schweren Mängel Ihres
ursprünglichen Entwurfes abgeräumt, die, wie die Sachverständigen festgestellt haben, sogar zu Verfahrensverzögerungen geführt hätten; das haben Sie repariert.
Aber Sie haben trotzdem keine bedeutsame Beschleunigung auf den Weg gebracht. Vorschläge für eine systematische Verkürzung des Instanzenzugs im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren? Impulse für einen Pakt für Planungsbeschleunigung mit den Ländern? Bei all dem Fehlanzeige! Das Etikett einer
Planungsbeschleunigung hat dieses Minireförmchen nicht verdient, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Der große Wurf bleibt aus – das haben wir deutlich gemacht –; aber das ist auch nicht überraschend, weil das Beschleunigungspotenzial gar nicht im
Bereich der verwaltungsgerichtlichen Verfahren liegt, sondern, wie es Stephan Mayer und andere richtig ausgeführt haben, vor allem in den
verwaltungsbehördlichen Verfahren. Die Hauptprobleme liegen nicht beim Verwaltungsprozessrecht, sondern beim Verwaltungsverfahrensrecht und beim materiellen
Umweltrecht.
Das nennt man „Whataboutism“, Herr Amthor!)
Das Europarecht hätten Sie angehen müssen. Das Verhältnis von verwaltungsgerichtlichen Verfahren und verwaltungsbehördlichen Verfahren beträgt 2 : 8.
Die echten Probleme gehen Sie nicht an. Und um es auf ein griffiges Bild zu bringen: Statt den Stall voller Probleme im Planungsverfahren auszumisten, suchen
Sie die feine goldene Nadel im Heuhaufen. Das ist zu wenig, auch für Ihren Anspruch, liebe Kolleginnen und Kollegen. Minimalkonsense statt echter
Durchbrüche!
Beifall bei der CDU/CSU)
Ich will das in einen größeren Kontext einordnen. Wir sind hier am Freitagvormittag in der parlamentarischen Primetime. Was Sie uns servieren, ist ein
Minireförmchen der VwGO. Das freut natürlich jeden Freund des Verwaltungsprozessrechts – ich zähle mich ausdrücklich dazu –; aber für den Anspruch einer
Fortschrittskoalition ist das vielleicht doch ein bisschen wenig.
Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Fortschrittskoalition zeichnet sich nicht durch bunte Ankündigungen auf Social-Media-Kacheln, durch warme Worte
hier im Parlament aus; eine Fortschrittskoalition muss sich auch im Bundesgesetzblatt ablesen lassen.
Ja, übernächster Tagesordnungspunkt: Digitalisierung der Energiewende! Nächstes Beschleunigungsgesetz, das kommt! Gucken Sie mal
auf die Tagesordnung! Übernächster Tagesordnungspunkt!)
Aber dazu liefern Sie gar nichts, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Das ist von der Arbeitsfähigkeit dieser Koalition zu wenig. Sie sagen dann: Ja, das kommt alles noch. – Sie legen eine Entschließung vor und sagen:
Ja, wir machen die große Reform noch. – Das ist ein immer wiederkehrendes Muster. Das können Sie vielleicht noch ein paar Monate durchhalten; aber diese
Fortschrittskoalition wird zunehmend zu einer Ankündigungskoalition.
Das trifft auf unsere Kritik, das ist nicht im Interesse Deutschlands. Ihren Gesetzentwurf lehnen wir ab.
Beifall bei der CDU/CSU)
Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Dirk Wiese.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)