Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 80 Prozent der weltweiten biologischen Vielfalt befindet sich in den Tropen. Dort herrscht eine unglaubliche Anzahl an verschiedenen Ökosystemen, an unterschiedlichen Tier- und Pflanzenarten, aber eben auch an genetischen Ressourcen, die wiederum für Wissenschaft und Wirtschaft sehr wertvoll sind. ln vielen Fällen werden diese genetischen Informationen nicht dort genutzt, wo sie aufkommen. Forschungseinrichtungen, aber eben auch Unternehmen in den Industriestaaten nutzen diese, um Grundlagenforschung zu betreiben oder ihre Entwicklungsaktivitäten voranzubringen, zum Beispiel in der pharmazeutischen Industrie. Der Kollege Mack hat das gerade erzählt. Hier kommt das Nagoya-Protokoll ins Spiel. In diesem Protokoll werden der Zugang zu genetischen Ressourcen und auch die Aufteilung der durch ihre Nutzung gewonnenen Vorteile geregelt. Das klingt jetzt erst mal technisch; aber die Idee dahinter ist eigentlich großartig: Die Nutzer dieser Ressourcen zahlen an die Länder im Globalen Süden dafür, dass sie die Ressourcen, die ja genau aus diesen Ländern kommen, nutzen dürfen. Damit erhalten diese Länder nicht nur finanzielle Mittel, sondern es entsteht auch ein ökonomischer Anreiz, Biodiversität und gesunde Ökosysteme zu schützen. Der im Protokoll benannte Vorteilsausgleich umfasst aber nicht nur finanzielle Zahlungen, sondern zum Beispiel auch die Beteiligung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an entsprechenden Forschungsprojekten. Und das Protokoll bezieht nicht nur die genetischen Ressourcen an sich mit ein, sondern es regelt auch die Nutzung des traditionellen Wissens, das indigene Gemeinschaften über diese Ressourcen haben. Das Nagoya-Protokoll ist also geprägt von globaler Solidarität, Fairness und Verantwortung. Das Nagoya-Protokoll – auch das wurde schon gesagt – ist Teil des internationalen Übereinkommens über die biologische Vielfalt; 196 Staaten gehören heute dazu. Diese Länder haben sich dazu verpflichtet, die biologische Vielfalt zu erhalten, deren nachhaltige Nutzung sicherzustellen und gerechten Vorteilsausgleich aus der Nutzung ebendieser genetischen Ressourcen zu gewährleisten. Genau darum ging es auch bei der Weltnaturkonferenz in Montreal im vergangenen Dezember: Wie schaffen wir es, das weltweite Artensterben zu stoppen und die Natur als unsere Lebensgrundlage zu erhalten? Die Ausgangslage war nicht einfach: Aufgrund der weltweiten Pandemie musste die Konferenz mehrmals verschoben werden, Abstimmungen im Vorfeld waren sehr schwierig, und der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und die zunehmenden globalen Spannungen trugen ebenfalls nicht zu einer günstigen Verhandlungsgrundlage bei. Dennoch ist es gelungen, ein ambitioniertes Rahmenabkommen zum Schutz der Biodiversität zu beschließen: Bis zu 30 Prozent der Landes- und Meeresfläche sollen unter Schutz gestellt, 30 Prozent der zerstörten Ökosysteme wiederhergestellt, schädliche Subventionen reduziert werden. Das Montrealer Abkommen ist ein großer Erfolg, und das in zweifacher Hinsicht. Erstens beweist es, dass die internationale Gemeinschaft trotz aller Konflikte in der Lage ist, sich Regeln zu geben, um die großen globalen Krisen gemeinsam zu meistern. Neben der Klimakrise ist der Verlust der Artenvielfalt nämlich die größte Herausforderung, vor der die Menschheit in den nächsten Jahren stehen wird. Zweitens ist das Abkommen natürlich auch eine gute Nachricht für den Schutz der Biodiversität. Die vereinbarten Ziele sind ambitioniert, ihre Umsetzung ist messbar, und sie umfassen viele unterschiedliche Bereiche: von bestehenden Schutzgebieten über landwirtschaftlich genutzte Flächen bis hin zu umweltschädlichen Subventionen und der Rolle von Wirtschaft und dem Finanzsektor. Die Frage des fairen Umgangs miteinander, nicht nur in Bezug auf den Umgang mit genetischen Ressourcen, war in Montreal ein zentraler Konfliktpunkt. Auch dank der aktiven Rolle Deutschlands konnte diese Frage in den Verhandlungen gelöst werden. Ich möchte mich ganz herzlich bei denjenigen bedanken, die aus dem BMU, aber auch aus dem BMZ in den letzten Monaten sehr hart verhandelt haben, um dieses Ergebnis zu erzielen. Ab 2025 werden jährlich 20 Milliarden US-Dollar in Entwicklungs- und Schwellenländer fließen, die dieses Geld dann für Projekte zum Schutz der Biodiversität nutzen werden. Deutschland beteiligt sich daran über den Haushalt des BMZ und über die IKI, die Internationale Klimaschutzinitiative. Im Gegenzug müssen die Länder des Globalen Südens den effektiven Einsatz dieser Mittel nachweisen können. Natürlich gehört zum Schutz von Biodiversität auch, dass wir zu Hause unsere Hausaufgaben machen. Das 30-Prozent-Flächenziel muss umgesetzt werden. Wir haben hier viele Gebiete, die schon unter Schutz stehen, in unterschiedlichsten Schutzkategorien. Jetzt geht es darum, Qualität und Quantität der geschützten Gebiete zusammenzubringen. Wir haben natürlich auch viele Flächenziele. Wir wollen 30 Prozent der Landes- und Meeresfläche schützen. Wir wollen landesweit 20 Prozent der zerstörten Ökosysteme in einen guten Zustand bringen bzw. renaturieren. Wir brauchen Flächen für Wohnungsbau, für Infrastruktur, für Landwirtschaft und für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Das ist eine große Herausforderung. Deswegen ist strategische Flächenplanung heute auch wichtiger denn je. Klima- und Naturschutz sind keine Konkurrenten, sondern sie sind Verbündete. Wenn Moore wiedervernässt werden, wenn Auen und Flüsse renaturiert werden, wenn Wälder klimaresilient umgebaut und nachhaltig genutzt werden, dann hat auch das positive Auswirkungen sowohl auf die Artenvielfalt als auch auf das Klima. Mit dem Artenhilfsprogramm stellen wir sicher, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht zum Problem für Tierarten wird. Der Bund und die Windkraftbetreiber unterstützen damit gemeinsam Artenschutzprojekte. Auch hier: keine Konkurrenz, sondern gute gemeinsame Zusammenarbeit zwischen Klima- und Naturschutz. Noch in diesem Jahr soll die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt neu aufgelegt werden. Hier müssen ambitionierte und umsetzungsstarke Aktionspläne mit messbaren Zielen geschaffen werden, damit die Umsetzung und der Schutz der Biodiversität auch in Deutschland einen Aufschwung nehmen. Ich möchte uns alle ermutigen, dafür zu sorgen, dass alle relevanten Akteure von der Politik über die Wirtschaft und die Kommunen bis zur Landwirtschaft an einen Tisch kommen, um Zielkonflikte von vornherein auszuräumen. Das sind wir den kommenden Generationen schuldig. Lassen Sie uns die Ärmel hochkrempeln und nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten. Vielen Dank.