Das werden Sie übrigens nächsten Monat beim Equal Pay Day, beim Equal Care Day und beim Frauenkampftag auch anmerken, aber doch nichts dagegen tun. Das ist nicht nur ein Rückschritt für die Gleichstellung; das ist eine Bankrotterklärung. Und ja, auch das ist kein neues Problem; das hat die Frau Staatssekretärin schon sehr gut angemerkt. Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Kita-Katastrophe“, „Kita-System kollabiert“, „Kollaps mit Ansage“ – das sind die Schlagzeilen der letzten Tage. Klingt ganz schön dramatisch, oder? Ist es auch. Immer mehr Kommunen schränken die Öffnungszeiten der Kitas ein, weil es nicht genügend Fachkräfte gibt, um die Betreuung sicherzustellen. Die betroffenen Familien werden alleingelassen; sie müssen das irgendwie regeln. Klingt nicht nur ganz schön dramatisch, sondern auch ziemlich bekannt, oder? Ja; denn das ist kein neues Problem. Die Kolleginnen und Kollegen in den Kitas arbeiten nicht nur am Limit, sondern schon lange darüber hinaus. Nirgends sind die Krankenstände höher. 100 000 Fachkräfte fehlen akut, und diejenigen, die es gibt, werden verheizt. Von der Ausbildung direkt in den Burn-out – und auch das ist kein neues Problem. Familien müssen immer häufiger spontane oder langfristige Schließungen der Kitas ausgleichen, und sagen wir doch, wie es ist: Dann sind mal wieder die Frauen dran. Denn die übernehmen in den Familien sowieso schon 80 Prozent mehr Sorgearbeit als die Männer. Das heißt also: Sie nehmen Urlaub, sie reduzieren ihre Arbeitszeit, oder sie schmeißen sogar ihren Job hin. Die letzten Monate haben Sie hier immer reflexartig gerufen: Das ist Ländersache! – Ich dachte mir immer so: Ja, danke schön, ich mache das auch nicht erst seit gestern. Ich weiß das, Sie wissen das. Aber jetzt mal ehrlich: Das ändert doch nichts an der Situation. Und ich freue mich ja, dass ich jetzt ganz neue Töne höre: Bund und Länder müssen zusammenarbeiten; wir brauchen ein Sondervermögen. – Das ist ja klasse. Das Kitasystem ist massiv unterfinanziert; der Fachkräftemangel ist irrsinnig. Das können die Bundesländer nicht allein stemmen. Nur die Fachkräfte und die Familien mit ihren Höchstleistungen verhindern gerade das komplette Systemversagen. Und Ihre Reaktion ist: „Leider nicht unsere Verantwortung“? Doch! Eine bundesweite Krise zu beenden und gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, genau das ist unsere Verantwortung. Denn das bedeutet es für Kinder: nicht in die Kita zu ihren Freunden zu können, nicht ihren gewohnten Alltag leben zu können oder mit überforderten, weil überlasteten Erzieherinnen und Erziehern konfrontiert zu werden. Kinder haben ein Recht auf frühkindliche Bildung, Betreuung und Förderung. Besonders Kinder aus armen und benachteiligten Familien sind darauf angewiesen. Kita ist ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Kitas dichtzumachen, bedeutet soziale Ausgrenzung. Wir hatten im November einen Munitionsgipfel. Wir hatten im Januar einen Autogipfel. Aber was wir wirklich endlich brauchen, Frau Ministerin Paus und Kanzler Olaf Scholz – Frau Ministerin, ich freue mich, dass Sie hier sind –, ist ein Kitagipfel, bei dem Bund, Länder, Träger und Gewerkschaften endlich gemeinsam Lösungen entwickeln. Natürlich lösen wir die Probleme nicht von heute auf morgen. Aber überhaupt mal anzufangen, das wäre schon eine ganz schöne Sache; denn das, was jetzt passiert, reicht einfach nicht. Wir wissen doch, was fehlt – das sagen Sie ja auch alle –: Fachkräfte. Und wie kommen Kitas an Fachkräfte? Die Ausbildung und der Beruf müssen attraktiver werden. Das fängt bei einer angemessenen Bezahlung an. „Wer in sozialen Berufen arbeitet, der hat eine soziale Ader und braucht halt nicht so viel Geld“ ist, ehrlich gesagt, ein ziemliches dämliches Konzept. Wir brauchen mehr Kapazitäten für Ausbildung und Qualifizierung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern. Wir brauchen eine Kampagne, um Fachkräfte zurückzugewinnen, zum Beispiel mit einer Rückkehrprämie. Wir müssen die Arbeitsbedingungen verbessern, zum Beispiel mit einer Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich. Ja, eine ganz verrückte Idee, aber andere Länder haben das schon mit ziemlich guten Ergebnissen ausprobiert. Ich weiß, was wir dafür brauchen und was noch fehlt, das ist Geld. Ich muss mir von Ihnen immer anhören, dass Geld allein das Problem nicht löst. Stimmt. Man muss es auch in sinnvolle Konzepte investieren, zum Beispiel in die, die ich Ihnen gerade genannt habe. Insgesamt steigen die Kosten im Kitabereich seit 2008 um 2 bis 3 Milliarden Euro jährlich. Sie liegen aktuell bei knapp 50 Milliarden Euro pro Jahr. Und was steuert der Bund bei? Seit Jahren 3 Milliarden Euro, wenn man alles zusammennimmt. Das ist nicht mal ein Zehntel. Wir brauchen eine Kitaoffensive, und zwar jetzt. Ob sich Frau Ministerin Paus die dann ans Revers heftet oder Kanzler Scholz, das ist mir eigentlich herzlich egal. Aber machen Sie endlich mehr, als sich selbst zu beweihräuchern und sich einzureden, Ihre 2 Milliarden Euro im Rahmen des KiTa-Qualitätsgesetzes seien ausreichend oder das vollkommen planlos abgeräumte Projekt der Sprach-Kitas noch mal sechs Monate chaotisch weiterlaufen zu lassen sei ein großer Schritt zur Bindung von Fachkräften. Sie sehen doch, dass wir auf eine komplette Katastrophe zusteuern. Die Familien, die Kinder, die Fachkräfte brauchen uns. Und das Einzige, was ich höre, sind Ausflüchte, Kritik oder, wie heute, auch mal ein paar schöne Worte. Folgen Sie unseren Vorschlägen, oder machen Sie eigene. Es ist mir wirklich total egal. Wir freuen uns darauf, mit Ihnen gemeinsam voranzukommen. Unsere Unterstützung haben Sie. Aber ganz im Ernst: Machen Sie was, irgendwas!