Ich werde jetzt zurück zum Thema kommen. Es war interessant, wie die Union diesen Tagesordnungspunkt eingeleitet hat, und zwar hieß es – ich zitiere –: Berlin wächst. – Jetzt wäre mir neu, dass Berlin und Brandenburg womöglich über neue Staatsverträge oder so verhandeln. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau von Storch, es ist einfach nur ekelhaft, was Sie hier für Hass und Hetze verbreiten. Auf jeden Fall: Meines Wissens ist die Fläche von Berlin deutlich begrenzt und bleibt auch begrenzt. Ihre Konsequenz daraus scheint offenbar zu sein, diese begrenzte Fläche noch weiter konsequent zuzubetonieren. Das machen wir so nicht mit. Obwohl der Verkehrssektor einen großen Anteil der bundesdeutschen CO2-Emissionen verursacht, ist der Bundesverkehrswegeplan aus 2016 als zentrales Planungsinstrument für Straßen, Schienen und Wasserwege noch nicht an den gesetzlichen Klimaschutzzielen orientiert. Im Gegenteil: Durch die zahlreichen Straßenneu- und ‑ausbauprojekte, die teilweise schon seit Jahrzehnten im Bundesverkehrswegeplan stehen, wird das historische Verkehrsaufkommen ohne Differenzierung nach Klimaschädlichkeit weiter fortgeschrieben. Ziel des Plans kann es aber nicht mehr sein, mittels Neu- und Ausbauprojekten diese angenommene bzw. hochgerechnete zukünftige Nachfrage einfach zu befriedigen. Das Wachstum von Verkehr ist nämlich kein Naturgesetz; vielmehr müssen die Kapazitäten der Straßen an die politischen Ziele angepasst werden, die wir erreichen müssen. Ansonsten ist es einfach nur eine selbsterfüllende Prophezeiung, die Sie hier organisieren. Diese ambitionslose Verkehrspolitik müssen wir beenden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Denn moderne Verkehrspolitik muss gestalten und nicht verwalten. Moderne Verkehrspolitik muss den Menschen dienen und nicht die Menschen dem Verkehr. Deswegen haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir einen neuen gesellschaftlichen Infrastrukturkonsens brauchen, dass die Bedarfsplanüberprüfung die aktuellen Herausforderungen und politischen Ziele berücksichtigen muss. Wir können doch auch als Parlament nicht zwanghaft an irgendwelchen alten Plänen festhalten, die nichts mehr mit der Realität zu tun haben. Die Verkehrswissenschaft ist sich weitgehend einig, dass mehr Straßen auch mehr Verkehr bedeuten. „One more lane will fix it.“ Damit ist auf Deutsch gemeint: Eine zusätzliche Spur wird es nicht lösen. Diese Wendung ist zum geflügelten Ausspruch dafür geworden, dass die Hoffnung, mit mehr Autobahn und mehr Spuren den Stau aufzulösen, immer wieder enttäuscht wird. Induzierter Verkehr heißt das Fachwort. Gemeint ist: Neue Straßen oder mehr Spuren führen zu mehr Verkehr. Oder anders ausgedrückt: Wer Straßen ausbaut, macht den Stau nicht kürzer, sondern breiter. Mehr Verkehr aber, meine Damen und Herren, bedeutet höherer Energieverbrauch, mehr Lärm, mehr Luftverschmutzung. Alles Dinge, von denen wir weniger brauchen. Wenn wir nur noch Elektroautos haben, sind dann alle unsere Probleme im Verkehrssektor gelöst? Nein, auch Elektroautos brauchen Platz und verbrauchen Energie, und zwar in aller Regel mehr Energie als ein gut funktionierender ÖPNV. Deswegen: Ja, wir brauchen dringend eine Antriebswende; das ist klar. Wir wollen mehr Elektroautos. Aber wir wollen auch Verkehrsvermeidung und auch Verkehrsverlagerung hin zu Bus und Bahn. Dann klappt es auch mit einer schnellen Energiewende. Es ist deutlich geworden: Als Ampel sind wir uns nicht immer einig. Wir ringen um Prioritäten, wir ringen um das Tempo der Transformation, und wir ringen um Ambition beim Klimaschutz. Noch mal: Aus unserer Sicht als Grüne muss die Straßenbauplanung weniger am vermeintlichen Bedarf orientiert sein, vielmehr muss sie mit den politischen Zielen in Einklang gebracht werden. Das bedeutet, neue Prioritäten zu setzen. Das bedeutet eine wesentliche Verlagerung von der Straße auf die Schiene. Und zu den Prioritäten gehört auch: Bestehende Infrastruktur muss dringend instand gesetzt werden. Dies wurde von CSU-Verkehrsministern in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt. Tausende Brücken müssen saniert werden. Manche sind so marode, dass sie kurz davor sind, gesperrt zu werden, oder bereits gesperrt wurden. Das sind erhebliche Belastungen und Kosten für die Wirtschaft und unsere Gesellschaft insgesamt. Deswegen müssen wir dringend schneller werden mit der Sanierung. Alles andere wäre fahrlässig. Und wir müssen da am schnellsten handeln und am meisten Personal und Geld einsetzen, wo das Problem am größten ist. Deswegen haben wir als Koalition verabredet, dass der Erhalt vor Neubau stehen muss. Solides Wirtschaften bedeutet: Bestehende Infrastruktur muss funktionieren. Ja. Ja. Herr Lange, die Priorität, den Erhalt vor den Neubau zu setzen, haben wir klar im Koalitionsvertrag vereinbart. Ich bin Verkehrsminister Wissing dankbar, dass er Anfang letzten Jahres einen Brückengipfel einberufen hat, um die Bilanz darzulegen, wo wir stehen und wohin wir müssen. Ich finde, dass es wichtig ist, dass wir nun alle unsere Personal- und Geldkapazitäten darauf fokussieren, ein funktionierendes Netz für all diejenigen zur Verfügung zu stellen, die mobil sein wollen. Denn jeder weiß aus dem privaten Alltag: Prioritäten zu setzen und bewusst zu entscheiden, was wichtig und was nicht so wichtig ist, das führt zu ganz konkreter Beschleunigung. Deswegen ist es so wichtig, Prioritäten zu setzen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Ende. Leider kann ich nicht mehr über all die anderen vielen Dinge sprechen, die mir auch noch wichtig sind. Ich finde es nämlich wichtig, dass wir nicht nur über unsere Infrastrukturplanung sprechen, wenn wir überlegen, wie wir die Klimaschutzziele erreichen wollen, sondern wir müssen auch am Verkehrsrecht arbeiten und steuerliche Regelungen im Verkehrsbereich modernisieren. Aber darüber sprechen wir mit Sicherheit beim nächsten Mal. Vielen Dank.