Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Czaja, das ist ja misslich: Da hat man dann nach langer Zeit den Sprung vom Berliner Abgeordnetenhaus rüber in den Bundestag geschafft, und dann muss man die alten Reden noch mal auftragen, die man damals drüben gehalten hat. Es ist schon schade, dass dir nichts Eigenes eingefallen ist, seitdem du hier bist. Vor allem hast du zum Thema A 100 eigentlich gar nichts gesagt. Ihr habt extra einen Antrag vorgelegt und einen Tagesordnungspunkt aufgesetzt, und dann ging es um das Anfahren an der Ampel und um Stausituationen. Also, wir halten fest: Es ist Februar. Draußen ist es kalt. Da macht der Wahlkampf draußen nicht so viel Spaß; deswegen ist es sehr solidarisch, dass der Deutsche Bundestag – gestern mit dem Thema Wohnen und heute beim Thema Mobilität – die großen Abschlusskundgebungen der Parteien ins Warme, in diesen Saal, hineinverlegt hat. Dann machen wir das eben hier zusammen und reden ein bisschen über die Landespolitik in Berlin. Übrigens: Wahlkampf ist ja auch eine Zeit, die Menschen zusammenbringt; man ist nahe bei den Menschen. Sie, lieber Herr Czaja, sind jetzt nahe bei Ihrem Spitzenkandidaten Kai Wegner, das erste Mal in der Geschichte. Vor zwei Jahren haben Sie ja noch gesagt, Herr Wegner würde näher an Hans-Georg Maaßen stehen als an Angela Merkel. Jetzt rufen Sie dazu auf, ihn zu wählen. Es kann sich jeder selber seine Meinung bilden, wie ratsam es ist, ihm am Sonntag seine Stimme zu geben – nun ja. Zurück zum eigentlichen Thema, dem Ausbau der A 100. Das ist ja für die Stadt Berlin, für die Menschen hier, für die Verkehrspolitik durchaus eine wichtige Frage. Wir haben einen Bundesverkehrswegeplan, In dem der Ausbau der A 100 wie viele andere Vorhaben auch enthalten ist. Dieser Bundesverkehrswegeplan 2030 leitet auch uns in der Ampelkoalition ganz grundsätzlich, bis zu einer Ablösung durch einen Mobilitätsplan, an dem wir gemeinsam arbeiten. Doch auch im jetzigen Bundesverkehrswegeplan muss fortwährend überprüft und priorisiert werden. Selbst die Projekte des Vordringlichen Bedarfs in diesem Verkehrswegeplan können in ihrer Gesamtheit bis 2030 gar nicht umgesetzt werden. Das ist keine politische, sondern das ist erst mal eine rein mathematische Aussage. Die Kapazitäten geben es gar nicht her, das zu tun. Deshalb geht es uns in der Ampelkoalition um eine Bedarfsüberprüfung – da haben wir uns auf den Weg gemacht –, bei der fortwährend geguckt wird, wie sich die verkehrlichen Bedarfe in Städten eigentlich entwickeln. Die sind nämlich nicht in Beton gegossen, sondern die sind veränderbar, und zwar insbesondere durch aktive städtische Mobilitätspolitik, auf die wir alle dort, wo wir Verantwortung tragen, tatsächlich Einfluss haben. Wer aber in kurzer Zeit, bis 2030, mit begrenzten zur Verfügung stehenden Ressourcen Infrastrukturausbau beschleunigen will, der muss priorisieren. Wer wie Sie Beschleunigung ohne Priorisierung haben möchte, der produziert vorprogrammiertes Chaos. Alles zu priorisieren, einfach alles bauen zu wollen, was irgendwo mal aufgeschrieben wurde, ohne mit Sinn und Verstand zu gucken, was in welcher Reihenfolge gebraucht wird, das ist vorprogrammiertes Chaos, und das machen wir nicht mit, meine Damen und Herren. „Priorisierung“ ist das Stichwort. Priorisierung bedeutet, dass wir uns angucken müssen, wie wir das Angebot an Mobilität in unseren Städten und damit auch in Berlin so verbessern können, dass wir Einfluss nehmen können auf die Verhältnisse, die wir vorfinden. Wie können wir politisch Einfluss nehmen auf das Angebot? Da ist erstens die Infrastruktur als solche zu nennen. Die Mobilitätsbedarfe von Menschen sind weit weniger religiös, als Sie das politisch gerne diskutieren. Die Menschen kleben nicht quasi religiös an einem bestimmten Mobilitätsträger, sondern sie haben Mobilitätsbedürfnisse in ihrem Alltag, und sie wollen Antworten, wie man diesen gerecht werden kann. Transport von Arbeitsmitteln, Transport zur Arbeitsstelle, Erledigungen im Alltag, Kinder zum Sport bringen, Freizeitaktivitäten nachgehen – all das muss gewährleistet sein. Dafür ist es in unseren Städten notwendig, so auch hier in Berlin, beispielsweise die U‑Bahn auszubauen. Ich nehme die Kritik gerne an, dass der aktuelle Senat in 14 Monaten noch keinen Kilometer U‑Bahn gebaut hat. Aber, Herr Czaja, den Senat wollen Sie nicht anführen mit Ihrer Partei, der in 14 Monaten eine U‑Bahn baut. Ja, die BVG illustriert manchmal Bauarbeiten mit einem Maulwurf; aber das ist eben nur eine Illustration. Ganz so einfach läuft es in der Praxis am Ende eben doch nicht, meine Damen und Herren. Es geht um den Ausbau der Tram. Ich hätte Frau Jarasch gerne noch mitgegeben, dass es da beim Ausbau des einen oder anderen Projekts in der Stadt noch ein bisschen schneller gehen könnte. Es geht um den Ausbau des Busverkehrs – gerade auch am Stadtrand – hin zu einem Zehn-Minuten-Takt und vieles andere mehr. Worauf haben wir zweitens Einfluss, wenn es um die Angebotssituation geht? Auf den Preis. Und genau das hat die Berliner SPD unter Franziska Giffey als Regierender Bürgermeisterin zuletzt auch getan. Bevor das erste Mal hier in diesem Hohen Haus der Begriff des 9‑Euro-Tickets in den Mund genommen wurde, hatte Berlin bereits die Gebühren für unter 18‑Jährige im ÖPNV in der Stadt abgeschafft. Das ist Mobilitätspolitik, die die Jüngsten, diejenigen, die die nächsten Jahrzehnte den Verkehr in der Stadt bestreiten werden, frühzeitig daran gewöhnt, ihre Wege mit einem gut funktionierenden öffentlichen Nahverkehr tatsächlich auch zurücklegen zu können, und die übrigens auch Teilhabe ermöglicht, weil man dann eben nicht mehr verdammt ist, aufgrund der schlechten Einkommenssituation des eigenen Elternhauses in seinem Quartier am Stadtrand zu bleiben. Diesen jungen Menschen stehen in Berlin alle Türen und alle Stadtteile offen, weil hier konsequent eine Politik des Mobilitätsausbaus, aber eben auch der Bezahlbarkeit gefahren wurde. Das ist der richtige Weg, meine Damen und Herren. Es geht in Berlin jetzt konsequent weiter mit dem 29‑Euro-Ticket. Es ist schade, dass man neben dem eben besprochenen Deutschlandticket leider nicht ganz so viele klare Bekenntnisse hört, dass es in Zukunft auch solche Sachen wie das 29‑Euro-Ticket in Berlin geben soll oder das für Transferleistungsempfängerinnen und ‑empfänger eingeführte 9‑Euro-Ticket in Berlin, was es nach fester Überzeugung der SPD auch weiterhin geben sollte, damit Mobilität auch mit kleinem Geldbeutel möglich ist. Das sind die Möglichkeiten, auf die Angebotsseite bei der Mobilität unmittelbar einzugehen. Das hat etwas mit Priorisierungen in Haushaltsverhandlungen und bei anderen Stellen mehr zu tun. Man könnte übrigens auf der Angebotsseite noch hinzufügen: Es geht auch um gute Jobs. In Zeiten von Arbeitskräftemangel konkurrieren auch die öffentlichen Verkehrsträger mit vielen anderen Bereichen. Eine gute Bezahlung, gute Tarifabschlüsse, wie im letzten Jahr zwischen der kommunalen Seite und der BVG getroffen, mit ordentlichen Lohnsteigerungen für die Kolleginnen und Kollegen sichern eben auch ab, dass man genügend Beschäftigte hat, damit diese zusätzlichen Linien auch in den peripheren Stadtrandgebieten tatsächlich gefahren werden können, meine Damen und Herren. Das alles zusammen gehört zur Angebotsseite, die gestärkt werden muss, wenn Mobilität in der Stadt sich ändern soll und wenn wir nicht in Form eines quasi religiösen Glaubenssatzes an Verkehrsprognosen festhalten wollen. Es ist ja bemerkenswert, Herr Czaja: Sie fangen in Ihrer Rede an, darüber zu sprechen, wie sehr Berlin wächst, um dann einfach nur zu rezitieren, was in den Verkehrsprognosen steht. Hätten wir die Wohnungspolitik in Berlin auf der Prognose von vor 20 Jahren aufgebaut – das haben wir leider ein paar Jahre lang gemacht –, dass wir eine schrumpfende Stadt sind, dann wären die Probleme noch deutlich größer. Lassen Sie uns doch nicht wieder den Fehler machen, einen ganz wichtigen Infrastrukturbereich als unveränderlichen Parameter zu begreifen, auf den gar kein Einfluss genommen werden kann. Politik hat die Möglichkeit, durch klügere und bessere Angebote Einfluss zu nehmen. Dafür braucht es aber eine seriöse gemeinsame Diskussion. Nach vielen Wochen des Wahlkampfes hier in Berlin muss ich jetzt wirklich deutlich sagen: Ich mache mir Sorgen um die Spaltung in der Diskussion, gerade beim Thema Verkehrspolitik. Ich bin als Sozi unverdächtig, zu wollen, dass Konservative und Grüne zusammen irgendwelche Regierungen in meiner Heimatstadt bilden. Aber ich will auch nicht, dass die Verkehrspolitik von beiden Seiten genutzt wird, um die Menschen aufzuwiegeln, dass in einer Stadt mit so unübersichtlichen politischen Verhältnissen beide Seiten eine Zusammenarbeit schon jetzt ausschließen und dass Menschen in der Stadt aufgewiegelt werden, während gleichzeitig die Lebensrealität vieler Menschen am Stadtrand ausgeblendet wird. Die sagen nämlich: „Meine Wirklichkeit wird gar nicht gesehen“, während die einen Schaufensteranträge machen und die anderen sich um 600 Meter Friedrichstraße kümmern. Meine Damen und Herren, bitte zurück zur Sachlichkeit! Wir haben eine große Aufgabe im Bereich Mobilität in unseren Städten zu bewältigen. Lassen Sie uns das in einem anständigen Ton machen, ohne die Leute aufzuwiegeln! Lassen Sie uns das Angebot verbessern, damit Mobilität sich ändert und wir eine tatsächlich klimagerechte Mobilität in unseren Städten umsetzen können! Das ist keine Glaubensfrage, das ist eine Politikfrage. Dafür sind wir doch hier, meine Damen und Herren.