Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages! Meine Damen und Herren! In dem heute zur Debatte stehenden Gesetzentwurf heißt es, das Deutschlandticket sei – Frau Präsidentin, ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis – Das wird nur gelingen, wenn wir den Menschen echte Alternativen zum Auto anbieten. Nur mit einem attraktiven ÖPNV wird es gelingen, die Menschen davon zu überzeugen, auf klimaschonende Verkehrsmittel umzusteigen. „eine neuartige Maßnahme mit bundeseinheitlicher Wirkung“. Das nenne ich eine gelungene Untertreibung! Das Deutschlandticket ist vielmehr eine Zäsur für den öffentlichen Personennahverkehr im ganzen Land. Es ist eine Chance, die aus der Krise entstanden ist, eine Chance für eine nachhaltige Veränderung, entstanden aus dem Wunsch, die Menschen in Deutschland in der Energiekrise kurzfristig zu entlasten. Allerdings wird es eine solche nachhaltige Veränderung nur dann geben, wenn das günstige Ticket konsequent verbunden wird mit einer Sanierungs- und Ausbauoffensive für das deutsche Schienennetz. Ziel aller weiterer Investitionen und Maßnahmen muss es sein, den Verkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern und es immer mehr Menschen zu ermöglichen, ihr Auto stehen zu lassen. Wenn das Deutschlandticket in eine solch konsequente Verkehrswendestrategie eingebettet wird, dann kann es im Ringen um eine klimafreundliche Mobilität in Deutschland ein echter Gamechanger werden. Eine Zäsur ist das Deutschlandticket natürlich auch hinsichtlich der komplizierten Tarifstrukturen in diesem Land. Für die Fahrgäste mit Deutschlandticket spielt es künftig eben keine Rolle mehr, ob für eine innerstädtische Fahrt in Herne die Preisstufe A1, A2 oder A3 gilt oder vielleicht Kurzstrecke reicht oder ob die gewünschte Zielhaltestelle in München nun gerade noch so in der Zone M oder schon in Zone 1 liegt. Hier in der Bundeshauptstadt in Berlin haben wir das Glück, einen einzigen gemeinsamen Verkehrstarifverbund mit unserem Nachbarland Brandenburg zu haben, aber künftig wird es auch hier keine Rolle mehr spielen, ob die Fahrgäste gerade noch im Tarifgebiet B oder schon im Tarifgebiet C unterwegs sind. Das ist ein großer Schritt voran. – Ich stelle fest, dass die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus etwas disziplinierter ist, aber das ist in Ordnung. Das ist ein großer Schritt voran in einer Region, in der täglich 300 000 Menschen über die Ländergrenze hinweg hin- und herpendeln. Diese Transparenz und Einfachheit macht den ÖPNV in Deutschland ab dem 1. Mai deutlich attraktiver. In der aktuellen Energiekrise allerdings ist für viele Menschen ein anderer Faktor entscheidend: Das Deutschlandticket ermöglicht Mobilität zu einem günstigen Preis. Was das bedeutet, haben wir im vergangenen Sommer gemerkt, übrigens mit deutlicher Ambivalenz. Das 9‑Euro-Ticket war für die Verkehrsunternehmen, die Länder und die Deutsche Bahn zunächst mal eine große Herausforderung. Es hat Kapazitätsgrenzen aufgezeigt, und vor allem hat es die Beschäftigten extrem gefordert. Ich möchte daher an dieser Stelle allen Beschäftigten danken, die die schnelle Umsetzung dieser Entlastungsmaßnahme bundesweit ermöglicht haben. Es hat aber auch klargemacht: Der Kostenfaktor entscheidet mit darüber, ob Menschen auf den ÖPNV umsteigen. Natürlich hat das 9‑Euro-Ticket zunächst vor allem auch schon die bisherigen ÖPNV-Nutzer/-innen konkret entlastet. Darüber hinaus haben es – zumindest in unserer Region – vor allem Menschen genutzt, die sich sonst Mobilität nur eingeschränkt leisten konnten, wenn überhaupt. Es hat also soziale Teilhabe ermöglicht. Ziel muss aber darüber hinaus sein, dass die Menschen auch vom Auto auf die Bahn umsteigen. Auf ihr Auto verzichten werden Menschen allerdings erst dann, wenn sie sich darauf verlassen können, dass der Preis dauerhaft günstiger ist. Deshalb freut es mich sehr, dass es in den Verhandlungen der Länder mit dem Bundesverkehrsminister Dr. Wissing gelungen ist, eine bundesweite Regelung auch für ein Jobticket zu etablieren; denn sie wird Millionen von Pendlerinnen und Pendlern, von Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmern ein vergünstigtes Ticket bieten. Ich bin sicher, dass angesichts des Fachkräftemangels in diesem Land viele Unternehmen diese Chance nutzen werden, um Fachkräfte an sich zu binden. Die Länder können außerdem weitere Vergünstigungen für diejenigen schaffen, die sich ein 49‑Euro-Ticket im Monat nicht leisten können. Dazu gehören beispielsweise Auszubildende und Studierende. Auch hier hoffe ich auf eine bundesweite Lösung auf der Grundlage des 49‑Euro-Tickets. In Berlin und in Brandenburg werden wir aber auch aus eigener Kraft weitere Vergünstigungen auf dieser Grundlage schaffen. Sehr geehrte Damen und Herren, in den kommenden sieben Jahren müssen die Treibhausgasemissionen des Verkehrs im Vergleich zu 2019 um knapp 50 Prozent reduziert werden. Nur so erreichen wir die Klimaziele. 50 Prozent in sieben Jahren, das ist ein echter Kraftakt – und auch das ist eine gelungene Untertreibung. Als Bundesländer sehen wir daher die große Chance, die im Deutschlandticket liegt. Wir sind bereit, diese Chance zu ergreifen und sowohl finanziell als auch operativ unseren Beitrag zu leisten. Wir erwarten allerdings Konsequenz vonseiten des Bundes. Hier spreche ich im Namen aller 16 Bundesländer zu Ihnen: Wir brauchen in den kommenden Jahren massive Investitionen des Bundes in die Schiene, sowohl durch eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel für die Länder als auch durch eine deutliche Verstärkung der Mittel für die DB Netz. Wie sehr das Netz an seine Grenzen gekommen ist, bekommen wir in Berlin täglich zu spüren, wenn auf den meistgenutzten Strecken unserer Stadtbahn die massiven Verspätungen im Fernverkehr den Nahverkehr zum Erliegen zu bringen drohen. Das muss sich ändern. Daher kommt es in den nächsten Jahren entscheidend darauf an, wo der Bund bei seinen Investitionen Prioritäten setzt. Wir brauchen in den nächsten Jahren Milliardeninvestitionen, aber in eine moderne Schieneninfrastruktur, nicht in den Bau neuer Autobahnen. Wie schnell sich Prioritäten verlagern können, das sehen wir heute; denn schließlich ist es alles andere als selbstverständlich, dass Ihnen dieser Gesetzentwurf heute überhaupt vorliegt. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr mahnte der Bundesrechnungshof noch in einem Sonderbericht an den Bundestag, den Bundesrat und die Regierung eine einfache und klare Finanzierung des ÖPNV an. In dem Bericht heißt es: Einfache, klare Regeln würden dazu beitragen, dass die Bundesmittel mehr bewirken – für einen attraktiven, klimafreundlichen Nahverkehr. Steuergelder müssen mehr für den ÖPNV bewirken. Eine leistungsfähige Infrastruktur und attraktive Angebote erhöhen den Anreiz, vom Auto auf den ÖPNV umzusteigen. Meine Damen und Herren, heute liegt Ihnen ein Gesetzentwurf vor, der genau das ermöglicht. Ich freue mich darüber, und ich freue mich auf die nächsten Schritte auf dem Weg zu einer klimafreundlichen Mobilität in Deutschland. Haben Sie den Mut, hier konsequent voranzugehen! Ich bin ganz sicher: Gemeinsam können wir das schaffen. Vielen Dank.