Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf den Tribünen! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich mit meiner eigentlichen Rede beginne, möchte ich die Gelegenheit nutzen, um mich hier herzlich zu bedanken. Ich selbst bin in Adana geboren, in einer Stadt, die, wie weite Teile der Türkei und Syriens, vom Erdbeben betroffen ist. Ich bin mit vielen Menschen aus der Region in Kontakt, die mir direkt von der schrecklichen Katastrophe berichten. Der Schmerz, den dieses Erdbeben bei all jenen hinterlässt, die ihre Liebsten verloren haben, ist nicht in Worte zu fassen. Mit großer Dankbarkeit erfüllen mich die Anteilnahme und die Hilfe aus Deutschland. Deshalb auch im Namen meiner Bekannten, Freunde und Familie vor Ort vielen herzlichen Dank! Auch wenn es mir jetzt schwerfällt, komme ich zum Tagesordnungspunkt zurück. Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Deutschland ist ein Einwanderungsland. Mehr als jeder vierte Mensch in Deutschland hat eine Migrationsgeschichte. In der jungen Generation sind es sogar deutlich mehr. Warum ist es so wichtig, das hier zu betonen? Weil der SPD-Gründervater Ferdinand Lassalle recht hatte, als er sinngemäß sagte: Alle großen politischen Aktionen beginnen damit, auszusprechen, was ist. Alle politische Kleingeisterei besteht im Verschweigen der Realität. Der vorliegende AfD-Gesetzentwurf ist ein gutes Beispiel für diese Kleingeisterei. Die AfD verschweigt nämlich die Lebenswirklichkeit in Deutschland und will mit dem Staatsangehörigkeitsrecht zurück in die Vergangenheit. Einbürgerungen will die AfD nur noch im Einzelfall und nach Ermessen, wenn – ich zitiere – „das Gemeinwesen durch Hinzufügung eines loyalen Neubürgers im politischen Sinne gestärkt wird“. Unklar bleibt, was die Rechtsradikalen und Ewiggestrigen mit „Loyalität“ meinen könnten. Es ist gut, dass der Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall führt und ihr Verständnis von Loyalität im Blick hat. Liebe Demokratinnen und Demokraten, als Fortschrittskoalition sagen wir aber nicht nur, was ist; wir gehen weitere nötige Schritte. Wir sorgen nun endlich für einen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik. Mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht haben wir schon im vergangenen Jahr einen wichtigen Meilenstein gelegt. Und ja, wir modernisieren endlich auch das veraltete Staatsangehörigkeitsrecht. Menschen, die schon längst selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft sind, können die deutsche Staatsbürgerschaft schnell erhalten. So stärken wir unsere Demokratie und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Dabei bleiben zentrale Einbürgerungskriterien natürlich weiterhin erhalten. Das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung wollen wir als Einbürgerungsbedingung sogar konkretisieren. So stellen wir auch gesetzlich klar: Rassistisch und menschenverachtend motivierte Handlungen sind mit dem Grundgesetz und der Einbürgerung unvereinbar. Aber die AfD muss sich nicht sorgen: Wer in einer rechtspopulistischen oder reichsbürgerlichen Parallelgesellschaft lebt, bekommt die deutsche Staatsbürgerschaft nicht aberkannt. Vielmehr bemühen wir uns in unserem Kampf gegen rechts weiterhin auch um Ihre Integration. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein weiterer wichtiger Punkt unserer Reform ist die Mehrstaatigkeit. Auch hier möchte ich dem anfangs zitierten Lassalle folgen und aussprechen, was ist: Schon heute ist die Mehrstaatigkeit gängige Praxis. Die zahlreichen Ausnahmeregelungen sorgten zuletzt dafür, dass 69 Prozent aller Einbürgerungen – mein Kollege ist eben schon darauf eingegangen – unter Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit erfolgen. Wir wollen die Mehrstaatigkeit nun grundsätzlich zulassen und machen keine Unterschiede mehr nach Herkunftsländern. Wir wollen gleiche Pflichten und gleiche Rechte für alle. So sorgen wir übrigens auch dafür, dass Deutsche nach Erwerb einer weiteren Staatsangehörigkeit im Ausland ihre deutsche Staatsangehörigkeit nicht mehr verlieren. Ein weiterer Punkt, der mir besonders am Herzen liegt, ist, dass wir die Hürden für die Einbürgerung der Gastarbeitergeneration senken. Ihre Lebensleistung wollen wir wertschätzen und anerkennen. Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen, um sagen zu können, was ist, müssen wir den Menschen zuhören und im Dialog bleiben. Dazu hat die SPD-Bundestagsfraktion vor wenigen Tagen hier im Reichstag zu einer Migrationskonferenz eingeladen. Nein. – Unzählige Engagierte und Fachleute sind unserer Einladung gefolgt. Ich bin dankbar für ihre wertvolle Arbeit. Dankbar bin ich auch für den guten Austausch, der zeigt: Unsere Reformen sind längst überfällig. Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen wir also die Kleingeisterei hinter uns, sehen wir gemeinsam, was ist, und haben wir den Mut, das auszusprechen und auch umzusetzen! Herzlichen Dank.