Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich den Gesetzentwurf der AfD zu Gemüte führt, dann gewinnt man unweigerlich den Eindruck, dass der Gestaltungsanspruch der AfD sich darin erschöpft, zur Welt von gestern und von vorgestern zurückzukehren. Der Gesetzentwurf zielt darauf ab, den Rechtszustand von vor 1992 wiederherzustellen und auf die Fragen von heute die Antworten von gestern zu geben. Das kann nicht funktionieren, meine Damen und Herren. Es war doch die alte Lebenslüge der Bundesrepublik Deutschland, zu sagen: Deutschland ist kein Einwanderungsland. Man hat bis in die 80er-Jahre hinein immer gesagt: Na ja, das sind Gastarbeiter, die irgendwann in ihre Heimatländer zurückkehren werden, und deswegen braucht es gar keine Integration. Aber diese Lebenslüge ist der Ursprung vieler Probleme, die wir heute noch haben. Deswegen muss die Lösung doch sein, genau anders vorzugehen und echte Integrationsangebote zu unterbreiten und nicht höhere Hürden zu schaffen oder wiederherzustellen. Richtig ist schon, dass Integration keine Einbahnstraße sein kann und dass Angebote zur Integration auch angenommen werden müssen. Das ist eine wichtige Voraussetzung. Aber wenn die AfD die Lösung in der Vergangenheit sucht, dann kann man nur sagen: Wer rückwärts in der Zeit schreitet, der kommt irgendwann beim Nullpunkt an, und die AfD ist noch nicht mal in der heutigen Wirklichkeit angekommen. Unser Ziel kann doch nicht sein, so eine Art sortenreines Staatsvolk zu schaffen oder zu bewahren, sondern unser Ziel muss doch sein, Menschen, die einen Beitrag leisten wollen und einen Beitrag leisten zum Gelingen unserer Gesellschaft, zu Vollbürgern zu machen und sie in unsere Gesellschaft zu integrieren. Das betrifft genauso die Generation der Gastarbeiter, die seit Jahrzehnten hier an unserem Wohlstand mitwirken, aber auch Menschen, die neu hier ankommen, aber sich eben schnell und sehr gut und vorbildlich integrieren. Für mich ist dabei die Zeit nicht das einzig Ausschlaggebende. Wichtig ist, dass wir gründlich prüfen, ob die persönlichen Voraussetzungen gegeben sind. Wir werden doch nicht die Staatsangehörigkeit wie Faschingskamellen unters Volk streuen. Aber es ist auch nicht der Heilige Gral, an dem nur die Ritter der Tafelrunde teilnehmen können. Wenn jemand nach fünf Jahren so weit ist, voll integriert zu sein, ist das doch eine schöne und eine gute Botschaft, die wir haben. Deswegen sage ich: Natürlich kann Einbürgerung nicht am Anfang einer Integrationsgeschichte stehen. Aber es ist auch nicht erst eine Belohnung ganz am Ende, nach langer, langer Zeit. Ja, es ist eine Station mitten in einer Integrationsgeschichte, und die staatsbürgerliche Integration geht doch noch weiter, wenn jemand eingebürgert worden ist. Deswegen sehe ich auch – anders, als Sie es dargestellt haben – Mehrstaatigkeit nicht als das Riesenproblem an. Es wird immer gesagt, da entstünden Loyalitätskonflikte. Aber schon jetzt ist es doch so, dass de facto fast 70 Prozent aller Einbürgerungen zur Mehrstaatigkeit führen. Das hat oft rechtliche oder auch manchmal politische Gründe. Aber dass aus der Mehrstaatigkeit als solcher besondere Problemlagen entstünden, kann man anhand der Statistik nicht nachweisen. Es kann eine ganze Reihe guter Gründe geben, weshalb jemand die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen will, ohne gleich die hergebrachte abzulegen. Das können rechtliche Gründe sein, erbrechtliche Gründe oder der Umstand, dass jemand noch Grundbesitz in der Heimat seiner Vorfahren hat. Das kann familiäre Gründe haben. Das kann auch wirtschaftliche Gründe haben, wenn jemand ein Unternehmen betreibt, das zwischen beiden Ländern Handel treibt. Für mich ist nur die Frage: Will man das unbegrenzt weiter vererben? Es ist, wie ich gesagt habe, eine Station mitten in einer Integrationsgeschichte. Aber irgendwann muss sie auch mal beendet sein. Deswegen muss man sich überlegen, ob das nicht auch einmal enden soll. Jedenfalls brauchen wir zeitgemäße Lösungen. Wir wollen nicht eine dauerhaft zweigeteilte Bevölkerung bei uns haben. Wir wollen Integrationsanreize setzen, Integrationsangebote machen. Aber wir haben auch die Erwartung, dass diese Angebote angenommen werden. Es gibt auch gewisse Integrationspflichten, wenn man Staatsbürger bei uns werden will. Das sind wirtschaftliche Aspekte – das ist schon gesagt worden –: Natürlich muss jemand für seine Familie selber sorgen können. Das sind rechtliche Aspekte: Es kann nicht sein, dass jemand im Dauerkonflikt mit unserem Strafrecht liegt, dass jemand unsere Grundsätze von Meinungsfreiheit, von Gleichberechtigung, von religiöser Toleranz nicht verinnerlicht hat. Es gibt auch kulturelle Aspekte, es gibt auch ungeschriebene Regeln, ohne die unsere Gesellschaft nicht auskommen kann, und natürlich muss die Sprache gesprochen werden; ohne dies kann Integration nicht gelingen. Wenn also jemand – damit komme ich zum Schluss, Frau Präsidentin – Deutscher werden will und die Voraussetzungen erfüllt, dann ist das eine gute und eine schöne Botschaft. Es ist genau das Gegenteil dessen geboten, was die AfD uns hier sagen will. Vielen Dank.