- Bundestagsanalysen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Radfahren wird immer beliebter, und das zu Recht. Das Rad ist zentraler Baustein auf einem Weg hin zu nachhaltigerer Mobilität. Dass wir deshalb unter anderem mehr für den Ausbau des Radwegenetzes tun müssen, das ist uns klar. Und das tut diese Koalition bereits, zum Beispiel durch die Verstetigung der Mittel für den Ausbau von Radwegen. Wie wichtig dieser Schritt ist, haben mir Kommunen und Verbände in zahlreichen Gesprächen bestätigt; denn in der Vergangenheit war das Hauptproblem in der Radpolitik, dass immer neue Strohfeuer an finanziellen Mitteln gar nicht die Planungssicherheit gegeben haben, die notwendig wäre, um das Rad wirklich als eine feste Alternative im Mobilitätsmix zu etablieren.
Ich selbst aber kenne – und das widerspricht der landläufigen Meinung – nur sehr wenige Leute, die sich als überzeugte Radfahrer outen oder als überzeugte Autofahrer oder Bahnfahrer. Nein, die meisten Menschen, die ich kenne, sehen das Ganze deutlich unideologischer, pragmatischer. Sie schauen sich an, welche Mobilitätsanforderungen sie in einer bestimmten Situation haben, und danach entscheiden sie. Wir brauchen diese Wahlfreiheit im urbanen wie im ländlichen Raum, und wir müssen attestieren, dass sie gerade beim Radverkehr tatsächlich noch nicht so ermöglicht ist, wie es sein sollte.
Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die politische Aufgabe, die daraus entsteht, besteht darin, gerade für den Radverkehr gute Angebote zu ermöglichen und diese dann clever auf andere Verkehrsmittel abzustimmen. Wie das geht, sehen wir ganz aktuell – leider nicht in Deutschland – am Hauptbahnhof von Amsterdam: Dort ist eines der modernsten Fahrradparkhäuser der Welt mit 7 000 Plätzen in Betrieb gegangen. Solche Projekte brauchen wir auch. Aber, so sehr ich solche Projekte schätze, ein „Fahrradland Deutschland“, wie es hier in dem Antrag genannt wird, entsteht nicht durch solche Parkhäuser, sondern durch innovative Konzepte wie Leihsysteme an Park-and-Ride-Stationen, an Bahnhöfen, durch die Verbreitung von Jobrädern und vor allem durch sinnvolle Stadtplanung. Und das ist ein Aspekt, der mir in der Debatte viel zu kurz kommt.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wie wollen wir die Städte der Zukunft bauen? Wie wollen wir sie anlegen, damit Radfahren bequemer, praxisnäher und sicherer wird, gerade auch im Hinblick auf die Vision Zero? Das Sonderprogramm „Stadt und Land“ hat da eine solide Basis gelegt; aber auch hier sehen wir massive Unterschiede in dem Engagement der Länder, wie diese Mittel abgerufen werden. Hier sind Licht und Schatten nahe beisammen.
Mit dem Stichwort „Licht und Schatten“ komme ich zum Antrag der Unionsfraktion. Er beginnt erst mit einem Lobpreis auf die eigene Regierungszeit, dann kommen ein paar blumige Worte zu den Erfolgen der Großen Koalition, ganz am Ende dann der Vorwurf, die Ampel würde nix tun. Und dann kommen tatsächlich ein paar Punkte, die untermauern sollen, was die Union besser machen will.
Zuruf von der CDU/CSU: Haben Sie den Antrag richtig gelesen?)
Und es sind tatsächlich diese Punkte, die aktuell schon in der Arbeit sind. Nach dem Studium dieses Antrags komme ich eigentlich nur zu einer Erkenntnis: Für einen Antrag mit der hochtrabenden Überschrift „Fahrradland Deutschland“ ist da erstaunlich wenig Fleisch am Knochen.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Zurufe von der CDU/CSU: Oah!)
Kaum ein Wort darüber, dass Kommunen mehr Spielraum brauchen bei der Gestaltung des öffentlichen Raums, weil die Menschen vor Ort eben am besten wissen, welche Verkehrsträger für welches Quartier am besten funktionieren. Unerwähnt bleibt, wie die Union städtebauliche Stellschrauben anpacken will, damit wir hier nicht nur in der Verkehrspolitik, sondern auch in der Anlage unserer Städte Fortschritte machen. Auch bleiben Sie Antworten schuldig, wie zum Beispiel Leihsysteme besser auf andere Verkehrsträger abgestimmt werden können, wie wir den Trend hin zu E-Bikes begleiten oder die Verbreitung von Jobrädern flankieren können. All das gehört für ein Fahrradland meiner Meinung nach dazu. Und wenn ich mir den Antragstitel anschaue, denke ich: Da wollen wir offensichtlich in der Champions League der Radpolitik mitspielen; mit Dänemark, mit den Niederlanden. Wenn ich mir dann aber die Realität hier anschaue, stelle ich fest: Das ist eine andere. Sie wollen die Regierung auf dem Rennrad vor sich hertreiben und kommen auf dem Hollandrad gerade so hinterher. Das ist nicht das Tempo, das wir brauchen.
Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, wir brauchen mehr Fahrradparkhäuser an zentralen Orten; aber das Zauberwort heißt hier „Intermodalität“. Moderne Mobilität sieht eben so aus, dass ich mit meinem Rad zum Bahnhof fahre, den Zug benutze, mir am Zielstandort ein Leihfahrrad oder einen E-Scooter hole. Und da bringt mir auch das schönste Fahrradparkhaus am Bahnhof nichts, wenn der Weg dorthin städtebaulich und verkehrlich ein reinster Hindernisparcours ist.
Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das Rad mag nie für alle Menschen oder für jede Situation die ideale Lösung sein – ich erinnere mich an die letzte parlamentarische Radtour, wo es geschüttet hat wie blöd –, aber dort, wo Menschen sich aktiv für das Rad entscheiden – und das wollen wir ermöglichen –, müssen wir dafür sorgen, dass es eine realistische, sichere und praktische Option ist. Ich freue mich, dieses Ziel in der Ampel weiterzuverfolgen.
Danke schön.
Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Nächster Redner ist Björn Simon für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)