- Bundestagsanalysen
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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Bedürfnis von Menschen, ein Dach über dem Kopf zu haben, einen persönlichen Rückzugsraum und ein Stück Heimat zu haben, das ist etwas ganz Elementares und von hoher gesellschaftlicher Relevanz. Deswegen ist es auch absolut richtig, dass die Ampel sich in ihrem Koalitionsvertrag das ehrgeizige Ziel gesetzt hat, jedes Jahr 400 000 neue Wohnungen zu bauen.
Ein eigenes Bauministerium hat man dazu geschaffen. Dieses neue Haus wurde mit Klara Geywitz besetzt, mit einer engen Vertrauten von Olaf Scholz. Man hat dann ein Bündnis für bezahlbaren Wohnraum ins Leben gerufen, viele Tausend Stunden hat man verhandelt. Olaf Scholz hat es sich als Kanzler nicht nehmen lassen, die Ergebnisse des Bündnisses mit zu präsentieren, hat sich in diesem Zusammenhang selber als Kanzler für bezahlbaren Wohnraum bezeichnet, hat also dieses Thema zur Chefsache gemacht.
14 Monate ist diese Bundesregierung nun im Amt, und da kann man schon mal fragen: Wie ist eigentlich die Situation heute? Da muss man schon feststellen – das kann man mit einem Wort sagen –: Die Situation ist verheerend. Anspruch und Wirklichkeit dieser sogenannten Fortschrittskoalition klaffen meilenweit auseinander. Statt der 400 000 Wohnungen werden es im Jahr 2022 wahrscheinlich 250 000 sein. In diesem Jahr, 2023, werden es nur 200 000 sein.
Die „FAZ“ hat im Dezember getitelt: „Deutschland vor dem Baustopp“. Heute, meine Damen und Herren, sind wir schon einen Schritt weiter: Wir sind nicht vor dem Baustopp; wir haben einen Baustopp. Deutschlands größter Vermieter, die Vonovia, hat angekündigt, im Jahr 2023 keines von den geplanten Neubauprojekten mehr umsetzen zu können, weil die Bedingungen sich so verschlechtert haben.
Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)
Der GdW geht davon aus, dass ein Drittel aller für die kommenden Jahre geplanten Wohnungen nicht gebaut werden kann. Deswegen ist das, was Sie sich als Ampel vorgenommen haben – 1,6 Millionen Wohnungen in dieser Legislaturperiode zu bauen –, absolut nur noch Makulatur. Es wird vermutlich nicht einmal die Hälfte sein. Ich finde, das ist ein wirkliches Armutszeugnis, was Sie sich hier ausstellen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Eigentlich ist die Situation auch noch viel dramatischer, weil – darauf hat die Bauministerin erst vor wenigen Wochen zu Recht hingewiesen – der Bedarf eigentlich noch viel höher ist als diese 400 000 Wohnungen: Wir brauchen nicht nur 400 000 Wohnungen, sondern sogar 600 000 Wohnungen.
Dass wir das nicht schaffen, so wie ich das skizziert habe, das ist vor allen Dingen für diejenigen Menschen so dramatisch, die jetzt in den Schlangen bei den Wohnungsbesichtigungen stehen, wobei die Schlangen immer länger werden und sie am Ende keine Wohnung finden werden – Zehntausende, die am Ende keine Wohnung bekommen werden. Die wenigen Glücklichen, die eine Wohnung bekommen, die sind dann mit steigenden Mieten konfrontiert, weil das Angebot zu knapp und die Nachfrage dafür riesengroß ist. Diese Menschen lassen Sie im Stich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Ampel.
Beifall bei der CDU/CSU)
Was sind nun die Ursachen? Ich will gar nicht verhehlen, dass es natürlich externe Faktoren gibt. Die Situation des Angriffskrieges gegen die Ukraine hat natürlich dazu geführt, dass Zinsen gestiegen sind, dass die Materialpreise gestiegen sind, dass es auch Fachkräftemangel gibt. Das ist ein wirklicher perfekter Sturm, und das will ich der Bundesregierung und auch der Ministerin überhaupt nicht vorwerfen.
Haben Sie doch gerade!)
Aber es gibt eben auch hausgemachte Probleme.
Es sollte Ihnen schon zu denken geben, dass die maßgeblichen Verbände, die Unternehmen der Immobilienwirtschaft Ihnen vorwerfen, Sie gießen mit Ihrer Politik Öl ins Feuer, weil Sie ein beispielloses Förderchaos verursacht haben, das die Investitionssicherheit genommen hat, das Vertrauen der Investoren genommen hat. Sie werfen Ihnen vor, dass Sie die Förderung zusammengestrichen haben, dass Sie trotzdem immer noch strengere Baustandards auf den Weg bringen, was das Bauen teuer und am Ende das Wohnen eben unbezahlbar macht. Das ist Ihre Politik, die auch dazu führt, dass diese Ziele, von Ihnen selbst gesteckt, nicht erreicht werden.
Beifall bei der CDU/CSU)
Dann kommt eben noch hinzu, dass in Ländern wie Berlin über Enteignungen diskutiert wird. Da muss man sich ja schon ein bisschen wundern: Der Kanzler hat gerade in den letzten Tagen offensichtlich versucht, hier ein Machtwort zu sprechen. Er hat gesagt, Enteignungen finde er unverantwortlich, weil dadurch am Ende nicht eine einzige neue Wohnung am Markt entstehe.
Zuruf der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])
– Ja, da hat er absolut recht.
Darum geht es doch gar nicht!)
Ich frage mich nur so ein bisschen, ob sich da einmal wieder das offensichtlich sehr stark ausgeprägte Kurzzeitgedächtnis des Kanzlers zeigt – nicht nur bei Cum-ex, sondern auch an dieser Stelle –; denn er hat offensichtlich vergessen, dass die SPD Berlin, also seine Genossen hier, vor gar nicht allzu langer Zeit genau das Gegenteil beschlossen haben: Sie haben sich auf dem Landesparteitag für Enteignungen ausgesprochen,
Beifall bei Abgeordneten der SPD)
unter einer Landesvorsitzenden Franziska Giffey, die ganz offensichtlich ihren Laden nicht im Griff hat. Nicht anders ist es doch zu erklären, dass Franziska Giffey vor nicht mal einem Jahr gesagt hat: Enteignungen, das sei für sie eine rote Linie, die werde sie nicht überschreiten. Wenige Monate später sagt ihr eigener Landesverband genau das Gegenteil. Sie hat jegliche Glaubwürdigkeit an dieser Stelle verspielt. Gut, dass am Sonntag Wahlen sind und man sie abwählen kann, meine Damen und Herren.
Beifall bei der CDU/CSU)
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Frau Geywitz, Sie haben gleich das Wort. Sie haben sich selbst als „das Gesicht zur Baukrise“ bezeichnet. Das ist keine böse Zuspitzung eines Oppositionspolitikers; das sind Ihre Worte. Ich wünsche mir, dass Sie dieses Haus zu einem Schwergewicht machen. Die Vorschläge liegen auf dem Tisch, wie wir es schaffen, dass in diesem Land endlich der notwendige bezahlbare Wohnraum geschaffen wird.
Zuruf von der LINKEN: Ja, wie denn?)
Ich wünsche mir, dass Sie das, was die „FAZ“ vor wenigen Tagen gesagt hat –
Kommen Sie bitte zum Schluss.
– dieses Haus brauche niemand –, umdrehen, dass wir sagen: Dieses Haus ist eines der wichtigsten Ressorts für unser Land, für die Menschen in unserem Land. Da haben Sie aber noch viele Aufgaben vor sich. Nehmen Sie unsere Vorschläge, die wir gemacht haben, an und ernst,
Welche denn? War ja gar keiner dabei in der Rede!)
und dann klappt es auch mit den 400 000 Wohnungen.
Beifall bei der CDU/CSU)
Für die Bundesregierung hat das Wort die Bundesministerin Klara Geywitz.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)