Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hätten den Antrag auf Durchführung dieser Aktuellen Stunde selbstverständlich zurückgezogen, wenn der Bundeskanzler heute Morgen über die Entscheidung des Bundeskabinetts, nun doch Leopard-2-Panzer an die Ukraine zu liefern, im Wege einer Regierungserklärung nicht nur dieses Parlament, sondern auch die deutsche Öffentlichkeit informiert hätte. Stattdessen hat er darüber gestern Abend über die „Bild“-Zeitung informiert. Ich will hier für die CDU/CSU-Fraktion feststellen: Diese Entscheidung ist richtig. Wir halten sie für angemessen. – Und ich will hinzufügen: Niemand in diesem Haus tut sich mit einer solchen Entscheidung leicht. Wir haben am 28. April 2022 hier im Deutschen Bundestag gemeinsam beschlossen, der Ukraine auch mit militärischer Ausrüstung zu helfen. Wir haben beschlossen, auch schwere Waffen zu liefern. Im Laufe des Jahres 2022 hat sich die Notwendigkeit, Panzerwaffen zu liefern – auch Panzerwaffen westlicher Bauart –, als immer dringlicher erwiesen. Dies ist die Meinung nicht nur der Ukraine gewesen, sondern dies ist auch die Auffassung einer ganzen Reihe von Alliierten und Verbündeten in der Europäischen Union und in der NATO gewesen. Allein die Bundesrepublik Deutschland und die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland haben eine frühere Entscheidung darüber verhindert und verzögert. Ich will hier ausdrücklich dem Eindruck widersprechen, der heute Morgen in der Befragung des Bundeskanzlers entstanden ist, als ob dies alles sozusagen im Konsens mit allen Partnern in der Europäischen Union entschieden worden sei. Das Gegenteil ist richtig, meine Damen und Herren. Ich will es noch einmal unterstreichen: Niemand von uns tut sich leicht mit einer solch schwerwiegenden Entscheidung – niemand. Aber wir hätten schon erwartet, dass es darüber hier im Deutschen Bundestag eine intensivere Diskussion über die Begründung der Haltung der Bundesregierung in den letzten Wochen und Monaten gegeben hätte. Der Bundeskanzler hat die Öffentlichkeit und die Partner über Wochen und Monate im Unklaren darüber gelassen, warum er denn eine solche Entscheidung in diesem Umfang verzögert. Warum hat er diese Entscheidung erst so spät getroffen? Meine Damen und Herren, ich füge eine zweite Beobachtung oder eine zweite Feststellung hinzu: Die schrillen Töne über die Waffenlieferungen sind nicht aus der Oppositionsfraktion gekommen. Die schrillen Töne sind aus Ihren Reihen gekommen, aus der FDP- und der Grünenfraktion insbesondere. Wir sind hier immer zu einer sehr abgewogenen Beurteilung der Lage gekommen, trotz Ihrer Zwischenrufe. Wir haben allerdings eines von Ihnen erwartet – und diese Erwartung setzt sich fort –: Abstimmung in solchen Fragen mit unseren Partnern in der NATO und in der Europäischen Union; nicht eine Bundesregierung, die getrieben werden muss. Dass sie getrieben worden ist, haben doch die Ereignisse über den Jahreswechsel nun in aller Deutlichkeit gezeigt, bis hin zu der Ramstein-Konferenz in der letzten Woche, auf der es offensichtlich ein schweres Zerwürfnis zwischen dem amerikanischen Verteidigungsminister und einigen Vertretern der Bundesregierung gegeben hat. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat eine Chance vertan, und bei dieser Gelegenheit waren wir nun in großer Zahl dabei. Es waren auch Kolleginnen und Kollegen der SPD-, der Grünen- und der FDP-Fraktion am letzten Sonntag in Paris. Warum hat der Bundeskanzler diese Gelegenheit nicht genutzt, mit dem französischen Staatspräsidenten zusammen zu sagen, dass es in dieser Woche in dieser Frage eine gemeinsame Entscheidung der NATO-Partner, der Partner in der Europäischen Union und vor allem der französischen und der deutschen Regierung gibt? Warum hat der Bundeskanzler diese Chance nicht genutzt? Bei Ihnen in den Koalitionsfraktionen werden aus diesen Auseinandersetzungen der letzten Tage und Wochen einige Verletzungen zurückbleiben. Daran werden Sie sich gegenseitig regelmäßig erinnern. Das aber ist Ihre Sache – bedauerlich, aber Ihre Sache. Der Schaden, meine Damen und Herren, der in der NATO und in der Europäischen Union entstanden ist, dass man dieser Bundesregierung nicht trauen kann, dass man sie treiben muss, dass sie zu Entscheidungen gedrängt werden muss, dass sie zögert und zaudert und dass sie eben nicht das tut, was der Bundeskanzler mehrfach hier in seinen Reden und heute Mittag auch in seiner Befragung zum Ausdruck gebracht hat, nämlich mit den Partnern zusammen zu entscheiden, dieser Schaden, der bleibt, auch über den heutigen Tag der Entscheidung hinaus, die wir – ich will es noch einmal ausdrücklich unterstreichen – für richtig halten, die früher hätte getroffen werden müssen – – und die vor allem hätte getroffen werden müssen ohne diesen Schaden bei unseren Partnern in der Europäischen Union und in der NATO. Herzlichen Dank.