Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jin, Jiyan, Azadi – Zan, Zendegi, Azadi – Frau, Leben, Freiheit. Diese Worte in unterschiedlichen Sprachen dominieren seit nunmehr vier Monaten das Leben der Menschen im Iran und der iranischen Community weltweit, seit dem Tod Jina Mahsa Aminis. All diese mutigen Iranerinnen und Iraner geben nicht auf, für ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit zu kämpfen, und riskieren dabei weiterhin ihr Leben.
Es ist ein Leben in Angst und Schrecken, das das Terrorregime Irans verbreitet. Es ist ein letztes Aufbäumen der Machthaber, bevor die Mullahs ihre Macht verlieren. Seit Monaten werden Protestierende verfolgt, inhaftiert, vergewaltigt und im schlimmsten Fall sogar exekutiert. Es sind unfassbar grauenvolle Bilder dieser Schreckensherrschaft, deren Zeuginnen und Zeugen wir werden, weil eine aktive iranische Community das Grauen mit uns in den sozialen Netzwerken teilt. Das Schicksal der Inhaftierten, der zum Tode verurteilten mutigen Menschen lässt uns nicht kalt.
Durch sehr engagierte Aktivistinnen und Aktivisten sowie Kolleginnen und Kollegen – an dieser Stelle großen Dank an Ye-One – ist es gelungen, über 250 Abgeordneten der demokratischen Parteien eine Patenschaft für politische Gefangene zu vermitteln. Wir Patinnen und Paten machen Öffentlichkeitsarbeit. Wir schreiben die Botschaften an. Wir versuchen, den Opfern Namen und Gesichter zu geben.
Auch ich habe nun meine zweite Patenschaft übernommen. Ich setze mich ein für den 19-jährigen Friseur und Tattoo-Artist Mehdi Mohammadi Fard. Ihm wird vorgeworfen, einer der Anführer der Protestbewegungen zu sein – als damals 18-Jähriger! Vor wenigen Wochen hat er seinen 19. Geburtstag im Folterknast gefeiert. Er ist zweimal zum Tode verurteilt worden: einmal wegen „Krieges gegen Gott“ und einmal wegen „Korruption auf Erden“. Solch absurde und menschenverachtende Urteile dürfen niemals folgenlos für die Verurteilenden und Vollstrecker bleiben.
Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kerstin Vieregge [CDU/CSU])
Die skrupellosen Richter und Staatsanwälte, die gewissenlos bereit sind, das Leben eines jungen Menschen zu beenden, müssen sofort zur Verantwortung gezogen werden. Dieser Krieg gegen die eigene Bevölkerung muss enden. Wir rechnen es der mutigen Zivilgesellschaft im Iran hoch an, dass sie es geschafft hat, die schon lange herrschende Brutalität sichtbar zu machen. Sie haben dem Gesicht des Regimes endlich die Maske heruntergerissen und der Weltöffentlichkeit seine wahre Grimasse gezeigt. Niemand kann jetzt noch sagen, er hätte davon nichts gewusst.
Die ganze Welt wird Zeuge, wie der Terror im Iran regiert. Das Grauen ist nicht neu; aber es hat uns bislang nicht sonderlich interessiert, und auch Sie von der Union leider nicht. Die Haltung der Union ist da eher: Wenn die Menschen, die Sie doch so sehr unterstützen wollen, vor dem Terrorregime nach Deutschland flüchten, wollen Sie sie vielleicht dann plötzlich gar nicht mehr so doll schützen.
Menschenrechtsorganisationen sprechen inzwischen von bald 600 Toten. Darunter sind viele Kinder, die Zukunft des Landes, eines Landes, das sich damit seine eigene Zukunft zerstört. Über 20 000 Menschen sind in den Folterknästen des Mullah-Regimes eingekerkert, zu Bedingungen, die wir uns in den schlimmsten Albträumen nicht vorstellen wollen; von der systematisch eingesetzten sexuellen Gewalt gegen junge mutige Frauen will ich überhaupt nicht erst anfangen.
Trotzdem ist die Revolutionsbewegung im Iran auch eine Frauenbewegung, eine feministische Bewegung. Die Kollegen von der Union haben in dem aktuellen Antrag leider die enorme Bedeutung der Frauen bei dieser Protestbewegung vergessen. Und ich betone noch mal, liebe Union: Diese Proteste sind nicht – wie beim letzten Mal – ein „Testfall feministischer Außenpolitik“ oder sonst irgendeiner Politik; dort geht es um konkrete Menschenleben, die das Regime knallhart auslöscht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, an sich fordern Sie in Ihrem Antrag viele Dinge, die wichtig sind.
Dann stimmen Sie doch zu!)
Das sind allerdings viele Dinge, die bereits auf den Weg gebracht worden sind. Schon bei der letzten Debatte haben wir ausgiebig über die EU-rechtlichen Voraussetzungen und die damit verbundenen Hürden zur Listung gesprochen. Wir wollen diese Hürden überwinden.
Wir sind uns beim Ziel einig: Wir möchten auf diesen Terrorlisten die Revolutionsgarden und noch viel mehr Menschen sehen. Wenn Sie allerdings sagen, dass die Bundesregierung sehr zögerlich agiert, entspricht das leider nicht der Wahrheit. Auf unser Betreiben hin kam der UN-Menschenrechtsrat am 24. November 2022 zu einer Sondersitzung zusammen und hat dafürgestimmt, die Vorgänge im Iran unabhängig zu untersuchen.
So ist es!)
Diese Straftaten werden nicht folgenlos bleiben, und wir setzen uns natürlich auch weiterhin für die lückenlose Aufklärung ein. Die Liste der sanktionierten Menschen wird immer wieder neu erarbeitet, neu geprüft. Inzwischen – ich kann Ihnen gern die Liste geben – sind zahlreiche Organisationen und Menschen dort gelistet, und es wird kein Ende finden. Wir arbeiten mit unseren internationalen Partnerinnen und Partnern daran, dass der Beschluss, den wir fassen, auch rechtlich bindend ist.
Vielen Dank.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Für die AfD-Fraktion hat das Wort Eugen Schmidt.
Beifall bei der AfD)