Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Iran ist eine Revolution im Gang. Entweder Fortbestand eines brutalen Terrorregimes oder Freiheit des Volkes, das sind die Alternativen. Das Regime hat die Bedrohung erkannt und reagiert mit brutalster Gewalt: Gewaltanwendungen, Verhaftungen, Folterungen, Einsperrungen, Tötungen, Hinrichtungen. Am Anfang dieser Revolution steht Jina Mahsa Amini, deren Misshandlung und Ermordung durch die iranische Polizei eine Welle der Solidarität und des Protestes der Frauen im Iran ausgelöst hat. Diese Revolution ist eine Revolution der Frauen, meine Damen und Herren. Ein Erfolg der Frauen ist es, die Männer, das ganze Volk für diese Revolution gewonnen zu haben. Die Iranerinnen und Iraner kämpfen todesmutig für ihre Freiheit und gegen ein Terrorregime. Dennoch: Regime Change wird nicht von außen stattfinden, sondern kann nur von innen erfolgen, und die Iranerinnen und Iraner wissen das. Aber ich möchte an uns alle hier die Frage stellen: Wissen wir wirklich, was im Iran auf dem Spiel steht? Haben wir uns schon mal vorgestellt, was es bedeutet, wenn diese Revolution Erfolg hat? Die Selbstbefreiung des Iran hat eine Bedeutung, die weit über den Iran hinausgeht – das ist schon genug –, nämlich für die Region, für Europa. Es ist ein Weltereignis im positiven, im befreienden Sinne. Das steht auf dem Spiel, meine Damen und Herren. Deutschland bzw. die deutsche und europäische Außenpolitik könnten Teil dieser Entwicklung sein – durch Klarheit, durch Entschiedenheit, durch Beförderung der Frauen und Männer, die für ihre Freiheit kämpfen. Aber wie reagiert die deutsche Außenpolitik, wie reagiert die deutsche Außenministerin, die feministische Außenpolitik zu ihrem Programm und zu ihrem Anspruch erhoben hat? Am Anfang war viel Schweigen, und es ist viel Schweigen geblieben. Halbherzigkeit ist dominierend, ebenso endlose, ergebnislose Prüfungen und rhetorische Bekundungen. Eine Resolution im Menschenrechtsrat haben wir begrüßt und gelobt; aber man sollte sie nicht überschätzen. Es gibt Einzelsanktionen, die von der EU erlassen worden sind, und die wiederholte ritualisierte Einbestellung des iranischen Botschafters. Es ist alles richtig, aber es ist alles zu wenig. Das ist das sanktionspolitische Minimum, das diese Regierung leistet. Die Menschen im Iran, die Frauen, die setzen alles ein, die setzen ihr Leben ein. Wenn die Frauen und die Männer alles einsetzen, dann müssen die deutsche Regierung und die deutsche Außenministerin mehr einsetzen als das Minimum dessen, was man leisten muss. Es muss mehr gemacht werden! Oder ist das der Neuansatz der Außenpolitik? Ist das das Verständnis feministischer Außenpolitik, sich wegzuducken und nicht klar zu sein? Die historische Dimension, die dort stattfindet, wird von der Bundesregierung nicht erfasst; Sie werden ihr nicht gerecht. Es gibt eine Glaubwürdigkeitsfrage, bei der es um die Bereitschaft und die Entschlossenheit geht, alles dafür zu tun, die Islamischen Revolutionsgarden – das Zentrum, das Rückgrat der Macht und der Ausbeutung, der Korruption und der Wirtschaft – auf die EU-Terrorliste zu setzen. Das ist die Glaubwürdigkeitsfrage; daran müssen Sie sich messen lassen. Das ist der Dreh- und Angelpunkt. Frau Baerbock sagt, sie sei dafür. Sie hat im Oktober des letzten Jahres gesagt, sie prüfe, ob sich das erreichen lasse. Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, wir haben jetzt Mitte Januar 2023, ungefähr drei Monate später. Die Prüfung der Außenministerin ist noch immer nicht zu einem Ergebnis gekommen; sie prüft immer noch. Wir wollen keine prüfende Außenministerin, während Revolutionen für Frauen im Gange sind. Wir wollen eine handelnde Außenministerin, die Ergebnisse erzielt. Wir haben begründete Zweifel, ob sie es wirklich will. Ich habe an dieser Stelle im Plenum das Auswärtige Amt in der Fragestunde am 30. November 2022 gefragt: Setzt sich die Bundesregierung dafür ein, die Revolutionsgarden auf die Terrorliste zu setzen? – Für das AA hätte die Staatsministerin Keul sagen können: Ja, wir setzen uns dafür ein. – Dieses Ja hat sie nicht gesprochen. Warum spricht sie das Ja nicht? Sie hat stattdessen dem Plenum des Hohen Hauses eine rechtliche Auskunft gegeben; denn sie hat gesagt: Das setzt eine Strafverfolgung oder ein Strafurteil in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union voraus. Das liegt nicht vor. Ich stelle fest: Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26. Juli 2017 steht fest, dass die Aussage des Auswärtigen Amts hier vor dem Hohen Haus, abgegeben durch die Staatsministerin Keul, rechtlich falsch ist. Sie ist rechtlich falsch; denn der EuGH hat festgestellt: Das Terrorregime begrenzt sich nicht auf die Europäische Union, auf Terrorismus in Europa, sondern bezieht sich auf weltweiten Terrorismus. Das heißt, das AA muss weltweit der Frage nachgehen: Wo überall findet der Terrorismus der Revolutionsgarden statt? Gemacht wurde eine falsche Aussage. Jetzt frage ich mich: Wie kommt eigentlich eine falsche rechtliche Aussage in den Vorlesezettel der Staatsministerin? Das AA kennt doch die Rechtslage. Sie hat sie uns ja anschließend schriftlich zugeleitet. Das AA dokumentiert, dass diese Aussage falsch ist. Ich muss sagen: Wenn eine falsche Aussage abgegeben wird, dann, finde ich, ist eine Erklärung, vielleicht sogar eine Entschuldigung des Außenministeriums vor dem Hohen Hause dafür fällig, dass es das Hohe Haus falsch informiert hat. Das geht nicht. Ich komme zum Schluss. Die Präsidentin der Europäischen Kommission hat die Prüfung abgeschlossen. Sie hat vorgestern klar gesagt: Sie als Präsidentin unterstützt die EU-Terrorlistung der Revolutionsgarden. Die Außenministerin Deutschlands prüft; die Präsidentin der Kommission hat sich entschieden. Das Europäische Parlament – mein letzter Appell – hat sich heute praktisch einstimmig dafür ausgesprochen, die Revolutionsgarden auf die EU-Terrorliste zu setzen – praktisch einstimmig. Mit diesem Appell möchte ich schließen: Wollen wir uns nicht hier im Hause, die Koalitionsfraktionen und die Oppositionsfraktion der CDU/CSU, vornehmen, es dem Europäischen Parlament gleichzutun – – und uns in einem interfraktionellen Antrag dafür auszusprechen, die Revolutionsgarden auf die EU-Terrorliste zu setzen? Wir Demokraten sollten zusammenstehen gegen Terrorregime, und wir sollten auf der Seite der Freiheit und der Menschen stehen – für einen freien Iran. Wir appellieren und fordern Sie auf, dabei mitzumachen.