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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als der Élysée-Vertrag knapp 30 Jahre alt war, ist er mir ganz praktisch in Form des Schüleraustausches begegnet, bei einer Reise nach Frankreich, wie sie viele Millionen andere erlebt haben. Aber die Besonderheit war, dass uns damals gesagt worden ist, unsere Schule sei nicht weit weg von Oradour-sur-Glane, einem Ort, der für ein barbarisches Naziverbrechen steht. Hier wird deutlich, dass Freude über die deutsch-französische Aussöhnung auch mit Verpflichtung einhergeht, nämlich mit der Verpflichtung historischen Bewusstseins. Und wenn man sich überlegt, dass der deutsch-französische Freundschaftsvertrag 1963, also 19 Jahre nach Oradour-sur-Glane, geschlossen worden ist, dann müssen wir heute die Weitsichtigkeit und das große historische Moment loben. Wir sind de Gaulle und Adenauer zu tiefem Dank verpflichtet.
Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Deutschland und Frankreich haben sich angenähert, auch wegen der Menschen, wegen der Schüleraustausche, wegen der Städtepartnerschaften, wegen vieler Initiativen, vielleicht auch wegen Arte TV. Die Sprache ist ein Thema, das wir ansprechen müssen. Auch ohne Sprachkenntnisse ist man nicht sprachlos; aber richtiges Verständnis ist oft nur in der Sprache des anderen möglich. Deswegen ist es wichtig, dass wir den Anteil von 15 Prozent der deutschen Schüler, die Französisch lernen, erheblich steigern und damit auch ein Signal setzen, dass der Anteil französischer Schüler, die Deutsch lernen, erheblich verbessert wird. Eine solche gemeinsame Anstrengung liegt auch in unserem kulturellen Interesse.
In Frankreich sagt man „le moteur franco-allemande“, bei uns „deutsch-französischer Motor“. Das drückt aus, dass wir auch in der Politik ein Stück weit anders denken. Politik wird in Frankreich anders organisiert. Aber warum nicht mit dem Besten aus beiden Welten zu einem guten Ergebnis kommen, sich in den anderen hineinversetzen und auch ehrlich aufarbeiten, was zuletzt nicht gut gelaufen ist?
Der erste Reflex bei Corona war, die Grenzen zu schließen. Das war falsch. Wir dürfen uns nicht damit zufriedengeben, dass der TGV von Paris nach Straßburg für 500 Kilometer zwei Stunden und dann für die restlichen 300 Kilometer nach München dreieinhalb Stunden braucht!
Heiterkeit des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Wir müssen auch lernen, das, was bei unseren Nachbarn besser läuft, hier umzusetzen.
Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]
Da hätte ich auch noch ein Beispiel!)
Es geht aber um mehr als nur um Nachbarschaft. Es geht um den Sinn für Europa, aber nicht so verstanden, als dass Deutschland und Frankreich sich einigen und Europa folgt, sondern, dass Deutschland und Frankreich als starke Partner in Europa im Gespräch gerade mit den kleineren Staaten das Beste für unseren Kontinent suchen. Es ist Europa, das uns antreibt. Aber wir müssen auch gerade bei der Frage des bilateralen Verhältnisses einer guten Nachbarschaft stärker vorankommen.
Es geht um die Abstimmung bei wichtigen Themen in der Welt, die uns bewegen. Es geht um Sicherheitspolitik, um Klimaschutz, um Verteidigungspolitik, um eine gemeinsame Energiepolitik, aber auch um die Verteidigung der liberalen, demokratischen Ordnung. Es geht nicht darum, Routinen abzuarbeiten, sondern darum, etwas Neues, Historisches zu schaffen. Wir können nicht alle fünf Jahre nur auf die Verträge verweisen, die wir haben, sondern wir müssen uns überlegen, wie wir dieses gute nachbarschaftliche Verhältnis auch stark in die Zukunft überführen. Der richtige Moment dafür ist jetzt.
Wir werden zukünftig daran gemessen werden, ob wir jetzt richtig handeln, jetzt bei den Waffenlieferungen, jetzt bei der Abstimmung einer gemeinsamen Energiepolitik in Europa. Da darf ich Albert Camus zitieren, der gesagt hat: „La vraie générosité envers l’avenir consiste à tout donner au présent.“ Auf Deutsch: „Die wahre Großzügigkeit gegenüber der Zukunft besteht darin, alles der Gegenwart zu geben.“ Jetzt weiter für die deutsch-französische Freundschaft eintreten!
Dass wir am Sonntag in Paris sind, ist ein gutes Signal; aber es muss zur Gewohnheit und darf nicht zur Routine werden, dass wir uns abstimmen, die Sprache des anderen sprechen, uns begegnen. Vive l’amitié franco-allemande!
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Die letzte Rednerin der Debatte ist für die SPD-Fraktion Claudia Tausend.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)