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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade wurde wieder de Gaulle zitiert, und er kann sich nicht dagegen wehren, so zitiert zu werden. Ich möchte deshalb eines noch mal sehr deutlich sagen: Er wird hier von rechtsaußen vereinnahmt in einer Art und Weise, die absolut unerträglich ist. Wenn es etwas gibt, was für de Gaulle typisch war, dann, dass er in der Lage war, nach dem Zweiten Weltkrieg zu sagen: Wir machen es besser als nach dem Ersten Weltkrieg, wir gehen bewusst auf Deutschland zu. – Und das hat er in Frankreich gegen große Widerstände durchgesetzt. Ihn so zu vereinnahmen, wie Sie es hier und heute tun und wie es vorher schon bei Robert Schuman durch den Kollegen Kleinwächter der Fall war, das ist absolut unzulässig.
Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]
Zuruf des Abg. Norbert Kleinwächter [AfD])
Denn es wird den mutigen Gedanken dieser Männer nicht gerecht. Sie haben etwas für ihre Zeit und in ihrer Gesellschaft fast Unvorstellbares gesagt. Ich will nicht spekulieren, aber ich bin mir sicher, sie würden uns auch heute mit visionären Aussagen überraschen und nicht mit rückwärtsgewandtem Denken.
Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Die können sich nicht mehr wehren!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein dringender Appell ist, dass wir dieses wunderbare Jubiläum „60 Jahre Élysée-Vertrag“ zu drei Dingen nutzen: keine Exklusivität einkehren lassen, keine Routine erlauben und keine Selbstzufriedenheit zulassen. Was meine ich damit?
Erstens. Keine Exklusivität bedeutet, das deutsch-französische Verhältnis voll in den Dienst der EU als Ganzes zu stellen. Das ist außerordentlich wichtig. Weder Frankreich noch Deutschland sollen exklusiv davon profitieren oder gar ein Direktorium sein. Nein, diese Zusammenarbeit soll im Sinne der EU als Ganzes stehen. Das ist uns sehr wichtig.
Zweitens: keine Routine erlauben. Das ist, glaube ich, sehr, sehr wichtig, gerade in der jetzigen Situation, wo wir denken, dass wir irgendwie durchkommen. – Nein, wir kommen nicht irgendwie durch. Ich danke der Ministerpräsidentin, dass sie den großen Nachholbedarf beim Erlernen der Sprache des jeweiligen Nachbarlandes angesprochen hat. Da ist keine Routine erlaubt. Das betrifft auch die anderen Mechanismen, die wir haben. Wir dürfen jetzt nicht in irgendeiner Weise nachlassen. Zu den Grenzregionen: Wir haben gemerkt, wie schlimm es war, als die Grenzen geschlossen waren. Wir wollten uns als Parlamente – Assemblée nationale und Bundestag – einig sein, dass wir, egal wie groß die Krise ist, eines nicht mehr machen: keinesfalls mehr die Grenzen schließen.
Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Drittens. Wir sollten auch keine Selbstzufriedenheit zulassen. Das Erreichte ist wunderbar, aber das ist nicht genug. Es ist nicht genug, wenn ich daran denke, in wie vielen wichtigen Bereichen wir als Deutsche und Franzosen durchaus noch mehr aufeinander zugehen müssen. Die Kollegin Weeser hat richtigerweise die Energiepolitik angesprochen; aber das gilt auch für viele andere Dinge. In vielen Bereichen sind wir unterschiedlicher Meinung, sollten aber in der Lage sein, aufeinander zuzugehen, ob das bei der Art und Weise ist, wie wir unsere Verteidigung organisieren, wie wir sie einsetzen, wie wir die nötige Ausrüstung beschaffen oder wie wir mit den Exporten umgehen. Alle diese Punkte sind entscheidend.
Vielleicht ist auch der Zeitpunkt gekommen, an dem wir versuchen müssen, unsere gegenseitige Zusammenarbeit noch mal auf ein neues Niveau zu heben. Ich erinnere an den Vorschlag, der vor einigen Jahren gemacht wurde: Wieso nicht einen Staatssekretär, einen Ministre délégué, einsetzen, der dauerhaft in der Regierung des jeweils anderen Staates vertreten ist? Das wäre ein Upgrade, das sehr wichtig wäre, um die Vernetzung zu verstärken.
Mein letzter Punkt: die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung. Ich persönlich, liebe Kolleginnen und Kollegen, finde es schade, dass wir jetzt doch nur im kleinen Format in Paris tagen. Das Parlamentsabkommen sieht vor, einmal alle vier Jahre gemeinsam zu tagen.
Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Ich kenne die Gründe, ich kann sie verstehen. Aber es ist schade und eine verpasste Gelegenheit; denn Politik lebt auch von Symbolen. Die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung soll kein Biotop sein. Im Gegenteil: Wir wollen das Format ins ganze Parlament tragen. Lasst uns deshalb so schnell wie möglich diese gemeinsame Sitzung von Bundestag und Assemblée nationale nachholen.
Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
Für die Unionsfraktion hat das Wort Dr. Volker Ullrich.
Beifall bei der CDU/CSU)