Rede von Gast Gast in 79. Sitzung
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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ihre Exzellenz! Mesdames et Messieurs! Chers amis! Die SPD-Fraktion hat mir freundlicherweise etwas Redezeit abgetreten, damit ich als Bevollmächtigte der Bundesrepublik Deutschland für die deutsch-französischen kulturellen Angelegenheiten hier heute in diesem Hohen Haus anlässlich des 60. Jubiläums des Élysée-Vertrages sprechen kann.
Der Vertrag ist schon von meinen Vorrednern historisch eingeordnet worden: Es ist der Vertrag, der die Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich besiegelt hat. Und auch ich will noch einmal sozusagen eine Reise rückwärts und damit deutlich machen, was das damals, aus der damaligen Perspektive, denn tatsächlich bedeutet hat.
Ich glaube – Kollege Laschet hat das eben schon einmal gesagt –, dass es mit einem unfassbar großen Vertrauensvorschuss verbunden gewesen ist, diesen Weg zu diesem Zeitpunkt nach dem Geschehen so zu gehen. Ich finde, dass wir heute und in diesen Tagen insbesondere, da wir dieses Jubiläum begehen, immer noch unseren Freundinnen und Freunden in Frankreich für diesen Vertrauensvorschuss außerordentlich dankbar sein können. Wir sollten ihnen versprechen, dass wir sie nicht enttäuschen werden, dass wir das rechtfertigen, was man dort damals auf den Weg gebracht hat. Die ausgestreckte Hand, die dort gereicht worden ist, haben wir sehr gerne genommen, und wir halten sie fest, in guter Freundschaft.
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Ich kann aus einer der bereits benannten Grenzregionen, meinem Heimatland, dem Saarland, nur sagen, dass wir heute außerordentlich stolz darauf sind, wie viele andere auch, dazu beizutragen, dass nicht die Schützengräben weiter vertieft worden sind, sondern unsere Freundschaften weiter vertieft wurden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Freundschaftsband ist 60 Jahre lang gewachsen, stark geworden, und es hat schon vielen Bewährungsproben standgehalten. Auch das gehört, glaube ich, zu einer ehrlichen Betrachtung an diesem heutigen Tag. Es sind in den letzten Jahren Belastungsproben unterschiedlichster Art gewesen. Die Außenministerin hat eben darauf hingewiesen: Das gehört nun mal auch dazu, wenn man miteinander unterwegs ist. Das weiß jeder im Privaten, und so ist das eben auch im Staatlichen.
Ich will an diesem Tag auch auf den Punkt der geschlossenen Grenzen eingehen; denn das war ganz sicher eine der Belastungsproben. Ich kann das aus der Region berichten, und ich will uns allen an diesem Tag sagen, dass sich das niemals mehr wiederholen darf, meine sehr verehrten Damen und Herren. Geschlossene Grenzen sind keine Antwort, auf kein Problem.
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Und ja, sicherlich sollten wir an diesem Tag auch etwas zur jüngsten Debatte sagen, zu dem zu Recht oder zu Unrecht entstandenen Eindruck, dass es Missstimmungen gibt, gegeben hat oder was auch immer. Ich will nur sagen: Falls es sie überhaupt gegeben hat, sollte man sie auch als einen Weckruf bezeichnen. Ich war Ende des letzten Jahres in Paris, wie auch viele der Regierung, um diesen Ministerrat im Januar vorzubereiten.
Was ich dort erlebt habe, war eine große Ernsthaftigkeit bei wichtigen Themen dieser Zeit. Ich finde, nichts bringt mehr zum Ausdruck, dass wir Respekt voreinander haben, dass wir anständig miteinander umgehen, dass wir miteinander auch über die Dinge sprechen, bei denen wir nicht schon von Anfang an einer Auffassung sind. Wenn man das nicht machte und einfach darüber hinwegginge, wäre das der größte Ausdruck von Respektlosigkeit. Im Gegensatz dazu ist es Ernsthaftigkeit, was ich dort festgestellt habe. Ich finde, das zeichnet unser Verhältnis zueinander aus, und das sollte man nicht schlechtreden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wenn man ordentlich miteinander redet, zeugt das auch von Zusammenhalt, von dem Willen, Zusammenhalt zu organisieren. Das ist in der Tat das Signal, das ich mir vom Deutsch-Französischen Ministerrat am kommenden Wochenende wünsche: einen starken Schulterschluss zwischen unseren beiden Ländern. Denn eines ist doch allen Beteiligten klar: Nur Einigkeit macht gerade in diesen Zeiten stark, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Nicole Westig [FDP])
Ich gehöre jetzt nicht unbedingt zu denjenigen, die sich bei einer solchen Gelegenheit allein mit pathetischen Worten zufriedengeben. Deshalb will ich noch einen Blick auf die Punkte werfen, bei denen wir noch besser werden können. Ich, aus einer Region kommend, wo die Menschen vielleicht das Gegenteil von dem erleben, was wir immer so schön in Reden sagen, sehe es durchaus als meine Rolle und meine Funktion an, dort Motor und Treiber zu sein. Da müssen wir besser werden; sonst glauben uns die Menschen nicht, was wir in unseren Reden sagen.
Wenn wir das erreichen wollen, hilft uns eines, nämlich der Blick in den Aachener Vertrag. Der Élysée-Vertrag war im Grunde genommen ein Bekenntnisvertrag. Damals, 2019, als der Vertrag von Aachen unterzeichnet worden ist, hatten Herr Macron und Frau Merkel vorlaufend gesagt: Wir brauchen wahrscheinlich etwas, was handlungsorientierter ist. – Ich finde, sie hatten recht mit dieser Einschätzung. Und weil das so ist, dürfen wir diesen Vertrag nicht getrost in der Schublade liegen lassen. Viele konkrete Dinge, auch Formate, Institutionen und Einrichtungen, die man braucht, um gut zu arbeiten, sind darin vereinbart worden, und sie sind auch eingerichtet worden. Aber es stehen auch viele konkrete Projekte drin, bei denen wir noch nicht so gut vorangekommen sind.
Was im Aachener Vertrag steht, ist gut, meine sehr verehrten Damen und Herren; aber Papier ist leider geduldig. Ich finde, wir dürfen das nicht sein. Wir müssen ungeduldig sein bei diesen Punkten. Wir müssen uns die Dinge vornehmen, und wir müssen ausbauen, was uns ganz handfest vor Ort in den Regionen verbindet, was Deutschland und Frankreich insgesamt verbindet. Dazu gehört sicherlich die Sprachförderung, dazu gehören Schienenverbindungen. Wer zueinander kommen will, der muss sich verstehen, der muss aber auch zueinander gelangen können. Dazu gehört gerade in diesen Zeiten aber auch der gemeinsame Ausbau von erneuerbaren Energien.
Ich will ein praktisches Beispiel aus der Historie benennen – das ist eben schon einmal genannt worden –: Der Vorläufer der Europäischen Union war die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl. Ich bin der Auffassung, dass wir, wenn wir das mit der Dekarbonisierung unserer Gesellschaft ernst meinen und wenn wir weiterhin Industrieland bleiben wollen, eine Revitalisierung brauchen. Von der ehemaligen Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl sollten wir uns zu einer Gemeinschaft für Wasserstoff und erneuerbare Energien entwickeln.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wenn Deutschland und Frankreich dabei ein Motor sein können, dann haben wir eine neue inhaltliche Aufladung, mit der wir die Menschen auf diesem Weg sicherlich mitnehmen können. Dabei dürfen Projekte, die jetzt schon im Kleinen grenzüberschreitend funktionieren, nicht solitär bleiben. Wenn es um die Wasserstoffinfrastruktur geht, darf ein Wasserstofftransportnetz beispielsweise nicht nur bei uns im Saarland im kleinen Grenzverkehr funktionieren, sondern muss auf ganz Europa ausgeweitet werden.
Keine zwei Staaten arbeiten so intensiv zusammen wie Deutschland und Frankreich. Ich finde, das ist eine unvergleichliche Erfolgsgeschichte. Wir wissen aber auch, dass es nach wie vor einen Schwachpunkt gibt: die Sprachkompetenz, einen Bereich, den ich unter anderem zu vertreten habe. Diese wird, ehrlich gesagt, nicht besser, sondern schlechter. Darauf müssen wir einen Fokus legen. Wenn ich auf die Tribüne blicke, sehe ich da viele junge Menschen sitzen. Ich glaube, wir dürfen nicht einfach nur sagen: Ihr müsst die Sprache lernen, weil es sinnvoll ist. Das sagen wir seit vielen Jahren; das überzeugt nicht ausreichend. Wir müssen also nach weiteren Möglichkeiten suchen, dafür zu werben, dass Französisch nicht nur ein lästiges Schulfach ist und das Französischbuch mit geknickten Eselsohren im Ranzen steckt, sondern dass man erkennt, welcher Reiz darin stecken kann.
Beifall des Abg. Gunther Krichbaum [CDU/CSU])
Ich halte den Schüleraustausch für einen maßgeblichen Schlüssel dafür. Wenn man erkennt, dass es eben nicht allein ein lästiges Schulfach ist, wenn man weiß, was und wer hinter der Sprache steckt und welche tollen kulturellen Erfahrungen damit verbunden sein können, dann, finde ich, kann man sich viel mehr begeistern. Das ist ein Punkt, für den wir werben müssen. Wir müssen Leute und Schulen dazu bringen, mehr Schulpartnerschaften einzugehen, um diesen Austausch letztendlich zu organisieren. Das würde ich gerne nach vorne stellen, auch als Teil unserer Sprachkompetenzstrategie.
Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Ich würde mich sehr freuen, wenn wir im Vertiefen unserer deutsch-französischen Freundschaft viele an unserer Seite wüssten, die demokratischen Kräfte hier in diesem Hause allemal. Es lebe die deutsch-französische Freundschaft. Vive l’amitié franco-allemande! Ich sage an der Stelle für uns alle gemeinsam: Gutes Gelingen! Bonne chance, bon courage und Glück auf!
Vielen Dank.
Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der nächste Redner in der Debatte ist für die AfD-Fraktion Norbert Kleinwächter.
Beifall bei der AfD sowie des Abg. Robert Farle [fraktionslos])