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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kulturpolitik schafft keine kulturelle Identität. Kulturelle Identität entwickelt sich in der Gesellschaft und aus ihr heraus. Identitätsstiftung von oben herab, aus der Politik, hatten wir in Deutschland zweimal im Extremen, einmal im Nationalsozialismus und einmal im Kommunismus.
Und jetzt versuchen Sie es wieder, ja?)
Kulturpolitik jeder politischen Ebene heute ist unterstützende Politik für das, was da ist, und das, was sich entwickelt –
Was Sie heranzüchten!)
vom bewahrenden Denkmalschutz über Vermittlung von Klassik, Traditionen, Alltagskultur bis hin zu Freiräumen für neue kulturelle Entwicklungen.
Was ist für Sie eigentlich deutsche kulturelle Identität? Sind das auch die vielfältigen kulturellen Unterschiede innerhalb Deutschlands,
Ja, klar!)
die es schon seit Jahrhunderten gibt, geprägt durch Zu- und Abwanderung und Veränderung in den Jahrhunderten?
Ja, klar!)
Und sind das vielleicht auch die kritischen Stimmen der Aufklärung? Nach Ihrem Antrag jedenfalls nicht.
Doch!)
Hätten Sie diese zu ihrer Zeit auch als Zerstörer von kultureller Identität bezeichnet und wären Bewahrer der starren Traditionen der damaligen Zeit gewesen?
Nein!)
Denn das war die damalige kulturelle Identität, die die Aufklärer aufgebrochen haben. Ohne den Mut von Menschen vor unserer Zeit, mit kulturellen Traditionen und Identitäten zu brechen, hätten wir heute noch das Mittelalter.
Beifall der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wenn gelebte Tradition und Kultur den Bestand unseres Planeten gefährdet, dann muss sie geändert werden. Wenn gelebte Tradition und Kultur Menschen ausgrenzt, dann muss sie geändert werden. Wenn gelebte Tradition und Kultur Kreativität und Vielfalt verhindert, dann müssen wir etwas verändern. Wenn sich die kulturelle Identität nicht weiterentwickelt hätte, die Gesellschaft sich nicht die Demokratie erkämpft hätte, dann wären Sie alle aus der AfD-Fraktion heute Hausangestellte bei Frau von Storch. Sie hätte als Einzige in Ihrer Fraktion vom Bewahren der kulturellen Identität profitiert.
Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und des Abg. Marco Wanderwitz [CDU/CSU])
Kulturpolitik im besten Sinne ermöglicht den freien Diskurs auch zwischen Bewahrerinnen und Veränderern. Und diesen Freiraum unterstützen wir mit unserer Kulturpolitik. Ich bin stolz auf unzählige kulturelle Errungenschaften Deutschlands, auf Künstler/-innen, Wissenschaftler/-innen, Denker/-innen, die in Deutschland geboren sind oder die hierhergekommen sind und ihre Wahlheimat hier hatten. Aber ich bin auch demütig; denn ein Teil des kulturellen Gedächtnisses ist das Erinnern, und Erinnerungskultur als Umgang mit der Vergangenheit ist wichtig. Sie muss klar und offen sein, schonungslos und aufklärend, damit Unrecht nie wieder passiert.
Sie vermischen in Ihrem Antrag zur vermeintlichen Verteidigung der deutschen Identität so viele Unwahrheiten und Halbwahrheiten miteinander, dass einem schwindlig und am Ende nur noch übel werden kann. Und Sie haben nicht einmal den Mut, klar aufzuschreiben, was Sie wirklich wollen. Was Sie wollen, ist doch Bestimmen. Sie wollen bestimmen, was vermeintliche deutsche kulturelle Identität ist. Das haben vor Ihnen schon der Nationalsozialismus und der Kommunismus gemacht, mit üblen Folgen für die geistige Gesundheit und Kreativität unserer Gesellschaft.
Sie machen es jetzt!)
Diversität und Vielfalt zu fördern, ist Ihnen ein Dorn im Auge. Deutschland ist mit und ohne Zuwanderung ein extrem diverses und vielfältiges Land. Die kulturellen Unterschiede zwischen Ost und West, Nord und Süd, zwischen Rheinländern und Ostfriesen sind wirklich groß und fantastisch. Und mit Zuwanderung wird unsere Kultur noch reichhaltiger. Sie gehen vermutlich auch gern asiatisch essen, wollen sich aber nicht mit der Kultur der Menschen beschäftigen, die Sie da verköstigen, und wollen nicht, dass diese Teil unserer kulturellen Identität werden und sie damit auch verändern. Wie dumm ist das denn?
Sie verstehen es nicht mal. Sie reden davon, dass das Ziel die „Herstellung von sogenannter ‚Chancengleichheitʼ“ sei. Nein, nicht der „sogenannten“, sondern der realen und der wirklichen Chancengleichheit! Sie reden von Benachteiligung der Mehrheitsgesellschaft über und durch Quoten – merken Sie den Widerspruch nicht? –: Eine Mehrheit kann nicht durch Quoten benachteiligt werden, eine Minderheit schon. Sie stellen Vielfalt und Gemeinschaft als Gegensätze hin. Nein, Gemeinschaft besteht aus Vielfalt. Homogenität ist nicht Gemeinschaft, gleichgeschaltetes Denken ist nicht Gemeinschaft – das ist Diktatur.
Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN
Ja, richtig!)
Und unser kulturelles Kapital wird durch die Vielfalt nicht aufgezehrt; es wird bereichert.
Unser kulturelles Kapital – bleiben wir mal bei dem Begriff – durchdringt auch andere Kulturen. Die Telemann-Festtage in Magdeburg zum Beispiel, alte barocke Musik: Diejenigen, die sich dort bewerben, sind in der Mehrheit asiatische junge Frauen und Männer. Es gibt großes Interesse; das wird in Asien gefördert. Wie ist das? Das ist gut, ne? Es ist toll, wenn unsere kulturelle Identität, unsere Kultur, das asiatische Volk so durchdringt. Damit bereichern wir ja, weil es unsere kulturelle Identität ist. Wie ist es denn umgekehrt? Warum sollen dann nicht auch afrikanische Trommeln in unsere Kultur integriert werden?
Mein Fazit: Ich habe schon lange nicht mehr so viel geistigen Durchfall gelesen. Wir lehnen Ihre Anträge ab.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Das Wort hat Maximilian Mörseburg für die CDU/CSU-Fraktion.
Beifall bei der CDU/CSU)