Wir werden aber nicht zulassen, dass Ihre Geschichtsvergessenheit erneut Menschen zu Sündenböcken einer gesamten Gesellschaft macht. Wir lassen nicht zu, dass Sie Menschen verächtlich machen, nur weil sie wünschen, mit ihrem Namen und ihrem Pronomen angesprochen zu werden. Wir lassen nicht zu, dass Sie uns auf Plätze verweisen: nicht an den Herd, nicht hinten im Bus und nicht auf die Haifischinsel. Geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist zunächst mal interessant, zu hören, dass ich wohl etwas bibelfester bin als der Antragsteller; denn ich weiß, dass auf der Kuppel des Humboldt-Forums eben kein Bibelvers zu finden ist. Aber kommen wir zum Antrag. Wie immer bei Anträgen von rechtsaußen stellt sich die Frage: Muss ich wirklich auf jedes verquere Argument eingehen? Reicht es nicht aus, zu sagen: „Wir lassen uns nicht in das vermeintliche Gestern zurückweisen“ und dass wir ein Rollback nicht zulassen, das dieser Antrag will? Damit hätten wir diese knapp neun Seiten eigentlich schnell und gebührend abgehandelt. Aber in alldem steckt etwas Gefährliches, was benannt werden muss. Was den Verfassern des Antrags im Grunde missfällt, ist, dass Kultur und Kulturpolitik ein Ausdruck unserer offenen, vielfältigen Gesellschaft ist. Was Ihnen missfällt, ist, dass wir heute eine Staatsbürgernation sind. Der Zusammenhalt unserer Bevölkerung hängt nicht vom Grad ihrer Homogenität ab, nicht von Herkunft, Religion oder geteilten Traditionen, nicht davon, ob unsere Vorfahren vor geraumer Zeit bereits im Teutoburger Wald gecampt haben. Sie setzen auf eine Gleichschaltung der Kultur und Ausgrenzung von Menschen. Das hat in der Vergangenheit zu millionenfacher Verfolgung und Ermordung von als fremd markierten Menschen geführt: von Jüdinnen und Juden, von Sintize und Romnja. Aus dieser dunklen Vergangenheit unserer Geschichte, aus Hass und Verfolgung haben Sie offenbar nichts gelernt. Unsere Kulturpolitik orientiert sich im Bewusstsein unserer Geschichte und unserer unterschiedlichen Traditionen an Werten der Vielfalt und der Geschlechtergerechtigkeit. Kultur, auch Erinnerungskultur, war und ist nie statisch; sie ist lebendig. Sie ist im ständigen Wandel. Das gilt es zu erkennen und zu akzeptieren. Und nur in Auseinandersetzungen mit unserer Vergangenheit, unserer Gegenwart und den Werten unserer Verfassung werden wir dem gerecht, was Kulturpolitik leisten kann und muss. Ein Kulturbegriff, der sich ausschließlich auf Vergangenes beruft, ist nicht nur nicht zukunftsfähig, sondern unterschätzt die wichtige Rolle von Kultur. Das, was uns bei allem Wandel und angesichts unserer Vielfalt zusammenhält, ist unsere freiheitliche demokratische Grundordnung; das sind die Werte unserer Verfassung. Auf ihnen fußt jegliche Politik in unserem Land und damit auch unsere Kulturpolitik. Das ist unsere Stärke. Unser Grundgesetz hat Lehren aus der Vergangenheit gezogen und gibt Raum für die unterschiedlichen Traditionen, Sitten, Religionen und Gebräuche in diesem Land. Gerade weil wir aus der Vergangenheit gelernt haben und uns der Vergangenheit stellen, werden wir unsere Kolonialgeschichte nicht schönreden. Wir benennen Unrecht als Unrecht. Weil Kulturpolitik auch Gesellschaftspolitik ist, werden wir die Kultur in ihrer Vielfalt als Staatsziel verankern. Wir stärken kulturelle Teilhabe, ein Menschenrecht, indem wir den Kulturpass für junge Menschen einführen. In unserer Kulturpolitik nehmen wir sowohl Theater als auch Museen, Klubs und Festivals, urbane und ländliche Räume und natürlich auch immer die freien Kulturschaffenden in den Blick. So richten wir Kulturpolitik aus.