Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss – es fällt mir schwer – der AfD Dank ausdrücken. Dieser Dank ist allerdings ein trojanisches Pferd oder ein Danaergeschenk, also ein vergifteter Dank, aber immerhin ein Dank. Es ist nämlich durchaus gut, dass wir mal über das Grundsätzliche und Generelle reden und dass Sie hier das Thema „Kultur und kulturelle Identität“ – allerdings mal wieder in solch einer Weise – auf den Tisch gebracht haben; denn dann können wir solche Klärungen vornehmen. Nicht dankbar bin ich Ihnen – nicht mal vergiftet – dafür, dass Sie das wieder in so einer krassen Weise machen. Dadurch machen Sie es uns leider zu einfach, weil wir sagen können: Dieser Wahn kultureller Identität, dieser Rassismus und diese Dummheit, das ist nur ein Problem der AfD. Das ist es aber leider nicht, weil wir dann auch fahnden müssten, wo Spuren von der AfD in der gesellschaftlichen Mitte zu finden sind und wo wir uns selber falsche Kompromisse, kleine Rassismen in unserem Alltag gönnen. Deshalb wird man auch darüber sprechen müssen. Und wiederum dankbar bin ich Ihnen – wenn auch wieder vergiftet –, dass Sie das Ganze so offensichtlich machen, dass Sie Ihre Provokationen so klar und so deutlich und so durchschaubar auf den Tisch legen, dass es schon wehtut. Sie schlagen nämlich im Rahmen Ihres „Gesamtkunstwerkes“ von Anträgen vor, dass man das ganze Themenfeld „Rückgabe von Kunst, Restitution, in dem Sinne auch kulturpolitische Aufarbeitung des Kolonialismus“ mit einer beratenden Kommission machen soll. In dieser Kommission soll aber das Vorschlagsrecht bei Museen liegen, also bei denjenigen, die ja Kunst abgeben sollen. Wer die Tendenz nicht begreift, kann nicht lesen. Es ist zutiefst durchschaubar, was Sie wollen: Dies soll letztlich eine Nichtrückgabekommission sein. Außerdem betonen Sie auch ganz besonders deutlich, dass es nicht rechtlich verbindlich sein soll, was die Kommission entscheidet. Am spannendsten ist aber der vorgesehene Titel. Das mögen alle beachten, auch auf den Tribünen: Sie schlagen ernsthaft vor, diese Kommission Gustav-Nachtigal-Kommission zu nennen. Gustav Nachtigal war im Deutschen Reich der Reichskommissar, der mit der Einrichtung von Kolonien unter anderem in Deutsch-Südwestafrika beauftragt war. Es soll also die Kommission zur Aufarbeitung des Kolonialismus nach einem Hauptkolonialisten benannt werden! Das ist die krasseste, widerlichste, unerträglichste Provokation, die man sich vorstellen kann. Und Sie begründen das auch noch auf eine bemerkenswerte Weise. Sie schreiben – ich zitiere –: Er war „ein Forscher, der Empathie für die Afrikaner besaß“. Das ist ja fast putzig, zutiefst berührend! Klarer, eindeutiger kann man Kolonialismus 1.0, 2.0, 3.0 und 4.0 par excellence gar nicht formulieren. Mit diesem Herrn Nachtigal müsste man ja nach Ihrem Antrag fast schon Mitleid haben. Eigentlich müssten wir nach Ihrem Verständnis eine Entschädigungskommission für die Nachfahren von Herrn Nachtigal gründen, für all das Unrecht, das er erfahren hat durch den Kolonialismus, den er begangen hat. Das muss man erst mal hinbekommen! Und „Empathie für die Afrikaner“ – paternalistischer, bevormundender, kolonialer geht es gar nicht. Ich würde Sie gerne fragen: Wer sind denn „die Afrikaner“? Über „die Europäer“ sprechen Sie nie, aber über „die Afrikaner“. Das hat leider ungefähr genau das Niveau, auf das man nicht nur bei Ihnen trifft, sondern auch dann, wenn Deutsche mit einem westafrikanischen oder ostafrikanischen oder nordafrikanischen Hintergrund plötzlich auf Partys erklären müssen, wie denn die politische Lage in bestimmten afrikanischen Ländern wäre, oder wenn sie angesprochen werden auf ihre Tanzqualitäten und ihre Rhythmizität. Diese Form von Alltagsrassismus haben Sie in zehnfach gesteigerter Form zum Standard Ihrer politischen Arbeit gemacht! Ich kann Ihnen aber mitteilen: „Die Afrikaner“ gibt es zum einen nicht, und zum anderen brauchen die gewiss Ihre Kommission nicht. Die brauchen Recht. Die brauchen Rückgabe von geraubten Kunstgütern. Die brauchen Entschuldigungen seitens der Staaten, die sich kolonial schuldig gemacht haben, wie Deutschland. Sie brauchen Entschädigungen, und sie brauchen die Anerkennung von Schuld – und nicht die Leugnung von Schuld. Dann noch etwas für Ihre Fortbildung: In dem Kontinent Afrika gibt es, noch viel mehr als auf dem europäischen Kontinent, eine Vielfalt von Sprachen und ethnischen Gruppen. Da beherrschen ganz viele Menschen – anders als Sie – diverse Sprachen im selben Land und müssen sich noch herumschlagen mit Grenzen, die ihnen aufoktroyiert wurden durch die Kolonialherren, unter anderem Deutschland. So ist die Lage – nicht anders. Es ist aber – und ich sagte ja: ich bin Ihnen dankbar dafür – notwendig, diese grundsätzliche Debatte endlich mal zu führen. Doch wir diskutieren hier ja nicht; Sie haben ja alles aufgezählt: Sie beschäftigen sich mit Kolonialismus, mit Gendern, Geschlechtergerechtigkeit, Diversität, Cancel Culture, Erinnerungskultur – also das ganze rechtspopulistische Spektrum, das ganze gesellschaftspolitische Spektrum haben Sie aufgezogen – und dem Wokeism, Ihrem größten Feind. Unser Problem ist aber, dass wir manchmal vielleicht zu abstrakt über die Fragen sprechen. Denn worum geht es denn bei diesen Aspekten von Diversität, Geschlechtergerechtigkeit, Aufarbeitung des Kolonialismus? Es geht zum Beispiel darum, dass es nicht sein kann, dass eine Ballerina an deutschen Balletts oder Theatern keine hinreichende Unterstützung erfährt, wenn sie Rassismus erlebt, wie geschehen. Es geht darum, dass eine Frau mit Kopftuch heutzutage mitnichten dieselben Chancen hat, einen Arbeitsplatz zu bekommen. Es geht darum, dass es auffällig ist, wer wie in Bahnen geprüft wird, wenn es um Tickets geht und andere Fragen. Racial Profiling ist leider Teil des Alltags, ob wir nun wollen oder nicht. Es geht auch noch um etwas anderes, und das muss ich auch erwähnen. Daran sind Sie nicht allein schuld, aber auch. Es geht auch darum, dass wir uns anschauen müssen, wie plötzlich bei bestimmten Ereignissen – nehmen wir die Silvesterkrawalle – wieder in bestimmte Rituale verfallen wird. Da wird plötzlich über kulturelle Identität gesprochen. Es wird aber nicht über meine finnische – lupenreine finnische – kulturelle Identität gesprochen, sondern immer nur über arabische oder afrikanische oder wie auch immer beschriebene. Das ist das Muster, das Sie hier bedienen, und das ist ein Verbrechen gegenüber den Menschen, dass sie sich das antun müssen. Es ist übrigens auch wenig erträglich, wenn sie dann ertragen müssen, wie bei solchen Ereignissen sofort über gescheiterte Migration bzw. über übertriebene Migration oder über westasiatische Phänotypen oder über dunkle Hauttypen gesprochen wird – übrigens auch von Mitgliedern anderer Parteien –, oder wenn die Berliner CDU im Abgeordnetenhaus – nicht hier, im Abgeordnetenhaus – nach Vornamen fahnden lässt. Das muss enden! Wo leben wir in diesem Land? Wenn wir ernsthaft eine offene, freie Gesellschaft sein wollen, darf es nicht sein, dass wir diese Fragen stellen, sondern wir müssten in der Lage sein – und das ist mein letztes Wort dazu –, einen kosmopolitischen, bundesrepublikanischen, konsequenten Law-and-Order-Ansatz zu pflegen, mit Restitutionen, mit Rückgabe, aber auch mit einem funktionierenden Rechtsstaat, jedoch ohne jeden reaktionären Muff und ohne Rückfall in rassistische Reflexe. Das sind wir denjenigen schuldig, die Opfer des Kolonialismus werden – heute, morgen und übermorgen. Vielen Dank.