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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wo eine Bevölkerungsgruppe gezielt verfolgt und systematisch ausgelöscht werden soll, dürfen wir, auch aus unserer eigenen Verantwortung aufgrund unserer Geschichte heraus, nicht schweigen. Der Deutsche Bundestag erkennt die Verbrechen an den Jesidinnen und Jesiden heute endlich fraktionsübergreifend als Völkermord an, auch wenn wir wissen, dass Worte und Erklärungen das unvorstellbare Leid, das der IS über die jesidischen Dörfer im Sindschar-Gebirge, über Männer, Frauen und Kinder gebracht hat, nicht ansatzweise erfassen können und das gar nicht ungeschehen machen können. Und dennoch ist es so wichtig für die Zukunft der Jesiden, und darauf haben auch die 230 000 unter uns lebenden Jesiden gewartet.
Die perfide Logik des Genozids an den Jesiden erschließt sich über den gezielten Einsatz sexualisierter, reproduktiver und geschlechtsbezogener Gewalt als Kriegswaffe und Instrument der Demütigung, der Entmenschlichung und ethnoreligiösen Vernichtung. Wie wichtig deshalb das Engagement für Menschen- und Frauenrechte weltweit ist, kann angesichts der Vertreibung der Jesidinnen und Jesiden, ihrer Hinrichtung und Vergewaltigung, ihrer Versklavung und des Menschenhandels gar nicht oft genug betont werden. Die Bundesregierung unter Angela Merkel hat 2014 entschieden, die Massaker des IS nicht einfach weiter geschehen zu lassen, sondern unter anderem auch die Peschmerga und andere Gruppen im Nordirak mit Waffen zu unterstützen und diesen Völkermord zu stoppen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Schicksal gerade der Jesidinnen zeigt, dass es bei Frauenaußenpolitik, wenn sie tatsächlich helfen und wirksam sein will, nicht reicht, Frauen und ihre besondere Verwundbarkeit in den Fokus bei der humanitären Unterstützung und bei der Aufnahme von Geflüchteten zu nehmen, sondern es auch robuste Antworten braucht.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Jesidisches Leben gehört heute zu Deutschland. Ich freue mich deshalb ganz besonders, dass der Zentralrat der Jesiden mit einer großen Delegation die heutige Debatte verfolgt. Und ich beglückwünsche Sie, dass Sie mit Zemfira Dlovani sogar eine so engagierte Frau zu Ihrer Vorsitzenden gewählt haben; denn das ist ein wichtiges Zeichen –
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])
nicht nur, dass wir beim Schutz jesidischer Frauen und Mädchen nicht nachlassen dürfen und ihr Schicksal nicht in Vergessenheit geraten darf.
Zentral an der Anerkennung dieses Völkermords ist der politische Auftrag, der damit einhergeht.
Erstens. Die Zukunftsperspektive der Jesiden im Irak darf nicht ein dauerhaftes Leben in Flüchtlingscamps sein. Sie müssen auch wieder in ihrer angestammten Heimat sicher leben können. Rückkehr und Wiederaufbau, Aussöhnung, Schutz und Integration müssen Kernforderungen Deutschlands gegenüber der irakischen Zentral- und der kurdischen Regionalregierung sein.
Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Für Sicherheit in der Region ist die Umsetzung und Einhaltung des Sindschar-Abkommens wichtig. Auch das militärische Engagement der Bundeswehr trägt nach wie vor zur Stabilisierung im Nordirak bei. Das Kalifat ist zwar zerschlagen; doch der IS ist noch lange nicht besiegt. Seine Landminen und Sprengfallen müssen noch geräumt werden. Dazu kommen die fortlaufenden Militäroperationen des Iran und der Türkei.
Dass der neue irakische Ministerpräsident vor wenigen Tagen Berlin zu seinem ersten Besuchsziel in Europa gemacht hat, zeigt, wie wichtig Deutschland für den Irak ist. Diese Rolle muss die Bundesregierung im Sinne der Jesidinnen und Jesiden jetzt nutzen. Dafür bedarf es dringend einer Gesamtstrategie für das Land und die Region.
Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Derya Türk-Nachbaur [SPD])
Zweitens. Liebe Kollegen, wer sich schwerster Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig gemacht hat, darf sich weder im Irak noch in Deutschland oder an irgendeinem anderen Ort in Sicherheit wiegen. Die Aufarbeitung der IS-Verbrechen steht zwar noch am Anfang; die beiden ersten deutschen Urteile gegen IS-Anhänger 2021 sind jedoch wegweisend, und ein weiterer Prozess hat gerade erst in Koblenz begonnen. Weitere Täterinnen und Täter müssen in Deutschland, aber auch im Irak und bestenfalls irgendwann auch vor dem Internationalen Strafgerichtshof zur Rechenschaft gezogen werden. Und um das Schicksal der immer noch 2 700 Vermissten aufzuklären, ist es notwendig, dass sich die Bundesregierung auch für die Stärkung des UNITAD-Mandats und für die Arbeit der ICMP einsetzt. Das nämlich schafft die Grundlage für das, was sich die Jesidinnen und Jesiden am meisten wünschen: Gerechtigkeit.
Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Das Wort hat die Kollegin Annika Klose für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)