Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist eine sehr bedeutsame Entscheidung, die wir heute treffen werden. Bei den brutalen Verbrechen des IS und dem Vernichtungsfeldzug gegen die Jesiden handelt es sich um Völkermord. Mit der Anerkennung einer furchtbaren Realität, nämlich eines barbarischen Völkermordes im 21. Jahrhundert, dem Völkermord an den Jesiden durch islamistische Horden, leiten wir für Deutschland ein neues Kapitel in der Auseinandersetzung und in der Verarbeitung dieses Horrors ein.
Das barbarische Abschlachten, die Vergewaltigungen, die Versklavung, ja der Verkauf von Menschen, vor allem Frauen, aber selbst von Kindern – das alles ist, um es mit einem alten, aber zutreffenden Wort zu beschreiben: abscheulich.
Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der Deutsche Bundestag verurteilt hier nicht nur ein barbarisches, mittelalterliches und gegen jede Zivilisation gerichtetes Wüten von wilden Horden unter friedlichen und zivilen Angehörigen einer bestimmten Religion. Wir gehen zugleich ganz bewusst die Verpflichtung ein, den Opfern dieses Genozids hilfreich zur Seite zu stehen, und das auf allen Ebenen und auf Dauer. Deutschland – mit der größten jesidischen Diaspora weltweit – kommt hier eine besondere Verantwortung zu.
Aus dem Katalog der gemeinsamen Forderungen will ich einige betonen: Wir wollen die Hilfe für die Opfer weiter verstärken. Vom Bundesland Baden-Württemberg über viele weitere Initiativen gibt es großartige Beispiele, an denen wir uns orientieren können. Ich möchte hier ganz besonders Herrn Professor Kizilhan danken, der der Debatte beiwohnt und mit seinem Team im Bereich Traumatherapie so unendlich viel und Großartiges geleistet hat.
Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN)
Ich erwähne auch Michael Blume, den früheren Leiter des Sonderkontingents für schutzbedürftige Frauen und Kinder aus dem Nordirak, der, als es dringend notwendig war, zu handeln, auch gehandelt hat.
Wir wollen, dass die Täter identifiziert und verhaftet werden, und wir wollen dafür das internationale Völkerstrafrecht nutzen. Es darf für diese barbarischen Verbrecher keinen Winkel der Erde geben, an dem sie vor ihrer Strafe sicher sind.
Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und wir wollen, was die Opfer dieses historischen Verbrechens völlig zu Recht einfordern, unterstützen: den Wiederaufbau und das Recht der Menschen auf Rückkehr in ihre Dörfer im Shingal, im Lalisch und in der Umgebung, um gerade nach dem erlittenen Horror die beste Chance auf Rückkehr in Normalität auf dem ihnen heiligen Gebiet zu erreichen. Dazu braucht es – das wissen wir alle – die ernsthafte Kooperation der Führung des Irak. Und so fordern wir die Bundesregierung, die Außenministerin und auch den Bundeskanzler nachdrücklich dazu auf, in der Tradition einer von Menschenrechten und Werten geleiteten Außenpolitik nachhaltig und nachdrücklich bei der irakischen Regierung dafür einzutreten, dass das Recht auf Rückkehr auch umgesetzt wird.
Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Peter Heidt [FDP])
Dazu zählt auch, dass die etwa 300 000 Jesiden in den provisorischen Flüchtlingscamps nach Jahren endlich eine Rückkehrperspektive erhalten. Ohne jesidisches Leben, ohne jesidischen Glauben hätten die Schergen des IS nachträglich gewonnen. Das will niemand. Auch deshalb braucht es unseren gemeinsamen Einsatz.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Eine starke Frau hat ihrem Volk eine Stimme gegeben, und sie hat auf noch immer stattfindendes Unrecht hingewiesen. Nadia Murad hat bei einem Gespräch im Bundestag gesagt: „Ich habe all jene vor Augen, die noch in den Händen des IS sind.“ Und deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es so wichtig, dass wir nicht allein mit Appellen, sondern mit konkreten Aktionen nach den noch immer vermissten rund 2 500 Opfern suchen, die wir in brutaler Sklavenhaltung befürchten müssen. Für diese Menschen zählt jeder Tag, und wir müssen hier mehr tun.
Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich erinnere mich an ein Wort in dieser Runde mit Abgeordneten, das mich berührt hat. Nadia Murad hat damals gesagt: „Deutschland ist meine zweite Heimat geworden. Deshalb betrachte ich euch auch als meine Abgeordneten.“ Nadia Murad kann heute nicht hier sein. Aber ich möchte ihr ganz bewusst von diesem Ort im Deutschen Bundestag sagen: Dein unermüdlicher Einsatz gegen sexuelle Gewalt als Kriegswaffe ist beeindruckend. Liebe Nadia, du bist ein Segen nicht alleine für die Jesidinnen und Jesiden.
Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist keine Lage, die man so viele Jahre nach dem Genozid einfach sich selbst überlassen kann. Auch sogenannte Realpolitiker müssen anerkennen: Zur Achtung der Menschenrechte zählt auch der Einsatz für die Achtung der Rechte dieser Menschen. Das unterscheidet uns doch von Zynikern, die nur mit den Achseln zucken und die Menschen ihrem schlimmen Schicksal überlassen wollen. Mit der Entscheidung heute gibt der Deutsche Bundestag und gibt die Bundesrepublik Deutschland ein anderes Zeichen. Es ist ein Zeichen der Verantwortung, des Respekts und der Empathie.
Aus unserem engen und sehr freundschaftlichen Austausch mit vielen Jesidinnen und Jesiden – ich möchte hier auch den Einsatz unserer Kollegin Sabine Weiss würdigen –
Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
ergibt sich nicht nur der große Respekt für die Art und Weise, wie die Jesiden mit dem Horror eines barbarischen Genozids umgehen. Es drängt sich ein wichtiger Gedanke auf, den ich abschließend äußern möchte: Bitte definieren wir diese Menschen, die viele bis zum Horror durch die IS-Milizen kaum kannten, nicht allein über die Eigenschaft als Opfer. Die Jesiden haben so viel mehr, und sie haben so lange ihre eigene Farbe zu unserer globalen Zivilisation der Menschheit beigetragen, dass wir alle ihnen unseren natürlichen Respekt und unsere Empathie entgegenbringen für das, was sie sind: ein schwer getroffenes, aber nicht geschlagenes Volk und ein Volk mit Stärke und Hoffnung. Tun wir alles, was in unserer Macht steht, um dieses neue hoffnungsvolle Kapitel im Geschichtsbuch der Jesiden und des Einsatzes für Gerechtigkeit und gegen Gewalt schreiben zu helfen.
Wir verneigen uns vor den Opfern, und wir drücken unseren Respekt und unsere tiefempfundene Empathie für die Jesiden aus: Hol hola Tausi Melek!
Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Die Kollegin Derya Türk-Nachbaur hat das Wort für die SPD-Fraktion.
Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)