- Bundestagsanalysen
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer! Eigentlich wollten wir, wenn es nach dem ursprünglichen Willen der Kollegen der CDU und der CSU gegangen wäre, über den Wald diskutieren. Den entsprechenden Antrag haben Sie heute abgesetzt – wenn ich mich recht erinnere, zum zweiten Mal.
Kommt schon noch!)
Jetzt haben Sie aus der Hüfte den Antrag zur Selbstversorgung herausgeholt. Das ist der rote Faden dieses Antrages; dazu habe ich jetzt aber wenig gehört. Ich stelle damit nur fest: Die Beliebigkeit Ihrer Anträge und die Art, wie Sie damit jonglieren, sind für eine solide Landwirtschaftspolitik nicht gut.
Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)
Ich konzentriere mich mal auf das Thema des Antrages, auf die Selbstversorgung. Hierzulande liegt der Selbstversorgungsgrad bei Nahrungsmitteln bei rund 87 Prozent. Je nach Produktgruppe fällt er natürlich unterschiedlich aus. Bei Kartoffeln, Schweinefleisch, Milch, Käse und Zucker liegt er zum Beispiel bei über 100 Prozent. Dementsprechend können diese Produkte natürlich auch exportiert werden.
Keine aktuellen Zahlen!)
Bei Obst und Gemüse sind wir hingegen abhängig von Importen. Der Selbstversorgungsgrad bei Gemüse liegt bei etwa – ich hoffe, jetzt aktuell – 36 Prozent und bei Obst bei knapp unter 20 Prozent.
Zitrusfrüchte!)
Bei Tomaten, dem Lieblingsgemüse der deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher, liegt er sogar nur bei unter 5 Prozent.
Die wichtigsten Importländer für Obst und Gemüse sind für uns die Niederlande, Spanien, Belgien und Marokko. Lediglich beim Weißkohl und beim Rotkohl liegen wir beim Versorgungsgrad bei 109 Prozent. Da muss ich etwas schmunzeln. Ich komme aus der DDR und bin mit sehr viel Weißkohl groß geworden.
Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)
Woran liegt das? Ein Grund ist, dass der Freilandanbau wetterbedingt natürlich beschränkt ist und sich nicht jedes Erzeugnis über Monate lagern lässt. Ein weiteres Argument: Das Gefühl der Saisonalität ist vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern über die Jahre verloren gegangen. Wenn im Laden fast immer alles erhältlich sein soll, müssen wir wohl oder übel das eine oder andere importieren.
Die Coronakrise hat uns gezeigt, wie abhängig wir von globalen Lieferketten sind und dass diese Abhängigkeit nicht in jedem Falle gut ist. Wir sind uns auch bewusst darüber, dass die langen Transportwege in puncto Klimaschutz in der Tat nicht nachhaltig sind.
Aha!)
Um rein theoretisch eine 100-prozentige Selbstversorgung – denn das war Ihr Thema – in Deutschland zu erreichen, müsste nach Ansicht der EAT-Lancet-Kommission der hiesige Durchschnittsesser drei Viertel weniger Fleisch, vier Fünftel weniger Eier und ein Viertel weniger Milchprodukte zu sich nehmen. Stattdessen sollten Vollkorngetreide, Obst, Gemüse, Nüsse und Hülsenfrüchte auf dem Speiseplan stehen.
Momentan produziert die Landwirtschaft bei Obst und Gemüse nicht das, was benötigt wird. Dafür sind wir Exportweltmeister bei einigen tierischen Lebensmitteln. 2022 wuchsen in Deutschland 36,6 Millionen Mastschweine heran, die natürlich auch geschlachtet wurden. Die Hälfte wird exportiert. Bei Rind und Geflügel ging je ein Drittel ins Ausland. 32,4 Tonnen Milch werden in Deutschland verarbeitet. Die Hälfte wird exportiert, meistens in Form von Milchpulver.
Alle Tiere, liebe Kolleginnen und Kollegen, brauchen Nahrung, und so ist es nicht verwunderlich, dass auf 60 Prozent der Ackerflächen Tierfutter wächst, vor allem Mais und Getreide. Schlussfolgernd: Ein erster Schritt zur Erhöhung des Selbstversorgungsgrades – das Thema Ihres Antrages – wäre ein deutlicher Abbau der Tierbestände. Damit würden wir viel Futteranbaufläche freisetzen, die wir dringend für den Anbau pflanzlicher Lebensmittel benötigen.
Danke für diese Klarheit!)
Wenn wir weniger Fleisch konsumieren, brauchen wir natürlich andere Eiweißquellen wie Bohnen, Erbsen, Linsen und andere Hülsenfrüchte. Dank unserer Eiweißstrategie und dem Netzwerk LeguNet gelingt es immer besser, Bundesländer und Landwirte vom Anbau dieser Produkte zu überzeugen.
Damit wir uns perspektivisch von einer regionalen Vielfalt pflanzlicher und tierischer Lebensmittel ernähren können – Ziel Ihres Antrages –,
Sind Sie jetzt bei den Grünen?)
die tatsächlich gut, sauber und fair erzeugt und verarbeitet werden, sind allerdings ein starker politischer Wille und eine Neuausrichtung der staatlichen Förderung erforderlich. Auch fehlen Erfahrungen im Anbau sowie passende Verarbeitungsstrukturen, weil viele Molkereien, Mühlen, Schlachthöfe und Ölpressen in den letzten Jahren verloren gegangen sind.
Sie wollen den Selbstversorgungsgrad erhöhen. Das ist richtig. Das wollen wir auch; nur haben wir da unterschiedliche Wege. Insofern ist Ihr Antrag abzulehnen.
Danke schön.
Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Stephan Thomae [FDP])
Für die AfD-Fraktion hat das Wort Frank Rinck.
Beifall bei der AfD
Jetzt spricht ein Fachmann!)